Als über Zuckerbergs Lieblingszeitverbrennungsmaschine im Spätsommer die Ankündigung in den Äther ging, dass Eirik Glambek Bøe und Erlend Øye eine kleine, aber feine Tour mit dem Titel „The unrecorded Record“ spielen werden, war die Verwunderung groß und die Vorfreude unbeschreiblich. Der Abend sollte ein nicht für möglich gehaltener Nachschlag zu der „Quite ist the new loud“ – Show knapp 16 Monate zuvor im Gloria werden.
Kurioses spielt sich beim Einlass unter dem Motto „Public is the new privacy“ ab. So schlendern die beiden Hauptdarsteller des Abends an der Schlange von Einlasswilligen, welche akkurat aufgereiht wie an einer britischen Bushaltestelle vor der Kulturkirche stehen vorbei, ohne das einer der Wartenden groß Notiz von ihnen nimmt. Scheinbar überträgt sich die angenehme Unaufgeregtheit der Beiden auf das Publikum.
Obwohl die Kirche zum Bersten gefüllt ist, wie an einem Ostergottesdienst zur Mitte des letzten Jahrtausends, kann ein Platz mit perfektem Blick auf die Bühne im eigentlichen Altarraum erkämpft werden. Und schnell wird klar, dass es eine Show mit sehr minimalistischer Instrumentierung wird – neben Akustik- und Ovation-Gitarren stehen auf der Bühne lediglich zwei Hocker. Als die Musiker diese endlich betreten, begrüßt sie das Publikum mit euphorischem Applaus, wovon beide sichtlich gerührt sind. Sie kündigen direkt zu Beginn des Konzerts an, dass sie aktuell noch an den nun folgenden Songs arbeiten und es eigentlich keinen – mit Ausnahme eines einzigen – gibt, der fertig sei. Trotzdem wollen sie diese „unrecorded Songs“ vor der Veröffentlichung bereits einem breiteren Publikum vorstellen.
Ein relativ unkonventionelles Vorgehen mit hörbarem Ergebnis. Schon nach wenigen Takten lassen sich die einzelnen Lieder als Songs der Kings of convenience identifizieren. Wunderbare Folkperlen mit diesem einzigartigen Groove, der einen einnimmt und nicht mehr los lässt. An den Arrangements merkt man teilweise noch, dass sich die Songs im Entwicklungsstadium befinden. Allerdings schmälert dies nicht die Wirkung, die sie auf die Zuhörer entfalten. Diese bleiben während des gesamten Konzertes ruhig und konzentriert, kaum einer spricht, selbst Fotos werden kaum gemacht. Wenn dies einer Band heute noch gelingt, spricht dies nur für die Qualität und Brillanz ihrer Songs.
Die einzelnen Titel werden von den Künstlern nur mit einer Nummer angekündigt, die für eine mögliche Position auf einem potentiellen Album steht. Wie gesagt alles befindet sich noch im Entwicklungsstadium, über das die beiden auch ein wenig erzählen. So seien die Songs Ergebnis eines gemeinsamen Schreibprozesses, bei denen beide geleichberechtigt ihre Ideen vor der eigentlichen Studioarbeit zusammen tragen und gemeinsam weiterentwickeln. Ergebnis dieser – manchmal in der Auseinandersetzung – schmerzhaften Kreativarbeit sei es, dass sowohl Øye als auch Glambek Bøe ihren Anteil zu den Songs beitragen und somit den unvergleichlichen Sound der Band kreieren. Im Ergebnis wirken viele der neuen Stücke trotz ihrer gitarrenfolkigen Basis wesentlich tanzbarer als die älteren. Das Konzert wird neben den Songs auch durch die trockenen Ausführungen der beiden, die sich seit der Schule kennen, hochgradig unterhaltsam.
Die nummerische Liedanonymität wird im Hauptteil ein einziges Mal aufgehoben – durch den Song „Fever“, der fast fertig und aufnahmebereit sei. Ein grooviges, den Hörgang, Beine und Körper antriggerndes Stück, bei dem unweigerlich die Tanzendorphine in Wallung geraten. Nach 10 Stücken und einer guten – viel zu kurzen – Stunde ist die unrecorded Platte zu Ende gespielt. Das Publikum honoriert den Auftritt mit nicht endendem Applaus.
Als Zugabe geben die beiden noch „Homesick“ und zwei weitere Songs zum Besten, bevor das Publikum nach diesem runden Abend glücklich und zufrieden die Kirche verlässt. Es bleibt zu hoffen, dass die beiden das Album aufnehmen und uns noch mit vielen weiteren Auftritten beglücken.