Sind Blur zurück? Man weiß es nicht! Für den Moment beglücken sie uns aber mit THE MAGICAL WHIP.
Berlin Festival 2013 – ein warmer Sommerabend über dem ehemaligen Tempelhofer Flugfeld, dem Blur mit ihrem Auftritt einen nostalgischen Glanz verleihen. Einigermaßen beglückt, seine Jugendhelden nochmal gesehen zu haben, verließ man das Gelände und es schien ein runder Abschluss für eine lange Liebesbeziehung gewesen zu sein. Zwei Jahre später liegt nun THE MAGIC WHIP auf dem Tisch. Das Album war damals bereits in Teilen in Hong Kong aufgenommen und in den folgenden Jahren von Graham Coxon und Damon Albarn getrennt bearbeitet worden. Als kritischer Musikhörer läuten da die Alarmglocken. Handelt es sich um komplettes Stückwerk, vielleicht Ausschussware des letzten Solowerks von Damon Albarn? Oder ist das Album einfach ein uninspirierter Gnadenakt des Mastermind für die drei Mitstreiter, die im Schatten der Popgeschichte untergegangen sind?
Die Ängste stellen sich schnell als unbegründet heraus. THE MAGIC WHIP ist ein organisches, modernes Popalbum, welches sich nicht vor dem bisherigen Schaffenswerk der Band zu verstecken braucht. Schon die lässig-traurige Melodiegitarre von Graham Coxon auf „New World Towers“ vertreibt jegliche Zweifel, dass es die Band mit dem Album nicht ernst meint. Es scheint als, werde die Rotzigkeit der Anfangstage von MODERN LIFE IS RUBBISH und der Popappeal späterer Schaffensphasen einer alterskompatiblen Übersetzung ausgesetzt. Gekonnt integriert die Band Elektroelemente, reduziert das Tempo und überzieht die eingängigen Popmelodien mit einer merkwürdig-schönen Schicht Melancholie und Weltentrücktheit. Ein wenig erinnert dies an Albarns letztjähriges Solowerk EVERYDAY ROBOTS. Trotzdem handelt es nicht um eine bloße Fortführung des Solowerks des Frontmanns. Ohne seine alten Mitstreiter hätten die Songs kaum so poppig und leicht geklungen, würde kaum wieder dieser britisch-rotzige Unterton durchklingen wie in „Lonesome Street“ oder bei „Go out“. Trotzdem ist die musikalische Weiterentwicklung den Songs deutlich anzuhören, wirken sie doch musikalisch abwechslungsreicher und reifer als in der Vergangenheit. Sind Blur also zurück?
Ja und… man weiß es nicht! Die Qualität von THE MAGIC WHIP bietet die richtige Plattform, als Band wieder durchzustarten. Doch wo der Weg letztlich hinführt, wissen die vier Briten vielleicht selbst nicht einmal. So bleibt erst mal ein gutes Album, welches keine falsche Nostalgie aufkommen lässt.
Ohr d’Oeuvre: Ice Cream Man / Go Out / There are too many of us
VÖ: 24.4.2015 – Parlophone Label Group / Warner
Tracklist:
01.Lonesome Street
02. New World Towers
03. Go out
04. Ice Cream Man
05. Thought I Was A Spaceman
06. I Broadcast
07. My Terracotta Heart
08. There Are Too Many Of Us
09. Ghost Ship
10. Pyongyang
11. Ong Ong
12. Mirrorball
Gesamteindruck: 7,5/10