The Smith Street Band – More scared of you than you are of me
Nach vier langen Jahren des Wartens melden sich die australischen Rumpel-Punks der Smith Street Band mit einem Album zurück, dem die Sonne dermaßen aus dem Arsch scheint, dass der April in diesem Jahr ruhig machen kann, was er will.
Vor gut vier Jahren schrieb mir der Punkrock Onkel von Uncle M aus Münster, ich müsse mir unbedingt mal The Smith Street Band anhören. Er sei sich sicher, dass es sich um eine meiner zukünftigen Lieblingsbands handeln würde. Da man auf Ratschläge aus Münster grundsätzlich hören sollte, lieh ich der Truppe um Frontmann Wil Wagner eins meiner abstehenden Ohren. Zunächst etwas perplex, fragte ich mich, warum der gute Wil bei nahezu jedem Song immer mindestens eine Oktave zu schief unterwegs war. Die Platte gefiel, aber ob sie nachhaltig in Erinnerung bleiben würde? Bis, ja, bis mit Throw Me Into The River kurz vor Schluss ein Song kam, der ganz schnell zu einem der Hits des Jahres wurde. Auf einmal machte Walkers schiefer Gesang, untermalt von diesem unwiderstehlichen musikalischen Gerumpel seiner Mitmusiker, Sinn und ließ einen fortan nicht mehr los.
Nun also, vier Jahre später, legen die Jungs aus Melbourne ihr heißersehntes viertes Album MORE SCARED OF YOU THAN YOU ARE OF ME vor. Wil Wagner singt immer noch wunderschön schief, das Gerumpel jedoch klingt etwas ausgereifter, als auf dem Vorgänger. Maßgeblich verantwortlich dafür ist der langjährige Freund und Kollege Jeff Rosenstock, der die Platte produziert und das ein oder andere „Ohhh“ und „Ahhh“ beigesteuert hat. Ohne großes Geplänkel steigen die Smithies mit „Forrest“ ein, um einem in der nächsten Dreiviertelstunde einen Batzen Punkrock um die Ohren zu feuern, der sich sprichwörtlich gewaschen hat. Selten hat man ein Album gehört, bei dem man nahezu über die gesamte Spielzeit die Faust in den Himmel recken und lauthals mit Tränen in den Augen mitsingen möchte. Dabei bringen sie das Kunststück zustande, eine inhaltliche Relevanz an den Tag zu legen, von der sich viele Bands aus dem Genre eine ordentliche Portion abschneiden können. Sei es das völlig überflüssige Männlichkeitsverständnis mancher testosterongeschwängerten Herren (Death to the Lads), die Auseinandersetzung Wagners mit seinen Panikattacken (Passiona) oder die Hymne ans Erwachsenwerden (Young Once). All diese Themen, gepaart mit der mitreißenden musikalischen Untermalung, ergeben nicht mehr und nicht weniger als eine kleine, wundervolle Punkrockoper.
VÖ: 07.April 2017, Uncle M/ Cargo, http://www.thesmithstreetband.com/
Ohr d’Oeuvre: Death to the Lads/ Song for You/ Passiona/ Shine
Gesamteindruck: 8,5/10
Tracklist: Forrest/ Birthdays/ Death to the lads/ Song for you/ Passiona/ Run into the world/ Shine/ 25/ It kills me to have to be alive/ Suffer / Young once/ Laughing (or pretending to laugh)
(at)
We Were Strangers – Beneath A Broken Sky
Schreibt man über Musik, hat man sehr oft das Vergnügen, dass der heimische Briefkasten mit irgendwelchen Neuerscheinungen lettischer Folklorebands oder Metalbands aus der sächsichen Provinz überquillt. Das soll keinesfalls despektierlich klingen, hat man jedoch bei aller Motivation nicht ansatzweise die Möglichkeit, sich mit all diesen kleinen Label-Geschenken zu beschäftigen. So wäre fast auch das Debutalbum BENEATH A BROKEN SKY von We Were Strangers durch das unsägliche „Briefkasten-Zeitraster“ gefallen. Dass dies nicht passiert ist, ist dann etwas Glück, der Begeisterung der Freundin und einer Empfehlung des Grand Hotel van Cleef für ein Konzert der Band in den sozialen Netzwerken geschuldet.
Hinter We Were Strangers verbirgt sich Stefan Melbourne aus dem nordenglischen Manchester. Manchester? War da nicht was? Zwei Fußballvereine mit maßlos überschätzten Trainern, mag der ein oder andere Fußballfan jetzt sagen. Das ist richtig, aber nicht gemeint. Manchester scheint eine Inspirationsquelle für wunderschöne, melancholische Lieder zu sein. Vor einigen Jahren Elbow, haben sich in den letzten drei Jahren besonders die großartigen The Slow Show als Speerspitze der opulenten Melancholie hervorgetan. Ganz so opulent wie bei den „Slowies“ geht es bei Stefan Melbourne nicht zu. Vielmehr verleiht er seinen Stücken durch die Reduziertheit einen Spannungsbogen, der einen so schnell nicht wieder loslässt. Dabei erstaunt der Facettenreichtum, mit dem Melbourne auf BENEATH A BROKEN SKY aufwartet. Die Stücke bauen sich teilweise wie klassische Postrock Songs auf und gerade, wenn sich die Gänsehaut für den finalen Ausbruch bereitmacht, beendet Melbourne den Song mit einem verschmitzten Lächeln. Dies mag bei den ersten Hördurchgängen für ein wenig Enttäuschung sorgen, je öfter man das Album jedoch hört, umso klarer wird, dass genau diese Unberechenbarkeit die große Stärke der Platte ist. Hier wechseln sich schwermütige, balladeske Singer-/Songwriter Perlen (Unforgiven War, 13/11, In the Inbetween) mit leichtfüßigen Folksongs (Giving it All Away) und den bereits erwähnten teilweise elektronisch unterstützen, postrockähnlichen kleinen Meisterwerken (Darling I) ab. Getragen werden all diese großartigen Stücke von der markanten, wundervoll unaufdringlichen Stimme Melbournes, die manchmal an Dallas Green von City and Colour oder auch Ben Howard erinnert.
Eine erste große Überraschung des noch jungen Jahres, aus der man so einiges lernen kann – nämlich, dass Manchester neben überambitionierten Fußballtrainern ein Nährboden für wirklich großartige Künstler zu sein scheint und man den Briefkasteninhalt zukünftig tunlichst nicht mehr derart stiefmütterlich behandeln sollte.
VÖ: 17.März 2017, Stargazer Records/ Broken Silence, https://www.facebook.com/wewerestrangersmusic
Ohr d’Oeuvre: Darlin I/ Giving It All Away/ 13/11/ In The Inbetween
Gesamteindruck: 8/10
Tracklist: Darling/ Giving It All Away/ Stand Alone/ Unforgiving War/ 13/11/ Two Steps Ahead/ Come Alive/ In The Inbetween/ Old Ideas
(at)