Arcade Fire – Everthing Now
Auch nach der Sommerpause gehen die redaktionsinternen, kanadischen Wochen weiter. Mit Arcade Fire wirft ein Schwergewicht seinen Handschuh in den Ring. Bereits seit dem Frühsommer läuft die Marketingmaschinerie heiß, um EVERYTHING NOW, das 5. Album der Band, anzukündigen. Vor dem Hintergrund des stilistischen Wandels, der sich schon auf dem Vorgänger REFLEKTOR andeutete, war das frühzeitige Streuen von Songs eine nachvollziehbare Strategie, um möglichen falschen Erwartungen seitens der Fans entgegen zu treten.
Auch nach vielen Runden auf dem Plattenteller bleibt das Fazit ambivalent. Arcade Fire gehen den Weg weiter, den sie mit REFLEKTOR eingeschlagen haben. Die Songstrukturen verschieben sich noch stärker als auf dem Vorgängeralbum in Richtung bester 80er Jahre Pop Songs, wobei die Konsequenz mit der die Band die Entwicklung verfolgt, doch überrascht. Kaum etwas erinnert noch an die Indieperlen der ersten drei Alben. Trotz allem zeigt Win Butler, dass er auch das Talent besitzt gute Popstücke zu schreiben, so überzeugt doch gerade die handwerklich ausgereifte Art und Weise wie die Songs arrangiert und produziert sind. Neben funkigen Elementen bei den Gitarren stehen sehr klare, eingängige Keyboardmelodien im Vordergrund, welche die Gesangssequenzen der beiden Masterminds untermalen. Arcade Fire befinden sich mit dem hier vorliegenden – scheinbaren Stilbruch – in guter Gesellschaft zu anderen Künstlern, die im Verlauf der jeweiligen Historie ähnliche Entwicklungen vollzogen haben. An dieser Stelle werden als Beispiele nur The Notwist oder David Bowie genannt. Solch Mut zur Veränderung machen letztendlich große Bands aus.
Allerdings ist die Art und Weise schon bemerkenswert und man sollte sicherlich jegliche Erwartungshaltung über Bord werfen bevor man sich der Platte nähert. Die Zukunft wird zeigen, ob sie mit dem vorliegenden Album die Basis für weitere Songs dieser Art liefern oder ob das 2017er Album lediglich ein Ausflug in neue Gefilde darstellt. Die Qualität ist dem Album nicht abzusprechen und es wirkt in sich sehr homogen. So lohnt es sich das Album in Gänze anzuhören, um einen Gesamteindruck zu gewinnen. Vielleicht fällt dabei das eigene Fazit anders aus als das hier festgehaltene. Neben der Single „Everything now“, die auch den Namen des Albums verantwortet, bleiben „Chemistry“ wie auch „Good god Damn“ im Ohr des Hörers. Es ist nicht abzustreiten, dass die Kanadier mit den vorliegenden Songs auf die Tanzflächen der Clubs drängen. Live entwickeln die Songs eine andere Dynamik und Stärke als auf dem Album. Ob sie mit der neuen Scheibe auch die Herzen erreichen, bleibt offen. Allerdings hat sich die Bandbreite von Arcade Fires 2. Album NEON BIBLE auch erst nach und nach gezeigt. In der Quintessenz kann hier keine Wertung nach Punkten gegeben werden, weil EVERYTHING NOW ein zu großer Bruch mit den Vorgängerwerken ist.
VÖ: 28.07.2017, Sony – http://www.arcadefire.com
Ohr d’Oeuvre: Everything now/ Chemistry/ Good god Damn
Gesamteindruck: Keine Wertung
Tracklist: Everything now (continued)/ Everything now / Signs of Life/ Creature Comfort/ Peter Pan/ Chemistry/ Infinite Content/ Infinite Content/ Electric Blue/ Good God Damn/ Put Your Money on Me/ We Don´t Deserve Love/ Everything now (continued)
(kof)
Manchester Orchestra – A Black Mile to the Surface
Der charismatische Mittelpunkt von Manchester Orchestra war stets Sänger Andy Hull, der den Sound mit seinen Geschichten und seinem Gesang stets prägte. Da Hull vor kurzem Vater geworden ist, überrascht der positive Grundton von A BLACK MILE TO THE SURFACE eigentlich nicht und auch nicht dass die Platte von einem neuen Grundsound durchzogen ist.
Und dieser neue Grundton stellt schon eine deutliche Abkehr zum dunklen Vorgänger COPE von 2014 dar, der durchzogen war vom Liebesleid Hulls und auf dem die Band den Postgrungesound, den sie bereits seit ihren Anfangstagen pflegt, in Bezug auf Verzerrung und Lautstärke zum Höhepunkt trieb. Cut! A BLACK MILE TO SURFACE hat damit nichts mehr zu tun, beziehungsweise, man hört immer noch – alleine an Hulls Stimme -, dass es sich um Manchester Orchestra handelt, allerding sucht man die verzerrten Gitarren meist vergeblich, abgesehen von vereinzelten Lärmausbrüchen („The Grocery“, „The Groth“). Stattdessen wandeln die Songs zwischen pathetischem Rock – Folk und reduziertem Indiepop. Ein Mittelweg und Sound, der den letzten Veröffentlichungen der Band of Horses ähnelt, die einen ähnlichen Weg genommen haben und ihr Glück erst wirklich fanden, als sie ihren Sound entschlackt hatten. An den orchestralen Parts, in denen Streicher und Synthies den Sound mit einigem Bombast vollladen, schimmern gar die Twilight Singers durch.
Manchester Orchestra suchten nach einer neuen Inspiration, war man doch irgendwie mit dem Gitarrensound in einer Sackgasse gelandet. Abhilfe gab der Film „Swiss Army Man“, zu dem Hull und sein Bandpartner McDowell gebeten wurden, einen A – Capella Soundtrack ohne jegliche Instrumentierung beizusteuern. Damit nahm die Entschlackung, die Reduzierung des Sounds ihren Anfang. Insgesamt tut dies der Band gut, da sie dadurch eine ihrer Stärken, nämlich Hulls Stimme, besser zu Geltung bringen kann. In Songs wie „The Gold“ oder „The Alien“ erinnert sie fast ein wenig an die Fleet Foxes, in all deren Schönheit. Und trotzdem an einigen Stellen hätte man sich mehr Kanten gewünscht, will die Band zu viel, werden die Songs ein wenig erdrückt vom süßlichen Streicher- und Synthiepassagen. Trotz allem ist die Platte ein gelungenes Statement für eine neue Lebensphase.
VÖ: 28.Juli 2017, Loma Vista / Caroline International, http://themanchesterorchestra.com/
Ohr d’Oeuvre: The Gold / The Grocery/The Silence
Gesamteindruck: 7,0/10
Tracklist: The Maze/ The Gold/ The Moth/ Lead, SD/ The Alien/ The Sunshine/ Sthe Grocery/ The Wolf/ The Mistake/ The Parts/ The SIlence
(pd)