Die Höchste Eisenbahn – Wer bringt mich jetzt zu den Anderen
Wenn zwei sich zusammentun, freuen sich die Hörer. So ungefähr kann die Entstehungs- und Erfolgsgeschichte der Höchsten Eisenbahn verstanden werden. Francesco Wilking und Moritz Krämer gelang 2013 ein bemerkenswerter Achtungserfolg mit dem Album SCHAU IN DEN LAUF HASE. Schlaue Texte treffen bei diesem Werk ohne Längen auf gut arrangierten Indiepop.
Just ist endlich das angeblich schwierige zweite Album WER BRINGT MICH JETZT ZU DEN ANDEREN veröffentlicht und wieder sind Multiinstrumentalist Felix Weigt sowie der Hund Marie Max Schröder mit von der Partie. Zu viert ist es ihnen erneut gelungen, ein Album aus einem Guss zu erschaffen und Lieder zu kreieren, die direkt warm und vertraut daherkommen. Bewährtes ist geblieben, die Vielzahl der Instrumente ist jedoch gestiegen. So erklingen an mancher Stelle auch Bongos, Streicher oder gar eine chinesische Viola. So etwas wie schwache Stücke oder Längen enthält das neue Werk der Band kaum, einzig der Harmoniegesang von Krämer und Wilking mag für manchen Geschmack eine Spur zu poppig sein, doch dies ist nur passagenweise der Fall.
Sentimentalität und Lässigkeit zugleich machen WER BRINGT MICH JETZT ZU DEN ANDEREN gut und flüssig hörbar und die Stücke wirken nicht zu überfrachtet. Auch die Texte halten ihr hohes Niveau, schrecken aber auch nicht ab oder wirken zu intellektuell. Das Songwriting und die Arrangements sind von hoher Raffinesse, wie sie ein Musiker allein wohl nicht hinbekommt. Ob das gewürdigt wird und das Quartett neue Fans hinzu gewinnen wird, bleibt fraglich. Denn Songs mit Hitpotenzial sind auch unter den 13 neuen Stücken nicht vorhanden, ja ein Refrain, der sich wie bei SCHAU IN DEN LAUF HASE aufdrängt, ist nicht so eindeutig vorhanden.
Trotzdem oder gerade deswegen lässt Die Höchste Eisenbahn hoffen. Sie sind eine Band, die gute deutsche Popmusik abseits vom Mainstream kreiert und Lust macht auf mehr. Hoffentlich gibt es auch Album Nr. 3.
VÖ: 26. August, Tapete, http://www.diehoechsteeisenbahn.de
Ohr d’oeuvre: Woher denn / Nicht atmen / Lisbeth
Gesamteindruck 8,5/10
Tracklist: Wir Haben So Lange Nachgedacht Bis Wir Wütend Waren/ Lisbeth/ Gierig/ Timmy/ Jemand Ruft An/ Wer Bringt Mich Jetzt Zu Den Anderen/ Nicht Atmen/ Gute Leute/ Stern/ Beschweren/ Woher Denn/ Blume/ Erobert & Geklaut
Banks&Steelz – Anything but words
Wollen Banks&Steelz ein 90er Jahre „Crossover“ – Revival einleiten? Nein, keine Angst vor zweitklassigem Rap Geshoute über drittklassigem Gitarrengeschrammel! Mit ANYTHING BUT WORDS legen RZA vom WU– Tang Clan und Paul Banks von Interpol ein zeitgemäßes Fusion Album vor, welches das Rad nicht neu erfindet, aber da zu überzeugen weiß, wo die Gegensätze der beiden Hauptakteure am stärksten zu Tage treten.
Die Beiden verbindet keine langjährige Freundschaft. Vielmehr trat RZA an seinen Produzenten mit dem Wunsch heran, mit Banks ein Album aufnehmen zu können. Ihn fasziniere diese „New Yorker Künstlerenergie“, die Banks ausstrahle. Herausgekommen ist ein atmosphärisch, dunkles Album, eine Melange aus klassischen Hip-Hop Stücken und Elektrosynthie, der stark an die Interpolphase nach dem Ausstieg von Carlos Dengler erinnert. Angereichert wird dies durch einen wilden Jazz – und Latinosamplemix. Dominiert werden die meisten Songs durch die Lines von RZA, während Banks dies durch relativ nüchtern gehaltene Hooklines abrundet. Insgesamt eine ähnlich brodelnde Mischung wie die Stadt, der beide Künstler entstammen, allerdings verlieren einige Lieder in dieser Mixtur auch ihren roten Faden. Am besten funktionieren die Stücke, wenn das Album zu einem Extrem Hip-Hop oder Indie Elektro abdriftet. In dem starken Auftaktstück „Giant“ scheint RZA mit seinem aggressiven Rap Banks geradezu pulverisieren zu wollen. Ähnlich in dem lässig arrangierten Latinostück „Love and War“, in welchem RZA und Gast Ghostface Killah Banks zur Randfigur degradieren. Im Gegensatz dazu stehen die eher Interpol geprägten melancholischen Elekropopper „Wild Season“, in welchem Florence Welch sich mit Banks ein wunderschönes Duett liefert und der melancholische Trip Hopper „Gonna make it“. Insgesamt ist ANYTHING BUT WORDS ein modernes Hip-Hop Album, welches die verschiedensten Stile integriert. Eine Platte interessant für Wu– Tang Clan – und Interpolfans, wobei beide Seiten nicht voll überzeugt sein werden.
VÖ: 26. August, Warner Bros Records/ Warner Music, http://www.banksandsteelz.com
Ohr d’oeuvre: Anything but words / Gonna make it/ Wild season
Gesamteindruck 6,5/10
Tracklist: Giant/ Ana Electronic/ Sowird in the Stone (feat. Kool Keith)/ Speedway Sonora/ Wild Season (feat. Florence Welch)/Anything but words/ Conceal/ Love and War (feat. Ghostface Killah)/ Can’t hardly feel/ One by one/ Gonna make it/ Point of view (feat. Method Man and Masta Killah)
Jamie T. – Trick
Nach seinem eher ruhig und nachdenklich daherkommenden dritten Album CARRY ON THE GRUDGE 2014, haut uns Jamie T. diese Woche mit TRICK seinen Reifegrad und sein non-konformes Musikverständnis um die Ohren.
Mit dem Opener und der gleichzeitig ersten Single „Tinfoil Boy“, startet TRICK brachial, roh und fulminant. Öffnet für das, was auf dem Album noch folgen soll, allerdings überraschend anderes, als zu diesem Zeitpunkt erwartet. Mit dem sich anschließendem „Drone Strike“ stellt der mittlerweile 30-jährige Jamie Treays nämlich ein für alle Mal klar, daß ihn Genregrenzen nicht interessieren. „Drone Strike“ kommt als düsteres Indie-Hip-Hop-Wave-Gebilde daher, bevor es mit „Power Over Men“, tanzbar und radiotauglich, zu einem der stärksten Titel, „Tescoland“ geht. Besonders hervorheben könnte man auch, das fast hymnische „Jean of Arc“ sowie den Ramones – Chuck Berry Mix „Robin Hood“, oder die Ballade, ja richtig auch das beherrscht der Mann aus London aus dem FF: „Sign Of The Times“. Ein Track-Ranking ist auf diesem Niveau aber völlig fehl am Platze, gibt es doch nur starke und stärkere, aber keinen einzigen schwachen Song auf TRICK. Spielerisch, gekonnt und absolut stilsicher bedient sich Jamie bei seinen Vorbildern von The Clash, Ramones über Tricky und seinem Mentor Damon Albarn – sowie den eigenen drei Platten und zaubert ein Album aus dem Hut, das keine Frage offen lässt, bis auf die Eine: wie lange müssen wir dieses Mal auf Album Nummer 5 warten?
VÖ: 2.September 2016, Virgin Records, http://jamie-t.com
Ohr d’Oeuvre: Tescoland/ Joan Of Arc/ Robin Hood/ Sign Of The Times
Gesamteindruck: 8,5/10
Tracklist: Tinfoil Boy/ Drone Strike/ Power Over Men/ Tescoland/ Police Tapes/ Dragon Bones/ Joan Of Arc/ Solomon Eagle/ Robin Hood/ Sign Of The Times/ Crossfire Love/ Self Esteem
L.A. SALAMI – Dancing with Bad Grammer
Der erste Gedanke, der sich bei L.A. Salami aufdrängt,ist: „Welcher Scherzbold hat sich bitte den Namen ausgedacht?“ Ist jetzt etwa ein Mitglied der unsäglichen Bloodhound Gang auf die Idee gekommen, ein lustiges Soloprojekt zu starten? Bei intensiverer Recherche stellt man jedoch fest, dass die Erklärung hierfür eine völlig plausible ist. Der komplette Name des Künstlers lautet Lookman Adekunle Salami.
Wie wir nun alle wissen, können Kinder grausam sein und so haben seine schlechten Erfahrungen mit dem Namen in der Kindheit dazu geführt, dass Salami sich entschieden hat, als Künstler nur noch unter L.A. Salami aufzutreten. Auf seinem Debutalbum DANCING WITH BAD GRAMMER überführt er den klassischen Blues gekonnt ins 21. Jahrhundert. Hört man das Album aufmerksam, so ist man nicht verwundert, dass seine größte Inspiration Bob Dylan ist. Diesen hörte er mit 12 Jahren zum ersten Mal und fortan lässt ihn der Blues nicht mehr los. Erst mit 21 bekommt er seine erste Gitarre, auf der er Songskizzen entwirft. In diesen Songs thematisiert er seine Kindheit und Jugend im einstmals gefürchteten Londoner Stadtteil Peckham. Dabei ist er mehr Geschichtenerzähler als Sänger. In seinen Geschichten klagt er die Oberflächlichkeit, die Kälte und die Schnelllebigkeit der Großstadt an. Musikalisch legt Salami sich dabei nicht fest. Er bedient sich beim klassischen Blues, lässt den „Dylan´schen“ Folk nicht zu kurz kommen und überführt diese beiden Stilrichtungen in den – wie er ihn selbst nennt – „Post Modern Blues“. Exemplarisch für diesen eigenen Musikstil steht das Stück „The City Nowadays“ – ein klassischer Bluessong, der jedoch aufgrund seiner Erzählweise an Mike Skinners Band „The Streets“ erinnert. DANCING WITH BAD GRAMMER ist keine Platte, die einen beim ersten Hören vom Hocker reißt. Gibt man dem Album Zeit und widmet sich den Geschichten Salamis, findet man ein unaufdringlich schönes Debut eines überaus talentierten Künstlers.
VÖ: 02.09.2016, Sunday Best, https://www.facebook.com/LASalami/
Ohr d’Oeuvre: Going Mad As the Street Bins/ Papa Stokely/ The City Nowadays
Gesamteindruck: 7,5/10
Tracklist: Going Mad As the Street Bins/ & Bird/ No Hallelujahs Now/ Anything’s Greener Than Burnt Grass/ I Wear This Because Life Is War!/ The City Nowadays/ Papa Stokely/ I Can’t Slow Her Down/ Loosley On My Mind/ Why Don’t You Help Me?/ Day to Day (For 6 Days a Week)/ Def(a)ormation Days/ Aristotle Ponders the Sound/ My Thoughts, They Too Will Tire/ Pete The Monkey: The Baptism Of Petter The Young