Zum fünften Mal findet Ende November in Mülheim das WEEK-END Festival statt. Gewohnt stil- und epochenübergreifend gestaltet sich das Programm und verspricht zwei denkwürdigende und durchlebte Nächte.
Eigentlich diente der Wiener Platz im rechtsrheinischen Köln-Mülheim nur als Umsteigepunkt zum E-Werk oder Palladium. Hat man sich entschieden eine der Großveranstaltungsorte zu besuchen, lässt man in der Regel den dunklen und nicht überschaubaren Platz links liegen und strebt schnell weiter Richtung Schanzenstraße. Im Schatten dieses permanenten städtebaulichen Ausnahmezustands liegt die Stadthalle Köln-Mülheim. Ein Zweckbau aus den 1960ern mit holzvertäfelten Parkettsaal und einem weiträumigen Foyer, was ein wenig überdimensioniert wirkt. Dieser charmant, verlebte Ort am Rande der Wahrnehmung beherbergt zum fünften Mal das WEEK-END Festival, was seine Blüten auch am Rande des popkulturellen Mainstreams über Genre- und Epochengrenzen hinweg treibt und Jahr für Jahr mit einem exklusiven wie individuellen Line-Up glänzt.
Es scheint als begriffen sich die Organisatoren Archäologen. So präsentieren Sie immer wieder Künstler, die tief vergraben schienen in den Hinterköpfen und Plattenkisten und trotzdem ausstrahlen auf die heutige Pop-Welt. Legendär der kauzige Auftritt von Hüsker Düs Grant Hart oder die jugendlich frische Performance von Robert Forster. Und wer hätte eigentlich gedacht, nochmal The Teenage Fanclub live auf einer Bühne zu sehen? Dass die Organisatoren dabei keine musikalischen Grenzen kennen, ermöglicht wohl erst diesen spannenden Mix aus Elektro, Experimental und Indie, der auch dieses Jahr wieder durch einige Exklusivauftritte veredelt wird.
So verspricht einer der seltenen Auftritte von The Notwist zu einem der Höhepunkte am Freitagabend zu werden. Sie repräsentieren mit ihrer musikalischen Sozialisation vom Hardcoreact zu Electro-Feingestern und ihrer scheinbar nicht endenden musikalischen Neugier die Festivalphilosophie par excellence.
Ebenfalls für Spannung dürfte der Auftritt der Dub- und Avantgarde- Pioniere The Pop Group am Freitagabend sorgen. Läutete man Ende der 1970er mit dem Album Y die Postpunk- und Wave – Ära ein, war danach fast 30 Jahre nichts von der Band zu hören. Nun kommen die Linksaktivisten mit neuem Album für einen Auftritt nach Deutschland.
Eingeleitet wird der Abend von der Singer-Songwriterin Deradoorian, ehemals Dirty Projectors. Wobei Singer-Songwriterin den Mix aus Balkan, Arab, Indie und Experimental nur unzureichend beschreibt. Mit Hilfe von Loops wird sie vielschichtige Klang- und Melodiekaskaden zaubern, die ein wenig wirken als hätte PJ Harvey einen Arabientrip hinter sich gebracht.
Kann eine Band langweilig sein, deren Songs beispielsweise „Fratzengulasch“ heißen? Wohl kaum! Der Auftritt der Experimentalelektroniker von Die Vögel dürfte am frühen Samstagmorgen eine spannende Entdeckungsreise sein, auf welche die Zuschauer von den ehemaligen Stella- und JaKönigJa- Mitgliedern genommen werden.
Hat man den Rausch ausgeschlafen, geht es Samstag gegen 18:30 Uhr weiter. Auch dieser Abend wird sich tief in den Sonntagmorgen graben, zumindest, wenn man noch die Energie hat mit DJ Move D auf der Aftershowparty im Gewölbe bis zum frühen Morgen zu tanzen. Vorher erwartet den geneigten Besucher wie am Vorabend ein Mix aus hoffnungsvollen Newcomern, etablierten Gegenwartsacts jenseits des Mainstreams sowie überraschende Besuche aus der Vergangenheit und in erster Linie große Individuen.
Als Auftakt wird Jack Name einen Einblick in seinen Kosmos aus LoFi-Pop und Space Melodien geben. Die Musik des Live-Begleiters von Ariel Pink und der White Fences wirkt wie eine Mischung aus Beck und Spiritualized oder einfach wie ein Science Fiction Film aus den 1960ern, der sich an dem Abend auf die Mülheimer Bühne verirren wird.
Ebenfalls seine Wurzeln im LoFi Bereich hat der Amerikaner Ariel Pink, als dessen König er aufgrund seiner skizzenhaften Songstrukturen und eher billigen Aufnahmetechnik galt. Inzwischen entwickelte er einen ganz eigenen Sound, irgendwo zwischen Wave, Pop, Kirmes und Experimental und dürfte den ein oder andern mit seinen Melodien nachhaltig verzaubern.
Eingerahmt wird der Auftritt Pinks von Mustafa Özkent und Billy Childish, der als Inspirationsquelle von Leuten wie Kurt Cobain und Jack White gilt und seinen ersten Auftritt seit sechs Jahren spielen wird. Özkent dagegen wird einen Crossover aus türkischen Volksliedern und Jazz zusammen mit dem Belçika Orkestrasi aufführen. Es dürfte eine Entdeckungsreise sein. Gechillt wird der Liveabend zu Ende gehen mit dem jazzig angehauchten Soul und R&B, den die in London lebende Schwedin Fatima auf die Bühne bringt. Freuen kann man sich auf eine wunderbare Stimme und Soul im modernen Gewand.
Bevor es dann ins Gewölbe geht, um auch den letzte Rest Energie zu Move D aus den Knochen zu schütteln, legt noch die Numero Group ihre musikalischen Obskuritäten zwischen Indie, Jazz, 60ties und Folk auf.
Wie gesagt die Stadthalle Köln-Mülheim sollte an dem Wochenende wieder eine Herberge für alle sein, die neugierig auf Musik und Persönlichkeiten jenseits des Mainstreams sind und dafür mit einem exquisiten Mix vom WEEK-END Festival 2015 belohnt werden.
Freitag, 20. November 2015
Deradoorian (20:00 / 45 min)
The Pop Group (21:15 / 75 min)
Notwist (23:00 / 75 min)
Adrian Sherwood at the Controls (0:30-01:45)
Die Vögel (1:45-02:45)
Samstag, 21. November 2015
Jack Name (18:30 / 30 min)
Mustafa Özkent Ve Orkestrası (19:30 / 60 min)
Billy Childish (21:00 / 60 min)
Ariel Pink (22:30 / 75 min)
Fatima (0:30 / 60 min)
Numero Group (DJs) (1:30-3:30)