The Shins – Heartworms
Seit Ende der 90er Jahre versorgt die Band um Frontmann James Mercer aus Albuquerque die Musikwelt mit feinsten Indieklängen. Zuerst spielten sie unter dem Namen Fake Music, wurden aber von kaum jemandem beachtet. Als sich die Band Anfang der 2000er zu The Shins umbenannte, aber kaum ihren Stil änderte, platzte der Knoten. Seitdem erspielten sie sich eine treue Hörerschaft, erreichten mit ihren ersten Alben in den Staaten Goldstatus und veröffentlichen nun diesen März ihr fünftes Album HEARTWORMS.
HEARTWORMS schließt an die vorherigen Veröffentlichungen an und die Band bleibt ihrem Stil mal wieder treu. Schöner, anspruchsvoller, zum Teil verschrobener Indie-Pop, der nicht mehr aus den Ohren und dem Kopf gelangen will, wenn er sich einmal den Weg dahin gebahnt hat. Das Album ist keins, das den Hörer beim ersten Anspielen vollends einnimmt. Es entwickelt mit jedem Durchlauf eine positive Dynamik durch die Melodien und feinen Arrangements sowie dem ausgefeilten Songwriting, dass der Hörer mehr und mehr verinnerlicht. Der Gesang wird teils durch Effekte verfremdet, von Gitarren wie auch Keyboards unterstützt und in den Fokus der Songs gesetzt. Mercers Stimme erhält – obschon im ersten Moment nicht überdurchschnittlich auffällig – sehr viel Raum und entwickelt so einen hohen Wiedererkennungswert. Dieses Prozedere erinnert stark an die Alben von Modest Mouse, mit denen The Shins auch kooperierten. Zudem erschließen sich dem Hörer von HEARTWORMS musikalisch oftmals Querverweise zur altehrwürdigen Beta Band.
„Cherry Hearts“ ist ein absolutes Highlight der Platte. Ein Elektro-Indiepopsong, der durch das Zusammenspiel des Keyboards, Mercers Gesang und der tragenden Melodie ohne Umschweife eine freie Tanzfläche herbeisehnen lässt. „Half a Million“ hingegen wird von Gitarrenakkorden getragen und The Shins loten dabei die Bandbreite zwischen Elektroelementen und den melodieprägenden Saiteninstrumenten aus, um sich damit in den Gehörgang zu bohren. Der Namensgeber des Albums „Heartworms“ ist eine Ballade, die trotz der Melancholie in Text und Arrangement eine paradoxe Leichtigkeit aufweist.
HEARTWORMS nimmt – wie schon gesagt – nach und nach ein. Die Songs weisen eine so große Bandbreite auf, dass bei jedem Hören neue Nuancen zu erkennen sind. Es wird nicht eintönig, sondern führt vielmehr dazu nach dem letzten Song wiederholt den Playbutton zu drücken…..
VÖ: 10. März 2017, Columbia, http://www.theshins.com/
Ohr d’Oeuvre: Cherry Hearts/ Half a Million/ Heartworms
Gesamteindruck: 7,5 /10
Tracklist: Name for you/ Painting a a Hole/ Cherry Hearts/ Fantasy Island/ Mildenhall/ Rubber Ballz/ Half a Million/ Dead Alive/ Heartworms/ So now what/ The Fear
(kof)
OTAGO – Otago
Bei Hannes Wittmer scheint der Tag manchmal mehr als 24 Stunden zu haben. Zumindest, wenn man sich anschaut, was der Würzburger in den letzten Jahren für einen Output vorzuweisen hat. Nach den beiden großartigen ersten Alben „BODENANGST“ und „…IM FENSTER IMMER NOCH WETTER“ seines Alter Ego Spaceman Spiff, schafft dieser mit „ENDLICH NICHTS“ 2014 bei einem größeren Publikum Bekanntheit zu erlangen. Darüber hinaus arbeitet er mit Finn Ole Heinrich an einem Theaterstück, spricht ein Hörbuch ein und produziert ein Ambient Album. Selbst an der größten Arbeitsbiene geht das nicht spurlos vorbei, so dass sich Wittmer irgendwann eine Auszeit nimmt und sich in die Welt aufmacht. Er tut/macht das, was eines der Leitmotive von „ENDLICH NICHTS“ darstellt: Entschleunigen. Auf dieser Reise beginnt Wittmer auch englischsprachige Songs zu schreiben. Diese spielt er in Vietnam in einem Hostel erstmalig vor Publikum und die Reaktionen lassen ihn den Beschluss fassen, sich nach der Rückkehr nach Deutschland intensiver mit diesem Projekt zu befassen. Zunächst unter dem Namen „A Tin Man“ – weil Kompagnon Felix Weigt der Meinung ist, mit seinen manchmal abgehackten Bewegungen auf der Bühne sähe Wittmer aus wie der „Blechmann“ – ändert er den Namen im Laufe des Jahres 2016 in OTAGO, nach einem einsamen Wanderpfad am anderen Ende der Welt.
Der Gedanke, dass Wittmer aka Spaceman Spiff seine Musik fortan mit englischen Texten versieht, hat bei dem ein oder anderen Fan zunächst für leichtes Stirnrunzeln gesorgt. Sind es doch die deutschen Texte und deren Ausdruckskraft und Poesie, die sein Publikum über alle Maße an Wittmer schätzt. Zugegebenermaßen ist es zunächst auch ein wenig befremdlich, die neuen Songs zu hören. Man kennt diese warme Stimme, die einem zur Entspannung das Telefonbuch vorlesen könnte, aber man bringt sie nicht mit der englischen Sprache in Verbindung. Blendet man die Assoziationen, die man aufgrund der bekannten Stimme hat, aber aus und gibt man sich vorbehaltlos OTAGO hin, dann hat dieses Album eine wunderbar entschleunigende Wirkung. Die elektronischen Arrangements, die oftmals von der Akkustikgitarre Wittmers und dem Cello von Clara Jochum getragen werden, lullen einen im positiven Sinne ein und lassen einen erst wieder los, wenn die letzte Note des letzten Songs „Walls“ verklungen ist. Manchmal schimmert ein wenig The Notwist in den Songs durch, manchmal etwas Death Cab for Cutie und in seiner Entspannheit denkt man oft an die Kings of Convenience . Neben Clara Jochum, die man von den letzten Spaceman Spiff-Touren kennt, hat Hannes Wittmer einige gute Freunde und Wegbegleiter um sich geschart, die ihn bei den Aufnahmen zu OTAGO unterstützt haben. Vor allem seien hier der „Hans Dampf in allen Gassen“ Felix Weigt zu nennen, der neben seiner Arbeit mit Der höchsten Eisenbahn die Zeit gefunden hat, sein musikalisches Multitalent in die Songs einzubringen; Johnny König, der die Rhythmusfraktion bildet und Killian Brand, der das Album zusammen mit Wittmer produziert hat. All diese Einflüsse tun OTAGO ausgesprochen gut, sie lassen den Sound voller wirken und gerade die elektronischen Elemente klingen ausgereifter als auf Spaceman Spiffs „ENDLICH NICHTS“.
Mit OTAGO zeigt Hannes Wittmer eindrucksvoll, wie universell Musik sein kann und das es nicht zwingend einer bestimmten Sprache bedarf, um seine Themen und sein Anliegen zum Hörer zu transportieren. Die Reflexion des Seins, die Veränderung durch die Rückbesinnung auf die wichtigen, existenziellen Dinge im Leben und die Entschleunigen sind die Themen, die ob auf Englisch oder Deutsch von Wittmer wunderbar leicht und unprätentiös an den Hörer herangetragen werden und dieses wohlige Gefühl auslösen, was aus hiesigen Gefilden nur ganz wenige Künstler schaffen.
VÖ: 10.März 2017, mairisch Verlag, https://www.thisisotago.com/
Ohr d’Oeuvre: Lessons/ Solid As I Shake/ Battles/ A Silent Smile
Gesamteindruck: 7,5/10
Tracklist: This is not the start/ Ghost stories/ Keep it lose it miss it/ The art of giving in/ Lessons/ A silent smile/ Questions and bones/ Solid as I shake/ Battles/ Once we were king/ Walls
(at)