Klassentreffen im Sonnenschein. Während sich das Wetter rheinisch-schwül präsentiert, merkt man schon vor dem Gebäude 9, dass der Großteil der Zuschauer heute Abend Ende der 1990er musiksozialisiert wurde und seitdem John K. Samson die Treue hält. Leider schwitzt man so, dass man eigentlich lieber im Biergarten draußen verweilen will, aber wenn der Mann mit der einzigartig-traurigen Stimme aus Kanada den weiten Weg mal wieder in Domstadt gefunden hat, schleppt man sich in den Konzertsaal.
Dieser ist fast ausverkauft und doch bleibt es in den folgenden rund 90 Minuten so aufmerksam, dass man teilweise eine Stecknadel fallen hören kann. Aber es ist nicht diese gezwungene Stille, wie man sie von jedem Konzert einer mittelbegabten Folkband kennt, wo die Hälfte der ehemalige Ponymädels sofort „psst“ schreit, wenn man nur die Augen zu weit aufschlägt. Nein, die Leute sind einfach eingenommen, von der Stimme und den Songs. Es ist ein gelungener Querschnitt aus WINTER WHEAT und alten Weakerthans Songs, zusammengehalten durch die Stimme Samsons. Begleitet von einer dreiköpfigen Band, die den Songs die richtige Tiefe gibt und vor allem die Blubberpianomelodien tun den Songs richtig gut und zaubern Samson an einigen Stellen ein seeliges Lächeln auf die Lippen. Ein übriges tut das Publikum, das nicht nur bei den altbekannten Gassenhauern, wie „One great City“, das Samson alleine vorträgt und das der heimliche Höhepunkt des Sets ist, sondern auch bei den neueren Songs ausgiebig mitsingt. Hier stechen vor allem die langsameren heraus, wie der Album Auftakt „Select all delete“, der auch an diesem Abend der Opener ist oder der Titeltrack „Winter Wheat“. Dagegen feiern die vier Musiker die rockigen Stücke wie „Vampire Alberta Blues“ ausgiebig und mit sichtlichem Spaß. Ein wenig erinnern diese rockigen Stücke an Samsons Landsmann Dallas Green. Aber schnell ohrfeigt man sich selbst für diesen frevelhaften Gedanken und taucht wieder in die melancholischen Songs, die Samson so leicht von den Händen und Lippen gehen, ein.
Insgesamt herrscht eine fast schon ausgelassene Stimmung unter Musiker und Zuschauern, die so gar nicht mit der Melancholie korrespondieren will, aber einfach daran liegt, dass alle von der Stimmung beseelt sind. So kann man immer wieder Leute verträumt vor sich hinblickend mitsingen sehen. Als der ganze Saal, dann bei „Reconstruction Site“ und „Aside“ mitgeht, ist der Abend sowieso perfekt. Samson wirkt mehr als glücklich. Vor zwei Jahren im wesentlich kleineren Blue Shell war er angespannt, wirkte ein wenig erschöpft, vielleicht auch etwas enttäuscht, dass ihm nicht so die Anerkennung zu Teil wird wie anderen. Heute Abend ist davon nichts zu spüren, lediglich die Hitze fordert ihren Tribut. Nach drei Zugaben ist Schluss und weniger, weil er Schluss machen will, sondern scheinbar erschöpft aufhören muss.