Ein Album pro Staat, Weihnachtsalben, Brooklyn Academy of Music, Bühnenshows als Schmetterling mit Chor. Wie man so etwas toppt? Man geht zurück zu sich selbst.
Sufjan Stevens wirkte viele Jahre wie der Kendrick Lamar der Indiemusik. Gesegnet mit außergewöhnlichen textlichen und musikalischen Fähigkeiten gab er sich tief greifenden und musikalisch herausfordernden Werken hin und versuchte die künstlerischen Grenzen stetig auszuweiten. So traf die selbst entworfene Schublade des Baroque Pop gerade auf Werke wie MICHIGAN (2003) und ILLINOIS (2005) sowie die entsprechenden Bühneninszenierungen zu. Jetzt aber dieser Bruch.
Denn nach all diesen unterschiedlichen Ansätzen erleben wir Sufjan zum ersten Mal nicht in irgendeiner Rolle, sondern als ihn selbst. Denn um ein Album persönlich zu machen, kann man entweder über Persönliches singen oder die Musik reduzieren. Sufjan macht auf CARRIE & LOWELL einfach beides.
Bereits die zerstörte und von Rissen durchzogene Gestaltung des Tonträgers weist auf die inhaltlich tiefer brodelnde Thematik hin: Sufjans Mutter war bipolar, schizophren und drogenabhängig. Sie starb 2012, verstieß ihren Sohn jedoch bereits früher und ließ ihn mit seinem Stiefvater zurück, der für ihn sein Anker wurde und heute Sufjans Label Asthmatic Kitten leitet und darüber hinaus zu seiner wichtigsten Bezugsperson wurde. Beiden setzt der Detroiter nun durch Titel, Töne und Texte ein musikalisches Zeichen.
Dabei wirken der Künstler und sein Werk zum ersten Mal seit Langem in sich stimmig und wie aus einem Guss. Zurückgenommen und reduziert, aber mit atemberaubenden und lange nachwirkenden Melodien („Should have known better“) scheint das Album teilweise an einem vorbei zu schweben („Fourth of July“) und sorgt anschließend doch nur für die primitivste aller Reaktionen, zu denen der Mensch überhaupt fähig ist:
Dem Drücken der REPEAT-Taste.
Ohr d’Oeuvre:
Death with Dignity / Should have known better / Fourth of July
VÖ: 27.03.2015 – Asthmatic Kitty (Cargo Records)
Tracklist:
01. Death with Dignity
02. Should Have Known Better
03. All of Me Wants All of You
04. Drawn to the Blood
05. Eugene
06. Fourth of July
07. The Only Thing
08. Carrie & Lowell
09. John My Beloved
10. No Shade in the Shadow of The Cross
11. Blue Bucket of Gold
Gesamteindruck:
9/10