Meat Wave – The Incessant
Man nehme eine gute Hand voll, oder vielleicht doch besser ein „Scheiss“ Jahr 2016, voller persönlicher Krisen, Ängsten und Selbstzweifeln, einen Schuss Wut, ein paar Tropfen Aggression, vermengt alles ordentlich am Schlagzeug, quirlt mit dem Bass nach, um es mit dissonanten Gitarrenriffs und stoischem Gesang zu servieren.
Meat Wave aus Chicago tischen so am 17. Februar ihr drittes Album THE INCESSANT auf. Sänger und Gitarrist Chris Sutter verarbeitet in den 11 Songs auf ganz eigene Art ein für ihn sehr bescheidenes Jahr 2016, inklusive Trennung, OP, falscher Entscheidungen, Ängsten und eben vielen Zweifeln. In knapp 36 Minuten hauen sie dem Hörer ihre Gefühlswelt schonungslos und brutal um die Ohren. Schon der Opener „To Be Swayed“, macht mittels stoisch, treibendem Schlagzeug- und Bassspiel und den dissonanten Riffs klar, dass es sich hier keinesfalls um Schonkost handelt. Mit „Tomosaki“ und „Run You Out“ geht es ungebrochen und ohne kurzes Luft holen weiter. „Leopard Print Jet Ski“ bricht dann zwar mit dem Tempo, bleibt aber der eingeschlagenen, monotonen Linie treu. „No Light“ ist das heimliche Pop-Stück der Platte, es weisst erkennbar eine Melodie auf, wenn auch gut verpackt in wütendes Gestampfe. Spätestens jetzt ist man bereit für den verstörenden Titelsong „The Incessant“. Are you scared? / Are you alone? – The Incessant is comming for you. Die letzten Töne des abschliessenden Stücks „Killing The Incessant“ lassen einen dann fast kathạrtisch und geläutert zurück. Ein starkes Album, das bei mehrmaligen Hören nur noch besser wird.
Abgemischt wurde THE INCESSANT übrigens von keinem Geringeren, als dem ebenfalls aus Chicago stammenden Steve Albini, der das neue Werk noch roher und direkter klingen lässt, als den Vorgänger DELUSION MOON.
Im Mai spielen Meat Wave in unserem zweiten Redaktions-Wohnzimmer, dem Tsunami Club in Köln.
VÖ: 17. Februar 2017, Big Scary Monsters, http://meatwaveband.com
Ohr d’Oeuvre: To Be Swayed/ The Incessant/ No Light
Gesamteindruck: 7,5/10
Tracklist: To Be Swayed/ Tomosaki/ Run You Out/ Leopard Print Jet Ski/ Bad Man/ No Light/ Glass Teeth/ The Incessant/ At The Lake/ Mask/ Birdland/ Killing The Incessant
(gb)
Ivory Clay – Doubt
Die Musik der Düsseldorfer Ivory Clay wird als Apocalypse Pop angepriesen. Ein verwirrender Begriff, verbindet man doch den Weltuntergang eher mit Krach und Chaos. DOUBT, das Debütalbum, besticht dagegen durch einen klaren Sound und durchdachte Songstrukturen, die sich höchstens für den narkotisierten Vorhof der Hölle eignen.
Düsseldorf nahm in der Vergangenheit des Öfteren eine Vorreiterrolle in der bundesdeutschen Musikszene ein. Sei es als Mitgeburtsort der Punkbewegung in den 1980er, oder durch den Elektrokraut von Kraftwerk. Stand die Stadt in den letzten Jahrzehnten eher für bodenständige Hausmannskost mit den Hosen oder den Broilers, entwickelte sich in den letzten Jahren wieder zunehmend eine Szene, die ihren eigenen Weg, jenseits ausgetretener Pfade suchte. Sei es der Avantgarde-Elektro von Stabile Elite oder der Postpunk von Telemann. Ivory Clay verfolgen einen ähnlich individuellen Ansatz. Weniger elektronisch, aber ebenso eigen wie die zuvor genannten. Kunstvoll verweben sie den Wunsch nach Analogie und Authentizität der Neofolk-Bewegung mit der Nüchternheit und Monotonie der elektronischen Populärmusik.
So treffen stoisch-monotone Rhythmen auf einen Strauß klassischer Instrumente wie Streicher, Orgel oder Piano, welche die Band gekonnt und kunstvoll arrangiert. Denkt man im ersten Moment, dass sei alles gesampelt, erschließt sich mit jedem Hördurchgang, dass die Klangteppiche analogen Instrumenten entstammen müssen. Anders lässt sich der warme Klang kaum erklären. Ergebnis ist eine fast traumwandlerische Stimmung, die immer nur stellenweise durch Breaks und Chorgesang unterbrochen wird. Ansonsten hüllen die Streicher- und Orgelteppiche in Songs wie „Reem“ den Hörer in einen schweren Mantel ein, allerdings ohne zu erdrücken. Dafür verströmen die Lyrics eine zu hohe Distanziertheit, erinnern eher an die melancholische Leichtigkeit eines Tom Barman. Höhepunkte sind Songs wie „Serum“, in denen die Stimme punktuell ergänzt wird durch einen plötzlich einsetzenden Chor, der nur für Augenblicke diese Distanziertheit einzureißen scheint. Neben dem zweiten Song „Whatever there was“ sicherlich einer der Höhepunkte. Beide Songs werden getragen von stoischen Rhythmusgitarren, auf denen sich dann langsam Schicht für Schicht die Streicherarrangements legen, um dann in sich zusammen zu fallen. Wie gesagt, in den Songs stecken abertausende Details, man merkt ihnen die Arbeit an, die darin stecken muss. Mit DOUBT schwingen sich Ivory Clay nicht zu apokalyptischen Reitern auf, viel mehr wirken sie als Ruhepool in präapokalyptischen Zeiten.
VÖ: 17. Februar 2017, Unique Records, http://www.ivoryclay.de/
Ohr d’Oeuvre: Serum / Symptomes/ Whatever there was
Gesamteindruck: 7,5/10
Tracklist: Clouds / Whatever There Was / Towards The Open Night/ Reem/ Serum/ News 1/ Symptomes/ Doubt/ News 2/ Voyager / Birth (tb)
(pd)