Leoniden – Leoniden
Die erste Erinnerung an die Leoniden ist ein Auftritt beim Orange Blossom Festival, der die dort vorherrschende angenehme Nachmittagsgemütlichkeit kräftig durcheinander wirbelte. Fünf Halbstarke, die über ein bemerkenswertes musikalisches Talent und genau so viel unkontrollierte Energie verfügten. Ohne Rücksicht auf Verluste prügelten sie auf ihre Instrumente ein, wechselten diese kräftig durch und verloren trotz der Wuselei nie die Präzension und Orientierung. Es war einfach aufregend und für viele Festivalbesucher zuviel! In den Einnerungen einiger Leute musste die Band frühzeitig die Bühne verlassen. Nun also der neue Longplayer.
Und dieser überrascht dann doch auf ganzer Linie. Die Band schafft es auf LEONIDEN ihre Energie zu bündeln und in kaum greifbare Songstrukturen zu packen, die zwischen Angriff und der großen Pop-Pose pendeln. Songs wie das kaum überschaubare „Iron Tusk“ oder das ungestüme „Doves“ stehen stellvertretend für einen Ritt zwischen Noiseattacken und gechillten Pianomelodien. Dabei bestätigen sie ein wenig den Eindruck vom Konzert, trotz aller Energie, die die Songs vermitteln geht die Präzision im Songwriting, das harmonische Ineinanderfließen der Parts und Melodien nicht verloren. Würde das ganze von Schreierei begleitet, würde man wohl von Math Rock sprechen.
Dem Popappeal stehen eher britische Bands wie Foals, Muse oder die Arctic Monkeys Modell. Da knallt die 16tel durch, durchweht alle Songs eine angenehme Grundnervosität und -hektik. Dies macht LEONIDEN zu einem hoch tanzbaren Album, was den Ausnahmestatus der Band in der heimischen Musikszene festigen dürfte. Leider geht der Band bei einigen Songs im letzten Drittel ein wenig die Puste aus. Songs wie „North“ und Two Peace Signs“ aalen sich eher in einer recht beliebigen, konventionellen Poplangeweile, die zwar perfekt produziert ist, aber nicht richtig zünden will. Trotz allem, ein Album, das vom Songwriting und der Produktion schon mal die Messlatte für dieses Jahr hoch legt.
VÖ: 24.Februar 2017, Two Peace Signs Records/GoodToGo, https://www.facebook.com/leonidenleoniden/
Ohr d’Oeuvre: 1990/ Iron Tusk/ Sister
Gesamteindruck: 7/10
Tracklist: Nevermind/ 1990/ The Tired/ Iron Tusk/ Doves/ Remote/ Sisters/ Storm/ North/ City/ Two Peace Signs/ Eleven Hands
(pd)
Dear Reader – Day Fever
Die Südafrikanerin Cherilyn MacNeill nimmt seit 2006 ihre Indiepop-Songs auf. Zuerst als Harris Tweed und seit 2008 arbeitet sie unter dem bekannten Namen Dear Reader. Zu Beginn diesen Jahres veröffentlicht sie ihr neues Album DAY FEVER, nachdem sie es in der Vergangenheit etwas ruhiger angehen lies.
Die Songs auf dem neuen Album tragen eindeutig ihre Handschrift und lassen sich als Dear Reader identifizieren. Die Pause zwischen der vorliegenden und der letzten Veröffentlichung zeigt aber eine Entwicklung hin zu wesentlich minimalistischerem Songwriting. In den Arrangements der Titel steht die Stimme von MacNeill im Vordergrund. Die Basis des Sounds bilden Samplings und Tasteninstrumente, die von sich perfekt einfügenden Backgroundstimmen getragen werden. Zudem fließen in die Songs sehr reduzierte, aber trotzdem einnehmende Drums ein, die mit Bläser- und Streicher-Sequenzen untermalt werden. Und immer wieder – wie schon erwähnt – ziehen der glassklare, punktgenau fokussierte Gesang den Hörer in den Bann der Südafrikanerin.
Der Facettenreichtum, die Variabilität und die Stärke der Songs von DAY FEVER lassen sich am besten in den folgenden drei Nummern zusammenfassen. Durch „Mean Well“ ziehen sich die starke Stimme, die Tasteninstrumente und der minimalistische Drumsound wie ein roter Faden. „If Only Is“ kleidet sich musikalisch in eine sehr dunkle Ballade, in der der Gesang und das Glockenspiel als Licht am Horizont erscheinen. Zuletzt sticht „Nothing Melodious“ heraus. Es wirkt fast wie eine Brücke zwischen den aktuellen und früheren Songs. Im Mittelpunkt des wunderschönen Popstücks steht eine sehr schöne Gitarrenmelodie und der Gesang von MacNeill, der von einem Chor untermalt wird.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass DAY FEVER ein wunderschönes Popalbum ist. Der Veröffentlichungstermin zum Ausklang des Winters spiegelt sich auch im Songwriting wieder. Neben einigen Stücken, die sehr gut in die dunkle Jahreszeit passen, lassen andere wiederum den beginnenden Frühling erahnen. Aufgrund der Erfahrungen von vorherigen Dear Reader-Touren sollte ein Konzertbesuch im Frühjahr in Erwägung gezogen werden.
VÖ: 25. Februar 2017, City Slang, www.dearreadermusic.com
Ohr d’Oeuvre: Mean Well/ If Only Is/ Nothing Melodious
Gesamteindruck: 7,5 /10
Tracklist: Oh, the sky/ Tie me tot he ground/ So Petty So Pathetic/ Mean Well/ Wake Him/ Placate Her/ If Only Is/ I Know You Can Hear It/ Nothing Melodious/ Then, Not Now/ The Run
(kof)