Nachdem der Großteil des Publikums den See oder die auch in diesem Jahr hervorragenden sanitären Einrichtungen genutzt hat, um sich zu restaurieren, startet der Freitag direkt mit einem absoluten Festivalhöhepunkt.
Conor J. O’Brien mit seinen Villagers haben die Ehre, das Spiegelzelt am ersten offiziellen Festivaltag zu eröffnen. Viele mögen sich ob der frühen Zeit und der Positionierung im Zelt erstaunt die Augen gerieben haben. Die Erklärung für dieses Setting ist jedoch denkbar einfach – die Band selbst hat um diesen frühen Slot gebeten, um selbst noch den Rest des Freitags das Festival genießen zu können. Ein äußerst sympathisches Anliegen, dem die Festivalmacher gerne gefolgt sind. Das Konzert der Villagers ist dann auch – wie nicht anders zu erwarten – selbst zu dieser frühen Stunde ein erstes Highlight, wobei es faszinierend zu beobachten ist, mit wie wenig Aufwand Conor J. O’Brien es immer wieder schafft, das Publikum in seinen Bann zu ziehen. Manchmal reichen einfach großartige Songs und ein unprätentiöses, sympathisches Auftreten, um magische Momente zu erschaffen.
Die ehrenvolle Aufgabe die Hauptbühne zu eröffnen, haben beim 32. Haldern Pop die Intergalactic Lovers. Die Belgier nehmen diese Aufgabe gerne an und legen einen grundsoliden Auftritt hin, der getragen wird von der herzerfrischenden Art der Sängerin Lara Chedraoui.
Im Anschluss daran spielen Die Sonne aus Köln ein leider zu wenig beachtetes Konzert im Spiegelzelt. Dabei hätte der Auftritt der neuen Band von Oliver Minck und Benedikt Filleböck, ehemals Wolke, ein besser gefülltes Zelt verdient. Ihre angenehm unaufdringlichen, in deutscher Sprache vorgetragenen Songs passen ganz wundervoll in diesen sonnigen Freitagnachmittag, was die im Zelt Anwesenden mit viel Applaus honorieren.
Die Dänen von Alcoholic Faith Mission bringen den Bereich vor der Hauptbühne, besonders zum Ende ihres Auftritts, erstmalig am Festivalfreitag zum Tanzen. Ihr souliger Folk Pop, gepaart mit der energetischen Performance von Sängerin Kristine Permild, lässt den Funken auf das Publikum überspringen und veranlasst dieses zu der ein oder anderen gewagten Tanzeinlage.
Den Kontrast zur ersten, noch etwas zaghaften Reitplatz-Tanzparty liefert am frühen Abend Kate Tempest. Im Gegensatz zur fröhlichen Show von Alcoholic Faith Mission fordert die Süd-Londonerin ihr Publikum mit ihren in Rap-Form dargebotenen Gedichten und ihrer Spoken-Word-Performance gewaltig. Wer jetzt aber glaubt, das Haldern Publikum sei mit der Kunst Kate Tempests überfordert, der sieht sich getäuscht. Der Nachdruck, mit dem Tempest ihre Stücke vorträgt, führt während des Vortrags zu äußerster Aufmerksamkeit beim Publikum und entlädt sich im Anschluss in regelrechten Begeisterungsstürmen. Einer der bemerkenswertesten Auftritte des gesamten Wochenendes.
Der darauf folgende Olli Schulz bietet den kompletten Gegensatz zur wortgewaltigen Engländerin. Wortgewaltig ist Schulz zwar auch, jedoch weniger beim Rezitieren von Gedichten, sondern vielmehr bei der komödiantischen Unterhaltung des Publikums. Sicherlich wollte er durch sein neues Album weg vom Klamauk-König der „Halli Galli-Generation“, die Live-Performance hebt sich dann aber nur unwesentlich von der früherer Tage ab. Dies ist jedoch keineswegs schlecht, da Olli Schulz ein schlicht und ergreifend großartiger Entertainer ist, der besonders im Gesamtpaket aus Musik, Geschichten und Improvisation dem Publikum die meiste Freude bereitet.
Für den Abschluss der Hauptbühne am Freitag haben sich die Veranstalter zwei ganz besondere Leckerbissen ausgedacht, die beweisen, dass gerade das Haldern Festival der richtige Ort ist, an dem man so mutig sein kann, unkonventionelle Acts auf die Headlinerposition zu setzen, ohne dass der Spannungsbogen beim Publikum abfällt.
So ist es zunächst Nils Frahm, der hinter einem Turm von Synthesizern und Effektgeräten Sounds in den inzwischen dunklen Haldern-Himmel zaubert, die schlicht atemberaubend sind. Ein Auftritt, bei dem einfach alles passt – die Musik, das Publikum und der Ort.
Im Anschluss an Nils Frahm sind es die Isländer von Kiasmos, die den alten Reitplatz nochmal zum kollektiven Tanzen bringen. Wohl einer der elektronischsten Auftritte, den die Hauptbühne des Haldern Pop je gesehen hat und gleichzeitig der Beweis dafür, dass die Offenheit des Publikums auf diesem Festival schier keine Grenzen kennt. Zu Beginn ihres Sets noch etwas verhalten, bringen Ólafur Arnalds und Janus Rasmussen aka Kiasmos – zeitweilig unterstütz von Nils Frahm – Menschen zum Tanzen, die bis dato mit elektronischer Musik rein gar keine Berührungspunkte hatten.
Auf den Teil des Publikums, der noch nicht müde von der ausgiebigen Elektro-Feier auf der Hauptbühne ist, wartet zum Abschluss des Festival-Freitags noch ein besonderes Schmankerl im Spiegelzelt. Der Godfather der Indie-Alleinunterhaltung, Bernd Begemann, lädt zum Tanz und alle seine Jünger lassen sich nicht zweimal bitten. Der Künstler ist sichtlich bewegt, dass das Zelt um halb drei Uhr nachts zum Bersten gefüllt ist und belohnt diejenigen, die gekommen sind, mit einem Feuerwerk der Unterhaltung. Ein englischer Journalist, den es eher zufällig auf dem Rückweg zum Campingplatz ins Spiegelzelt verschlagen hat, bringt es am nächsten Tag auf den Punkt: Er habe kein Wort von dem, was der kleine, leicht füllige Mann da auf der Bühne von sich gegeben hat, verstehen können, was er jedoch gesehen hat, sei ein begnadeter Entertainer gewesen, der es geschafft habe, das anwesende Publikum die nachtschlafende Zeit völlig vergessen zu lassen.
Alles in allem ein großartiger Freitag, der gezeigt hat, dass das Wichtigste für das Gelingen eines tollen Festivals das Publikum ist – und davon hat das Haldern Jahr für Jahr eine Menge zu bieten.