Siberian – Through Ages of Sleep
Skandinavien, Doom Metal, Dystopie! Ein Dreiklang, der einem entweder die Nackenhaare zu Berge stehen oder schon mal die Axt schleifen lässt.
Linköping brauch man sich wohl nicht gerade als Sehnsuchtsuchtsort für harmoniebedürftige Yoga – Jünger vorzustellen. Hört man das zweite Album THROUGH THE AGES OF SLEEP von Siberian, erscheint vor dem geistigen Auge eine verlassene Eiswüste, in welcher der eisige Wind, gegen den man anschreien muss, die Haut zerschneidet. Das schwedische Trio kreiert einen Soundwall aus Metal und Post – Hardcore, den sie gekonnt durch Stoner und fast doomige Parts aufbrechen und der wenig Raum zum entspannen läßt. Songs wie „Kingsdoms“ oder „Axis Mundi“ bestechen durch ihre vielfältigen Rhythmus- und Stimmungswechsel, die den Hörer allerdings immer etwas verzweifelt zurück lassen. Nicht wegen der fehlenden Musikalität, eher wegen dieser endlos verlassenen Stimmung, eine melancholische Traurigkeit, die einen geradezu körperlich schwer werden lassen will. Gerade wenn die Moshparts und das Schreien eine kurze Pause machen und die Double Bass Ruhe gibt, wäre Platz für etwas mehr Helligkeit und Licht gewesen. Nicht mit Siberian! Ausnahme ist vielleicht der Mittelteil bei „Anima Astray“ oder „Dirge“, welche fast ein wenig an die frühen Soundgarden erinneren. Dazu passt, dass das Album stark von dystoptischer Literatur beeinflusst wurde, die den Leser meist auch mit einer gewisssen Hoffnungsloigkeits zurückläßt. Trotzdessen haben Siberian mit THROUGH THE AGES OF SLEEP ein in sich geschlossenes, organisches Sludge Album herausgebracht, was eventuell nicht das Lieblingsalbum der Tourismusagentur von Linköping wird, allerdings allen Genrefreunden ans Herz gelegt sei.
VÖ: 24. Februar 2017, The Sign Records / Cargo, http://www.siberian-official.com/
Ohr d’Oeuvre: Axis Mundi / Anima Astray/ Kingdoms
Gesamteindruck: 6,5/10
Tracklist: Ascend / Witness/ Axis Mundi/ Heresy Breath/ Anima Astray/ Transcend/Kingsdoms/ Dirge/ Age of Sleep
Bergfilm – Constants
Retrosynthiepop die Nächste? Ja! Nein! Viel zu kurz gegriffen. Bergfilm entpuppen sich auf CONSTANTS als musikalischer Fährtenleser und Brückenbauer zwischen Synthie und House.
Will sich eine Band neu erfinden, fällt ihr Blick in die 1980er. Diese Erkenntnis begleitet die deutsche Indieszene seit einigen Jahren und fand in den Alben von Drangsal und Roosvelt im letzten Jahr einen letzten Höhepunkt. Hört man die erste Hälfte von CONSTANTS, den Synthiewall auf „Open Here“, dazu die leicht quengelige Stimme Arthur Links, fühlt man sich direkt auf den Wave Classic – Kanal zurückversetzt. Auf den folgenden Tracks „Rules“ und „Hello“ wird diese Richtung fortgesetzt. Beide entwicklen sich zu veritablen Hits, die sich nicht hinter oben genannten Künstlern verstecken müssen.Vor allem kommen hier die Qualitäten von Bergfilm zum tragen. Treibende Beats in einer glasklaren Produktion, mit Stimmungswechseln in Melodie und Stimme zu einem organischen Gesamtwerk zu verbinden, was sich direkt im Kopf festsetzt. Lustigerweise ist es die quengelige Stimme, die an einigen Stellen ungewohnte Croonerqualitäten entwickelt, die den Songs ihren eigenen Stempel aufdrückt. Die Band selber legt sehr viel Wert darauf, die Songs analog zu entwickeln und nicht am Computer zu sampeln. Das mag diese Wärme und Abwechslung in den Songs erklären, die einen Brückenschlag zwischen konventionellen Popstrukturen und treibenden Housesongs bilden. Letzteres Element, die Auflösung des Songs im Beat, setzt sich zunehmend in der zweiten Hälfte auf CONSTANTS durch. Selbst die Stimme löst sich in Effekten auf, was ein wenig an James Blake erinnert. Leider geht damit der poppige Flow etwas verloren. CONSTANTS ist eigentlich der falsche Titel, die Platte sollte DETAILS heißen. Ein Album, bei dem aus jeder Pore die Liebe zum Pop, das Händchen für Melodien und ein Hauch Cheesyness tropft. Man sollte sich die Frühjahrestour nicht entgehen lassen.
VÖ: 3. März 2017, Haldern Pop, http://bergfilm-music.de/
Ohr d’Oeuvre: Hello / Rules/ Constants
Gesamteindruck: 7,0/10
Tracklist: Open here / Rules/ Hello/ Nostalgic love/ California/ The line/ Gloom/ I let you roll/Constants/ Glue