Worriers – Survival Pop
Hat man in seinem 25jährigen Leben bereits so viel mitgemacht wie Lauren Denitizio, Sängerin der Worriers, kann man daran zugrunde gehen, als Musikerin traurige Singer-/Songwriter-Alben schreiben oder – wie im Fall von Denitizio geschehen – man schreibt ein großartiges Indiepunk-Album, das so unaufdringlich catchy ist, dass man die Vorgeschichte zum Album kaum glauben mag.
Eine Operation am offenen Herzen, ein von Unverständnis und Selbstzweifeln geprägtes queeres Coming Out und der Verlust diverser guter Freunde durch Selbstmord sind alles Ereignisse, wovon nur eines schon gereicht hätte, um daran zu zerbrechen. Nicht so Lauren Denitizio! Statt an der Situation zugrunde zu gehen, verpackt sie das Erlebte in wundervolle kleine Indiepunk-Perlen, die nur so vor dem Willen strotzen, dem Schicksal mal ordentlich den Mittelfinger zu zeigen. Dabei geht es auf SURVIVAL POP nicht um Durchhalteparolen, sondern um einen kritisch-reflektierten Blick auf die Vergangenheit und einen (meist) positiven Blick auf das, was da zukünftig noch kommen mag. Genau das ist es auch, was dieses Album so besonders macht. Man hört ihm zu jeder Sekunde diesen wunderbar trotzigen Optimismus an, den man wahrscheinlich braucht, um auch nur ansatzweise das Schicksal in seine Schranken zu weisen. Warum Bands anno 2017 überhaupt noch Punk-Alben wie dieses hier veröffentlichen, bedarf, bei all dem, was gesellschaftlich und politisch weltweit gerade passiert, eigentlich keiner weiteren Erklärung. Daher ist es auch kaum verwunderlich, dass Denitizio die momentane politische Lage in den USA nicht unkommentiert lässt. So heißt es im Song „What we’re up Against”: “Wait for history to count to 10, then you can come and get us, come and get me. No one’s waiting for this nightmare to end before we pick up, swing back, refusing what we’re up against.” Ein Statement, das sitzt, verpackt in einen weiteren punkig-zuckersüßen Song, bei dem Denitizios Stimme, die oftmals an Dolores O’Riordan von den Cranberries erinnert, besonders im Refrain deutlich dringlicher klingt als auf den restlichen Songs des Albums.
Mit SURVIVAL POP legen die Worriers aus Brooklyn/NY ein tolles kleines Indiepunk-Album vor, das vor allem Fans von Erica Freas oder den Muncie Girls begeistern dürfte.
VÖ: 29. September 2017, SideOneDummy Records, https://worriers.bandcamp.com/
Ohr d’Oeuvre: My 85th Rodeo/ What We’re Up Against/ Open Heart
Gesamteindruck: 8.0/10
Tracklist: My 85th Rodeo/ Not Your Type/ The Possibility/ Gaslighter/ What We’re Up Against/ Future Me/ Self Esteemed/ No Thanks/ Glutton (Reprise)/ Wtf Is Sleep?/ Best Fear/ Worst Fantasy/ Open Heart
(at)
Shout Out Louds – Ease My Mind
Vier Jahre sind seit der Veröffentlichung des Vorgängeralbums „Optica“ vergangen. Nun ist das fünfte Album der sympathischen Schweden erschienen – und man hat das Gefühl alte Freunde zu treffen, die einen zu einer Zeit im Leben immer mal wieder begleitet haben.
Die Shout Out Louds haben Ihre mehrjährige kreative Auszeit für Familiengründung und Soloprojekte genutzt. So hat Frontmann Adam Olenius eine Solo EP veröffentlicht und die bezaubernde Bebban Stenborg war mit Ihrem Projekt „Astropol“ unterwegs. Von Oktober 2016 bis März 2017 spielten die vier Bandmitglieder die jetzige Platte ein und ließen ihre Fans auf Instagram fleißig an der Produktion im eigenen Bandkeller teilhaben.
„Ease My Mind“ – so viel ist schnell klar – schließt nahtlos an das Vorgängeralbum an. Längst vorbei sind die Zeiten der Schrammelindieklassiker a la „Please Please Please“, denn mittlerweile stehen die Shout Out Louds für tolle Melodien und guten Indiepop. Das neue Album wirkt jedoch weniger verspielt und ist diesmal an manchen Stellen leider zu gefällig. Wirklich Neues begegnet einem beim Hören nicht, aber bekanntes Gutes. Die Shout Out Louds konzentrieren sich mit dem Album auf ihr Kerngeschäft. Die Lieder handeln von eher harmlosen Themen wie Sehnsucht, Liebe und Hoffnung und sind durchgängig geprägt von einer dichten und melancholischen Atmosphäre und einem 80er-Jahre-Retro-Gewand. Aber wenn die tolle Bebban in dem guten aber kitschigen Song „Ease my mind“ einem anbietet: „Leave your dreams, I`ll give you new ones, come over“, dann ist man schon mehr als geneigt dem nachkommen zu wollen. Immer wieder begegnen einem zwischen den durch elektronische und akustische Elemente geprägten Songs kleine klebrige Melodien, die einem dann doch im Ohr bleiben(„Porcelain“). Das Album ist der perfekte Soundtrack, um vielleicht vor dem Wintereinbruch noch einmal die milde Herbstsonne zu genießen oder schon den nächsten Urlaub herbeizuträumen („Jumbo Jet“).
Die Schweden erneuern mit diesem Album das Versprechen für richtig guten Indiepop. Jedoch ist das Album an vielen Stellen musikalisch zu zurückhaltend, sodass die Songs Gefahr laufen zur bloßen Hintergrundmusik zu verkommen. Wer sich trotzdem von den Livequalitäten überzeigen möchte, kann die Shout Out Louds auf ihrer kommenden Tour im Oktober auch in Deutschland erleben (München: 09.10.17/Erlangen: 10.10.17/ Leipzig 11.10.17/ Köln: 12.10.17 /Hamburg: 13.10.17/ Berlin: 14.10.17)
VÖ: 22. September 2017, Sony Music Enterntainment Sweden, www.shoutoutlouds.com
Ohr d’Oeuvre: Paol/ Ease my mind/ Crying Game
Gesamteindruck: 7,0/10
Tracklist: Jumbo Jet / Paola / Porcelain/ White Suzuki / No Logic / Ease my mind / Oh Oh / Throw Some Light / Crying Game/ Angel/ Souvenirs
(ml)