Hinaus zum revolotionären 1. Mai….Hm, Regen, Mist! Kann die Revolution auch ohne JMC Mitarbeiter funktionieren? Fängt die Revolution nicht vielmehr im Privaten als auf der Straße an? Ach lassen wir lieber die Platten kreisen und verändern schon mal unser Bewußtsein.
Divisionists – Daybreak
Die 1990er waren indiemäßig einerseits eine Verwaltung der 1980er, zum anderen eine Implosion des Ganzen. Divisonist aus London klingen ein wenig wie die letzten Überlebenden dieser Zeit. Ein wenig als hätte sich der Teenage Fanclub gedacht: „Wir dimmen die Verzerrer mal runter, nehmen größteils alte The Byrds – Fragmente und lassen die pure Melodie regieren.“ Das macht richtig Spass und man wird bei Songs wie „Fraction of Grace“ richtig nostalgisch. Songs wie „The first Causality“ oder „Say can you say“ gehen noch einen Schritt weiter und erinnern gar an The Urge Overkill in der EXIT THE DRAGON – Phase. Leider bricht diese nostalgische Euphorie in der Mitte ab und die Führung übernimmt das zuvor eher unterschwellig mitschwingende psychedelische Moment. Der zuvor noch relativ verspielte, zurückgelehnte, aber straighte Indieansatz verliert sich in ausufernden Strukturen und eingesprengselten Synthiemelodien, die irgendwie dahin geklotzt klingen, aber die Songs nicht wirklich nach vorne bringen. Zuweilen regiert sogar eine relative – auch textliche – Belangslosigkeit. So könnten Songs wie „Pale Blue Eyes“ oder „Colours (Song for a Spaceman)“ mit ihrem Synthesizer auch in der Indieschlagerdisco laufen. Zum Glück kriegt die Band in dem wunderbar entspannten 70ties Stück „Freedom“ und dem, mit einer wunderschönen Klarinette versetztem „All fall down“, wieder die Kurve.
Gesamteindruck: 6,5/10
Die Vergesellschaftung der Produktionsfaktoren: All fall down / The first Causality/ Say can you say
VÖ: 17.3.2017, Mount Watatic Records
The Dahmers – In the Dead of the night
IN THE DEAD OF THE NIGHT beginnt wie der Soundtrack zu einem mittelmäßigem Horror B-Movie, in dem sich der Sargdeckel langsam zu heben beginnt und das Monster erwacht. Mit der zweiten Nummer „Cut me down“ ist dann der Sargdeckel engültig geöffnet. Ein energiegeladener Mix aus Power Pop a la Undertones und 60ties Garagen Rock, der einfach bis zum Schluss der Platte durchbrettert. Ihrer B-Movie und Power Pop – Gesinnung bleiben die Schweden auf Songs „It`s too late“ und „Beyond the grave“ treu. Mal mehr, mal weniger ungestüm fliegen so die Songs an einem vorbei, wobei fast jeder durch sein ganz eigenes Gimmick oder Break glänzt. Heraus sticht „Cold Skin“, ein Midtempostück, was eine leicht schräge Friedhofsromanze zum Thema hat. Allein der mehrstimmige Harmoniegesang will so gar nicht zum Horrorimage von The Dahmers passen, allerdings ist er das Sahnehäubchen auf den Songs wie in „Deep Red“. Nach zwei EPs in den letzten zwei Jahren, überzeugt die Band aus dem schwedischen Bromölla auch auf voller Distanz. „Man wolle nur Bier trinken und Horror Filme schauen,..“, so beschreibt die Band selber im klassischen Understatement ihre Arbeitsweise. Sie liefert einen kurzweiligen Horrortrip, bei dem man sich fragt, wie man denn so etwas Dunkles an einem Ort wie Bromölla erschaffen kann.
Gesamteindruck: 6,5 / 10
Die Bajonette der Revolution: Cold Skin / It’s too late/Deep Red
VÖ: 24.03.2017 – Lövely / Cargo, http://thedahmers.com
Tim Vantol – Burning Desires
Tim Vantol ist ein Barde, der von Freiheit und Unabhängigkeit, vom Entschleunigen und Loslassen singt. Der propagiert, sich auch mal treiben zu lassen und mit den Freunden einfach die Zeit zu genießen. Dies tut er mit einer dieser Reibeisenstimmen, die durch die Jahre in Hardcorebands gestählt wurden und einer entwaffnenden Offenheit, die in den besten Momenten die Gänsehaut hochreißt und man sich direkt auf das Fahrrad setzen und losfahren will. Auf BURNING DESIRES klappt dies am besten in den reduzierten, ruhigen Momenten wie dem nur mit Gitarre vorgetragenen Opener „Till the end“ oder dem Abschlusstücke „67′ Broken White“. Lieder für dieses große, amerikanische Songbook, die der Amsterdamer wunderbar in Szene setzt. Auch seine Ausflüge in die Hillbillywelt wie bei dem Uptempostück „We’re not gonna make it“ gefallen. Leider will Vantol auch Rocker sein und produziert dabei Standardware für das WDR – Nachtradio, zwischen Stauschau und Hörbuch. So rufen Songs wie „Burning Desires“ oder „Lost the unknown“ doch eher ein Gähnen hervor. Einzig „Hardway“ mit seiner Pogueshaften Hookline ruft noch ein Lächeln hervor.Trotzdem sollte er seinen Status mit dieser Platte bestätigen.
Gesamteindruck: 6,5 / 10
Der Ruf nach Freiheit: Till the end / The Hardway/ We’re not gonna make it
VÖ: 21.01.2017 – Odyssey Music
Moritz Ecker – Yes
Nach dem Hören von dem schlicht und einfach betiltetem Debürtalbum YES schauen wir verschähmt zu Boden und lassen alles Gerede darüber, was wir morgen anpacken werden oder wie sinnvoll wir unser Leben in Zukunft gestalten wollen. Der Berliner Moritz Ecker ist nämlich ein Mann der Tat, dessen Spontanität schon fast erschreckend ist. Rad vor der Uni gefunden, Studium abgebrochen, bis nach Skandinavien gefahren, dort die Singer Songwriter Szene schätzen gelernt und selber zu einem geworden. Ergebnis ist YES, ein klassisches Folk – Album voller Munharmonika, Orgeln und Akkustigitarren, die unkonventionell die unaufgeregte Stimme Eckers, die angenehm an I AM KLOOTS John Bramwell erinnert, begleiten. Einige der beschwingteren Songs, wie das das mit Glockenspiel verfeinerte „Keep your Eyes closed“ erinnern denn auch an die stoische Dicht- und Singkunst der Engländer. Die großen Themen sind die Ruhelosigkeit des Getriebenen und Neugierigen, der immer weiter durch die Welt wandern muss, was Ecker immer mit einer so wunderbar unaufgeregten Stimme zusammenfasst, dass es dem Hörer richtig warm ums Herz wird. Das Dumme ist nur, dass er damit diesen vielleicht davon abhält, dann doch selber aufzubrechen, weil man ja lieber weiter YES lauschen will.
Gesamteindruck: 7,0 / 10
Der lange Marsch: Keep your Eyes closed/ The Weather Song/ Don’t kill me
VÖ: 7.04.2017 – Waterfall Records
Ponderosa – Ponderosa
Entschleunigung und Achtsamkeit sind ja so Modewörter, auf deren Grundlage sich ganze Printprodukte gründen. Man kann diesen dann ein schönes Poster entnehmen, sich an die Wand hängen und beim Anschauen entschleunigen. Glauben wir nicht dran, aber wir glauben daran, dass man sich Ponderosa und deren selbstbetitelte EP anhören sollte, um zu einem Moment Reflexion zu kommen und einfach mal abzuschalten. Die Kölner Sängerin Jasmin Banu und ihre zwei Mitstreiter Boris und Marian zaubern vier herrlich Tracks, die sich weniger als stringente Songs präsentieren, denn als pulsierende Soundlandschaften, die durch die Stimme Banus zusammengehalten werden. Landschaften, in die man als Hörer abtauchen kann, die aber kein Wohlfühlbällchenbad für die Seele sind, sondern eher ein wenig wie der dunkle, finstere Wald aus einem Märchen wirken, voller Traumgestalten und unerwarterer Begegnungen. Dazu immer der verbaliserte Wunsch aus dem Grau herauszufinden, wieder das Besondere vor den Abgründen des Alltags zu entdecken. Angefangen hatte das Trio als Folkband und hat sich auf PONDEROSA in einen wunderschönen Indietronicschmetterling verwandelt, der jedem ans Herz gelegt sei, der mehr zum abschalten, träumen und reflektieren als ein Poster an der Wand oder einen Kalenderspruch braucht.
Gesamteindruck: 7,5 / 10
Das revolutionäre Bewußtsein: Colour on a grey day
VÖ: 28.02.2017 – Eigenvertrieb
Bellmann – Morphology
Hinter Bellmann verbirgt sich der in Larvik/Norwegen beheimatete Singer-/Songwriter Arne-J Rauan. In Deutschland noch recht unbekannt, konnte er 2009 mit seinem Debut MAINLY MUTE einen Achtungserfolg in seiner Heimat landen. Das neue Album MORPHOLOGY besticht mit einem Popappeal, den wohl nur Skandinavier können. Manchmal runzelt man die Stirn und befürchtet, dass Bellmann den Popbogen überspannt. Er verfügt jedoch über das seltene Talent, dem Kitsch im letzten Moment von der Schippe zu springen. Beeinflusst von Bands wie Slowdive, Mercury Rev oder auch den Beach Boys, erinnern die Songs auf MORPHOLOGY oftmals an die Killers, The National Anthem oder seine Norwegischen Kollegen von A-ha.
Insgesamt ein mutiges Album, dass, wenn man sich darauf einlässt, die ein oder andere Popperle bereit hält.
Gesamteindruck: 6,5 / 10
Der starke Arm: Colored by you / We are the Guns / Can You Feel It?
VÖ: 27.01.2017 – AJR Music
Manolo Panic – Chinchilla
Eigentlich möchte man CHINCHILLA direkt ausmachen, als man die Gitarre am Beginn des Openers „All you are“ hört. Softrock in bester Nazareth – Manier, der sicher Icke Häßler als ausgewiesenen Experten für Softrock die Freudentränen in die Augen treiben würde. Zum Glück bekommt das Schweizer Quartett bereits mit dem zweiten Song „Mary Ann“ die Kurve. Ein gradliniger Rocksong mit leicht britischem Einfluss, der auf einen eingängigen Refrain zusteuert. Dies gibt auch die Schablone für die kommenden Songs vor. Manolo Panic verstehen es den Hörer abzuholen. Man merkt ihnen die Eingespieltheit an und an einigen Stellen setzen sie bewusste Ausrufezeichen im Songwriting, die die Songs aus dem straighten Rockfluss herausstechen lassen. Sei es in „You got me on my knees“, was mit seinem endlosen Gitarrensolo ein wenig an Mr. Big und ähnlichen Hardrock aus den Post – Guns ’n‘ Roses Zeiten Mitte der 1990er erinnert. „Runaway“ wartet dagegen mit wunderschönen Indiegitarren und einem wunderbar catchigen Refrain auf. Insgesamt eine solide Platte, die durch Ramon Margharitis warme Stimme ihre Wiedererkennungswert bekommt. Erinnert ein wenig an die Landsleute von Rival Kings und sei jedem empfohlen, der Rockmusik ohne große Schnörkel mag. Mit „I don’t feel the sun“ ist ein veritabler Hit enthalten.
Gesamteindruck: 6,0 / 10
Das Kollektiv: Runaway / Mary Ann/ I don’t feel the sun.
VÖ: 03.03.2017 – Spinnup