You Blew It! – Abendrot
You Blew It! werden bei Pop-Punk und Emo Szenekennern bereits seit der Veröffentlichung ihrer beiden ersten EP’s hoch gehandelt. Nachdem sie mit ihrem zweiten Studioalbum KEEP DOING WHAT YOU’RE DOING 2014 den Schritt raus aus den Insiderkreisen, hin zu einem größeren Bekanntheitsgrad schafften, zeigen sie sich auf ihrem neuen, dritten Studioalbum ABENDROT deutlich gereifter als auf den Vorgängern.
Zwar reißt die Platte immer noch mit, tut dies jedoch nicht mehr durch Powerchords und eingängige Melodien, sondern vielmehr durch eine Mischung aus rumpligem 90’er Emo und der Melancholie, wie sie American Football auf ihrem Zweitwerk zelebrieren. Gründe für die Abkehr vom Pop-Punk gibt es laut Sänger Tanner Jones mehrere. Zum einen ist die Band einfach erwachsener geworden, sieht sich mit Themen konfrontiert, die im Gewand fröhlicher Sing-alongs einfach nicht funktionieren würden. Außerdem kann sich der Fünfer aus Orlando nicht mehr mit der negativen Konnotation, die in Teilen den heutigen Pop-Punk umgibt, identifizieren. Zu guter Letzt entstand die Platte in einer Phase, in der Tanner Jones sein Leben ein wenig zu entgleiten drohte. Diese Ernsthaftigkeit merkt man ABENDROT zu jeder Sekunde – sowohl musikalisch als auch textlich – an. Exemplarisch für die gesamte Platte ist sicherlich die erste Single „Autotheology“. Der Song baut sich langsam auf und entfaltet seine ganze Größe, wenn Tanner Jones sein Verhältnis zu Gott mit den Worten When God dies I’ll skip the funeral besingt. Was das Album ein wenig von den neuen Alben alter EMO Heroen abhebt, ist der Funke jugendlicher Unbekümmertheit, der an der ein oder anderen Stelle von Produzent und Band-Intimus Evan Weiss (Into It. Over It.) herausgekitzelt wird. So rumpelt das Schlagzeug teilweise, wie man es zuletzt auf FOUR MINUTE MILE von den Get Up Kids Ende der 90’er gehört hat. You Blew It! legen mit ABENDROT ein Album vor, bei dem sie einen großen Entwicklungsschritt machen, welcher gerade bei den Fans der Referenzbands aus den 90’ern auf große Gegenliebe treffen wird, denn eines kann die Band wie kaum eine andere – Textzeilen, die danach schreien auf Arme, Beine oder andere Gliedmaßen „getackert“ zu werden.
VÖ: 11.11. 2016, Big Scary Monsters/ Triple Crown Records, https://www.facebook.com/youblewitfl/
Ohr d’Oeuvre: Greenwood/ Autotheology/ Canary
Gesamteindruck: 7,5/10
Tracklist: Epaulette/ Like Myself/ Sundial Song/ Greenwood/ Autotheology/ Hue/ Canary/ Forecasting/ Minorwye/ Arrowhead/ Basin & Range/ Kerning
(at)
Balkan Beat Box – Shout it out
Auf ihrem fünften Album SHOUT IT OUT LOUD zelebriebt die Balkan Beat Box einen wilden Ritt zwischen Belgrad und Kingston. So tanzbar, dass sich Manu Chao verschämt in die Ecke zurück zieht und wir uns auf die kommende Funkhaus Europa Sendung freuen.
New York erweist sich einmal mehr als großer Schmelztigel, in dem die verschiedensten Stile und Sounds zu einem wilden Mix zusammenwachsen. Bestes Beispiel ist die Balkan Beat Box! Wobei der Bandname dann doch etwas in die Irre führt, entstammt das Trio eben nicht dem buntesten und heißblütigsten Teil Europas, sondern dem Underground des Big Apple. Die drei Musiker werkeln dort seit der Jahrtausendwende an ihrem Mix aus Dancehall, Latino, Dub, Orient und Bollywood. Der Balkan Beat geht auf dem mittlerweile fünften Album SHOUT IT OUT in einem energiegeladenen Ragga – Mash Up auf, in welchem die südosteuropäische Bläsersektion Pate für Melodie und Struktur steht und man sich kurz wundert, woher zwei Amerikaner und ein Israeli dieses Temperament nehmen. Wunderbar funktioniert es in „I’ll watch myself“, in welchem die Bläser und Flöten leichtfüßig den Ragga Gesang und Stampfbeat vor sich her treiben, als wäre Sarajevo ein Vorot der Bronx. In dem dublastigen „Just the same“ gehen Bass und Gadja eine intensiven Dialog ein, als wäre Belgrad die Haupstadt von Jamaika. Ein Mix bei dem man glaubt, Manu Chao (Klischee Klischee) wäre bei der seeligen Asian Dub Foundation eingestiegen. Ein Sound, der sich nicht richtig zuordnen lässt und lassen will, zu jeder Zeit aber durch die immense Energie, die er entfaltet, zusammengehalten wird. Eine Spiegelung der gefeierten Live Shows der Balkan Beat Box. Gut, die Texte wirken ein wenig holzschnittartig wie in „Mad Dog“ oder „Hard Worker“, aber sie dienen auch mehr der Instrumentierung. Ein Geheimtipp für alle Dancehall – Fans, Weltmusiknerds und natürlich die Päda – Fachschaft.
VÖ: 11.11. 2016, Digitak Monkey, http://balkanbeatbox.com
Ohr d’Oeuvre: I’ll watch myself/ Just the same/ This town chaser
Gesamteindruck: 6,5/10
Tracklist: Give it a tone/ I trusted U/ Shout it out/ Chin Chin/ I’ll watch myself/ Just the same/ Hard worker/ Mad dog/Mad dog chaser/ Kum Kum featuring a wa/ This town/ This town chaser
(pd)
Efterklang – Leaves – The colour of falling
Die Dänen haben mit den beiden Alben MAGIC CHAIRS und PIRAMIDA einen bleibenden Eindruck in der Indiepopmusik hinterlassen. Das Headliner-Konzert zum Abschluss des Haldern-Festivals gehörte zu den Highlights im Jahr 2014 – auch wenn die Band einige Besucher mehr als nur irritierte. Die Atmosphäre und ihr künstlerisches Talent konservierten sie im brillianten Livemitschnitt zum PIRAMIDA-Album. Im Anschluss wurde es durch das LIIMA-Projekt ruhig um die Band.
Diese Ruhe wurde durch die Ankündigung des am 4. November veröffentlichten Opern-Albums unterbrochen. LEAVES – THE COLOUR OF FALLING wurde von der Band um Casper Clausen zusammen mit einem kompletten Orchester einspielt. Das vorhandene Potential und die wundervoll klingenden, klassischen Arrangements auf den beiden Vorgängeralben lassen einfach hochwertige Stücke im Rahmen eines solchen Projektes erwarten. Das Ergebnis entspricht diesen Erwartungen. Die Musikarrangements, das Zusammenspiel zwischen klassischen und modernen Instrumenten, wie auch die Gesangssequenzen passen perfekt. Die immense Arbeitsintensität spiegelt sich in jedem Ton wieder. Hier scheint der selbst gesetzte Anspruch der Band ins unermessliche gestiegen zu sein. Darüber ist jedoch eine, für den Hörer und Fan der Band wichtige Sache vernachlässigt worden: Efterklang haben bei ihren vorherigen Veröffentlichungen den Nerv der Hörer getroffen und Emotionen sind beim Zuhören entstanden. Dies gelingt mit den technisch perfekten Stücken des neuen Albums leider nur selten. Lediglich mit „The Colour not of love“ und „Leaves“ schaffen sie es, dieses Gefühl zu kreieren und die Emotionen mit dem klassischen Opern-Ansatz zu verbinden. Das ist sehr schade, weil die Idee hervorragend ist…..
VÖ: 04. November 2016, Tambourrhinocerose, http://efterklang.net/home/
Gesamteindruck: Eine Wertung wird aufgrund der Besonderheit dieses Projektes nicht abgegeben.
Ohr d’euvres: The Colour not of Love/ Leaves
Tracklist: Cities of Glass/ The Imanginery of Pefection/ Spider’s Web/ The Colour not of love/ Leaves/ Stillborn/ Abyss/ No Longer Me/ Eye of Growth/ Wind
(kof)
Nach allem was aus dem Land der „vermeintlich“ Freien dieser Tage zu uns herüber schwappt ist es Zeit für einen guten Jungen. Zeit für jemanden, der was zu sagen hat, wenn er den Mund aufmacht. Zeit für Kevin Devine. Zeit für sein aktuelles Album INSTIGATOR.
INSTIGATOR heisst übersetzt Anstifter, Aufhetzer oder Initiator. So weit passt das noch ins aktuelle Stimmungsbild. Devine aber stiftet an zum Denken, mit seinem ganz persönlichen Blickwinkel aufs Zeitgeschehen. In bester Bob Dylan Manier klagt er „Freddie Grays“ Tod im Bostoner Polizeigewahrsam 2015 an. Mit „No History“ hinterfragt er die viel zitierte neue Zukunft nach 9/11 und stellt fest, dass diese Zukunft unser Jetzt ist. Die kraftvolle Bildsprache der Tracks wird musikalisch von einem breiten Repertoire aus Indie, Rock, Pop und Folk getragen. INSTIGATOR ist die Symbiose seiner beiden 2015 gleichzeitig erschienen Alben, BUBBLEGUM und BULLDOZER. Mit dem Opener „No Why„, der zugleich schnellsten und rockigsten Nummer, dem Titelsong „Instigator„ und dem folgenden „Magic Magnet„ haut der New Yorker erstmal drei Ansagen raus, bevor es etwas ruhiger zugeht auf seinem mittlerweile neunten Album. Deutlich hörbar ist an allen Ecken der Einfluss von John Agnello, der auch schon Alben von Dinosaur Jr. und Sonic Youth produziert hat. Der letzte Song des Albums „I Was Alive Back Then“, gibt einem dann noch die poetischen Zeilen You never ‚know‘ / You’re never ‚ready‘ / But all your fear is just confetti / Let it blow all ‚round your bedroom / When it gets too heavy / Don’t let it get too heavy als versöhnlich abschliessende Losung mit auf den Weg. Als Pflichttermin jetzt schon klar: Kevin Devine & The Goddamn Band am 16.1.2017 im Kölner Underground.
VÖ: 21. Oktober 2016, Procrastinate, http://www.kevindevine.net
Ohr d’Oeuvre: No History/ Freddie Gray Blues/ No Why/ Instigator
Gesamteindruck: 8/10
Tracklist: No Why/ Instigator/ Magic Magnet/ Freddie Gray Blues/ No History/ Daydrunk/ Both Ways/ No One Says You Have To/ Guard Your Gates/ Before You’re Here/ I Was Alive Back Then
(gb)