Einen Abend vor der großen Silvestersause findet die erste Ausgabe des Indie Cologne Winterfestes statt. Fünf Bands aus den Tiefen des Kölner Untergrunds treten im Subway auf. Die Disko, die sonst eher für Hip Hop und Elektrobeats steht, bereitet die Bühne für die fast fünfstündige, musikalische Entdeckungsreise. Dabei zeigt sich, dass der Trend zum Duoformat geht und gute Musik nichts mit dem Alter zu tun haben muss.
Den Anfang macht das Brüderpaar Optimal. Das es sich hierbei bereits um den skurrilen Höhepunkt des Abends handeln sollte, wird nach wenigen Minuten klar! Über chillige Synthiebeats singt und rappen die beiden ihre positiv – verdrehten Lyrics. Genannt wird das ganze „Dada Pop“ und das Duo sieht sich gemäß Eigenaussage führend auf diesem Feld. „Dada“ sind sowohl die Texte als auch die Gesamtperformance. Egal, ob es um die Verlockungen des „Dameklos“ oder die beste Freundin „Katherina Ballerina“ geht, das Leben wird durch die lila Brille betrachtet, mit einer gehörigen Portion Humor im Stile der Ärzte oder Studio Brauns. Musikalisch ist das melodische Elektronikagemisch höchst tanzbar, was Gitarrist Fabian – programmatisch mit Trainingshose bekleidet – ausgiebig in jeglicher Form zelebriert. Er mutiert so in kürzster Zeit zum Aerobicvortänzer der immer größer werdenden Zuhörerschar vor der Bühne. Dazu sind die beiden wahre Blickfänger sind, was angenehm zur schrägen Gesamtperfomance beiträgt. Der Keyboarder sieht durch seine Mütze aus wie ein zu groß gewachsener Zwerg auf grünen Socken, während der Sänger wie der Sohn von Rocko Schamoni mit „Sideshow Bob“ – Gedächtnisfrisur wirkt. Insgesamt ein rundum gelungene Auftritt, ein „Gute Laune“ – Workout. Die Damen mit den Leopardenjacken tanzen.
Optisch außergewöhnlich geht es auch mit dem nächsten Act Jasmin Banu weiter. Im bunten Sommerkleid, roten Schuhen und einer Küchenschürze tritt die Sängerin vor den Mob. Auf Nachfrage erklärte sie aber, dies sei ein Bühnenritual und sie wäre nicht zu spät aus der Weihnachtsbäckerei entlassen worden. Egal, die Sängerin – deren Stimme an Kate Nash erinnert – webt mit ihren beiden Mitstreitern Boris und Marian eine verträumt-melancholische Klanglandschaft. Mit Piano, Minisynthie, Gitarre und Lapsteel und vor allem der Stimme Banus kreieren die Drei sirenenhafte Melodien und wunderbar, schöne Momente, die die Zuhörer in ihren Bann ziehen. Das diese eher sitzen, ist dabei wohl als Kompliment an den bewegenden Vortrag zu verstehen. Ein wenig wirkt das Ganze wie eine lange Herbstwanderung durch dunkle Wälder und über verregnete Felder. Angenehm fällt auf, dass bis auf die Beats kaum etwas vom Band zu kommen scheint, sondern die ganzen Klängen live und in Echtzeit hergestellt werden. Da passen Details vielleicht nicht immer, aber das macht den Auftritt nur umso charmanter.
AACKR räumen danach mit der aufkommenden Harmonie auf. Das Noise Pop – Duo zertrümmert mit seinem Helmet/90er Noise den letzten Rest von Weihnachtsharmonie. Ein kalter, rationaler Sound, den die beiden technisch anspruchsvoll rüber bringen. So locken sie eine größere Zuhörermenge vor die Bühne, die jetzt nicht mehr harmonisch schwelgt, sondern fasziniert den beiden bei der Arbeit zuschaut. Die Stücke überzeugen durch viele Details, denen an manchen Stellen nur der Gesang fehlt. Über die komplette Spielzeit verzichtet man auf jede Art von Vocals, was ein bisschen schade ist. Vor allem irritiert der aufgebaute Mikroständer, der die Vermutung aufwirft, dass es sich bei dem Auftritt um eine klangliche Stellenausschreibung handelt. Im Januar in Bonn, Hamburg und Göttingen zu bewundern.
Im Duoformat geht es auch anschließend weiter. Das Elektropopdoppel von Schmackes & Pinscher betritt die Bühne und verwandelt die zuvor eher statisch agierenden Zuhörer in einen ravenden und jaulenden Tanzmob. Der Gitarre spielenden Schmackes überzeugt als croonender Charmebolzen, während Pinscher mit seiner goldenen Jacke Optimal die Krone um das außergewöhnlichste Bühnenoutfit des Abends streitig macht. Der 80er Jahre Softpop ist zwar zuckersüß, verliert sich aber zum Glück nicht darin die Zuschauer in Zuckerwatte zu packen, sondern wird in den richtigen Momenten hochgefahren, um die Leute zum durchdrehen zu bringen. Angeblich handelt es sich um den ersten Auftritt seit zehn Jahren. Von der Spielfreude der Beiden kommt das gut hin, allerdings mag man es aufgrund der Eingespieltheit und des abgeklärten Vortrages kaum glauben. Egal, ob mit ihren eigenen Songs oder der Softpopversion des Cureklassikers „Boys Don’t Cry“ – die beiden sorgen für feuchte Haare am ganzen Körper und ein entrücktes Lächeln.
Ein gewisse Ermattung stellt sich beim Publikum merklich ein, nach soviel Input. Trotzdem folgt mit Monostadt noch einer der Höhepunkte des Abends. Das Quintett aus Mitvierzigern spielt humorlosen Postpunk, der sich zwischen Blumfeld und den Fehlfarben bewegt. Dabei haben sie mit „Was wir wollen“ eine kleine Hymne geschrieben, für alle die sich auch mit 30 nicht mit Netflixschauen und der Biosupermarktdepression zufrieden geben wollen. Die treibende Rhythmussektion bringt noch mal Leben in die müden Beine, während Sänger Thomas stoisch am Mikro steht und seine leicht klaustrophobischen und romantisch-expressiven Texten unter die Leute bringt. Der Band gelingt es dabei im Gegensatz zu vielen Postpunk-Bands, die notwendige Dynamik und Abwechslung in die Songs zu bringen und sich nicht alleine auf die Wucht des Bassspiels zu verlassen. Ein sympathischer Vortrag, einer Band die man sich merken sollte, wenn man auf die oben genannten Bands oder auf ihre Enkel Messer oder Karies steht. Leider ist die Platte nicht rechtzeitig fertig geworden, kann dann aber erworben und erlebt werden bei Auftritten zum Jahresanfang.
Ähnlich wie die Sommerausgabe des Festivals ist es den Machern mal wieder gelungen eine wunderbar, abwechslungsreiche Melange an Bands zusammen zu stellen, die keine Langeweile aufkommen läßt. Beeindruckend ist das Potential und die Vielfalt der musikalischen Szene in der Stadt, was dazu führen sollte im kommenden Jahr wieder viel mehr auf die lokalen Konzerte zu gehen.