(The) Lesser Men – Bedrooms
Eigentlich müssten Branko, Denis und Neven, Brian, David und Nigel heißen. Zusammen bilden die drei Kroaten (Drei + Drumcomputer) (The) Lesser Men, die mit ihrem Zweitling BEDROOMS jede Einlasskontrolle der Britpopdisco locker überstehen würden.
Der Britpopsound der 1990er scheint auch in Zagreb einen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben. Zumindest, wenn man die ersten zwei Drittel von BEDROOMS hört, könnten die Songs doch problemlos in Glasgow oder Manchester, in den Proberäumen von Ride, der Charlatans oder dem Teenage Fanclub entstanden sein. Beschwingte, melancholische Indiepopsongs mit einem großen Gespür für zeitlose Melodien, wie direkt der Opener „Bedrooms“ oder später „Vacation Freeze“. Dazu die warme Stimme Neven Similarys, die angenehm nach Andy Bell klingt. Man könnte jetzt die Nase rümpfen und sagen, „Reines Epigonentum“, aber die Songs sind zu catchy ausgefallen, als das sie nicht jeden Menschen mit leichten Sympathien für den urbritischen Sound direkt auf die Tanzflächen locken würden, um in sich versunken von einem auf den anderen Fuß zu tippeln.
In der zweiten Hälfte beweisen (The) Lesser Men, dass sie nicht nur kurzweilige Indiedancepopkracher schreiben, sondern durchaus auch ausschweifende Songs mit leicht psychedelischem Einschlag schreiben können, die teilweise virtuos den Weg in das Ohr des Hörers suchen. Hatte man es sich schon in den drei Minutenkracher gemütlich gemacht, wirbeln die Pianofiguren in „Take me to Damask“ oder die trockenen Synthiemelodien aus „Useless Man Think_Tank“ oder „Hours“ die Komfortzone ganz gut durcheinander. Es erinnert ein wenig an Jesus and the Mary Chain. (The) Lesser Men beschreiben ihre Musik selber als
„Erwachsener Desorientierter Bett-Rock / Schlaf-Rock / Liebe / Hass-Core“ .
Erwachsen ja, aber desorientiert? Nein bestimmt nicht, dazu schimmern viel zu viele gute Melodien und Ideen – trotz aller Zitate – in den Songs herum.
VÖ: 22.September 2017, Geenger Records, https://www.facebook.com/lessermen/
Ohr d’Oeuvre: Bedrooms/ Vacation Freeze/Road to Damask
Gesamteindruck: 7,0/10
Tracklist: Bedrooms / Sometimes So/ This won’t hurt (Long enough to cry)/ Summer is gone (An so am I)/ Hours/ Vacation Freeze/ Useless Man Thin-Tank/ Take me to Damask/ The Beat/ Never Tell/ The Cycle
(pd)
Petterson – Blick nach vorn
Die alte Geschichte und doch immer wieder frisch. Ein Proberaum auf dem flachen Land in Hastedt, irgendwo in Norddeutschland. Vollgeladen mit Sehnsucht und guten Melodien starten Petterson – heute angelandet in Bremen – ihre Reise. Erster großer Halt, BLICK NACH VORN, das Debütalbum.
Dabei scheinen die landschaftlichen Einflüsse ihren Niederschlag in den Songs gefunden zu haben. Das Quartett zelebriert einen melancholischen Indiepop, der authentisch und ehrlich bleibt ohne dabei mit der (ganz großen) Pathoskeule zu schwingen. Der Vierer aus der Becksstadt hat dieses songwriterische Talent Räume aufzureißen, mit einzelnen Akkordwechseln einen Song ins helle Licht zu tauchen, den Himmel aufreißen zu lassen, wie es in Norddeutschland desöfteren zu beobachten ist, wenn die Sonnenstrahlen durch den grauen Himmel dringen. Dabei bedienen sich die Bremer der einfachen Indiemittel: Zeitlose Gitarrenmelodien, einen einprägsamen Gesang und einem Beat, der nie nach Halt oder einer Pause sucht, sondern immer nur nach vorne drängt. Damit reihen sich Petterson in die Reihe berühmter norddeutscher Kollegen wie Madsen oder den Kleinstadthelden ein und bestechen ähnlich wie die großartigen Tomte mit ihrer unbekümmerten Direktheit. Bestes Beispiel sind die Single „Berg“, „Du rennst nicht mehr davon“ oder „Sturm in der Stadt“, wo die Refrains wie Wellen aus Drang und Melodie über den Hörer zusammenbrechen. Hinter all dem steht dieser Drang raus zu kommen und doch wieder Gefahr zu laufen stehen zu bleiben, weil man zu sehr in der Vergangenheit hängt wie sie es in „Gleis 7“ oder „Flüsse“ besingen.
Leider können Petterson diese Qualität nicht über die ganze Länge aller Songs halten, dazu fehlt ein wenig die Abwechslung im Aufbau.Treffen Refrain und Melodie in Schwarze, fehlt vielleicht noch die eine Kurve, um den Songs noch mitreißender zu machen.Manchmal nerven ein auch wenig die textlichen Plattitüden, wenn sie zu arg in die neue deutschprachige Befindlichkeitspoprichtung gehen, eine diffuse Beschreibung aus Ausbruch und Unbehagen sind, die aber auch nicht wirklich verortet wird. Aber gut, das kann man bis morgen früh noch in der Küche diskutieren, dies ist einfach eine Geschmacksfrage. Fazit, musikalisch funktioniert BLICK NACH VORN größtenteils über die ganze Strecke und auch die Texte bilden im Zusammenspiel mit den Songs einen angenehmen fluffigen Indiepop mit vielen hellen Momenten. Das sollte verdientermaßen seine Freunde und Fans finden.
VÖ: 29.September 2017, Space Bee Records,http://petterson.space-bee-records.de/
Ohr d’Oeuvre: Berg/ Sturm in der Stadt/Leuchtturm
Gesamteindruck: 6,o/10
Tracklist: Berg / Reparieren/ Sturm in der Stadt/ Gleis 7/ See/ Du kennst nicht mehr davon/ Flüsse/ Leuchtturm/ Tau/ Musik/ Karten/ Blick nach vorn/ Auf das was war
(pd)