Illegale Farben – Grau
Gerade mal 17 Monate ist das selbstbetitelte Debut ILLEGALE FARBEN alt und schon diverse Male hatten wir seitdem das Vergnügen die fünf Kölner live zu erleben. Die Bühnenqualitäten dieses Quintetts, allen voran von Frontman Thom, sind unfassbar und sie steigern sich immer noch weiter. So verhält es sich auch mit ihrem, am Freitag erscheinenden zweiten Album GRAU.
Mit diesem gelingt Illegale Farben ein mehr als würdiger Nachfolger zum 2015er Debut und Rookie Records erweisen sich wieder einmal als Label der Stunde, welches es versteht das Potential solcher Bands zu erkennen und ihnen dann den Raum zu lassen, den sie zur Entfaltung brauchen.
Der Titel der Platte ist zwar inhaltlich Programm, sollte aber nicht zu ernst genommen werden, denn so „illegal“ farblos wie es klingt, ist GRAU gar nicht. Vielmehr kitzelt die Band alle potentiellen Spielarten ihrer Möglichkeiten heraus. Ein fast schon bunter musikalischer Strauß mit vielleicht grauer Thematik, aber musikalisch breit gefächerten Blüten, von Wavepunk, über NDW, Indie und auch mal nah am Pop, wie in „Was passiert“. Sehr experimentierfreudig und extrem kreativ kommt GRAU daher. Das verzerrte Harmonium zu Beginn von „Marsch ins Verderben“ zerreißt einen förmlich und der gnadenlose NDW Beat in der ersten Singleauskopplung „Kein Problem“, treibt einen nur so vor sich her. Ziemlich weit vorne ist auch „Sirenen“, bildet es doch eine fast schon romantische Einheit aus Text und Musik. Und dann ist da noch diese Gesangsreminiszenz an Rio Reiser in „Moor“. Dort klingen Illegale Farben wie Reiser, ohne dabei aber zur Kopie zu mutieren, sondern stattdessen ihre eigene IF – typische Frische und Eigenheit ins Ziel zu bringen.
Mit GRAU schaffen sie genau den Nachfolger, den wir uns für sie gewünscht haben. Rauer, etwas düsterer, vielschichtiger und wesentlich näher an den Live Farben, als es das Debut war. Die enorme Energie und diese große Portion Rotzigkeit bringen sie jetzt auch zu 100% auf die Platte. Und auf der Bühne dürfte sich das erfahrungsgemäß nochmals steigern. Wir jedenfalls freuen uns schon sehr darauf. Also alle hin, wenn es am 18. November 2017 nicht Blue, sondern GRAU Shell in Köln heisst.
VÖ: 13. Oktober 2017, Rookie Records, http://www.illegalefarbenmusik.de
Ohr d’Oeuvre: Sirenen/ Marsch ins Verderben/ Moor
Gesamteindruck: 9/10
Tracklist: Marsch ins Verderben/ Viel zu viel/ Sirenen/ Was passiert/ Die große Stille/ Ein kurzer Augenblick/ Kein Problem/ Schneeweiß/ Problemzone Mensch/ Frequenz/ Willkommen im Tunnel/ Moor
(gb)
Wanda – Niente
Winterspaziergang im Prater anstatt heißer, durchzechter Sommernächte in Bologna – Wandas neues Album ist für die junge Bandgeschichte der Wiener Jungs eine kleine Zäsur. Gut so, denn wie beim Vorgängeralbum BUSSI konnte es nicht weitergehen. Mit dem neuen Album scheint der Rausch nun vorerst ein wenig abgeklungen. Wanda klingen auf NIENTE erwachsener, ernster und vor allem: besser.
Der künstlerische Output der fünf Österreicher ist enorm: Nach zwei regulären und einem Live-Album ist nun am Freitag das dritte Studioalbum in vier Jahren erschienen. Und so schnell wie Wanda Alben schreiben, scheint auch der exzessive und zur Schau gestellte Lebenswandel zu sein. So schnell, dass man als geneigter Hörer Angst hat, dass die Flamme zwar besonders heiß, aber auch besonders schnell abbrennt.
Unter all das Lob, das sich seit dem Debüt 2014 regelmäßig über die Band ergießt, mischten sich aber auch andere Töne. Wanda wurden auf Grund der Texte und Äußerungen Chauvinismus und Banalität vorgeworfen, welche ihren Höhepunkt in einer Rezension von Stefanie Sargnagel in der Süddeutschen Zeitung im Dezember 2015 fanden. Wanda polarisiert. Diese Stimmen wird das neue Album jedoch beruhigen. Wanda ist auf NIENTE ruhiger, dunkler und erwachsener. Die Wiener beschäftigen sich weniger mit Schnaps und Frauen, sondern auf einmal mit Themen wie Kindheit und Jugend („0043“, „Schottenring“, „Das Ende der Kindheit“). Die vorab veröffentlichte Single des Albums „0043“ besingt die Vorwahl Österreichs und ließ bereits vermuten, dass dieses Album musikalisch und textlich etwas anders wird. Und am Ende wird sogar Wanda-untypisch nicht gelebt, sondern unter Begleitung mehrerer Streicher gestorben („Ich sterbe“). Apropos Streicher. Auch musikalisch sind die Österreicher feiner geworden. Die Gitarren klingen präziser, die Lieder besser arrangiert und musikalisch vielfältiger. Aber keine Angst. Amore und Kneipe („Lascia mi fare“) sind auch auf diesem Album zu finden.
Drohten die Österreicher mit dem zweiten Album ein wenig Richtung Belanglosigkeit abzurutschen, schaffen sie es mit diesem Album ihr künstlerisches Profil zu schärfen. Wanda ist eine relevante Stimme unter den vielen Weichspüler-Indie-Punk-Pop-Bands. Es bleibt daher zu hoffen, dass Wanda – trotz des Lebenswandels – uns in dieser Form noch lange erhalten bleiben.
VÖ: 6. Oktober, Vertigo Berlin (Universal Music), www.wandamusik.com
Ohr d’Oeuvre: 0043/ Lascia mi fare/ Café Kreisky/ Ich sterbe
Gesamteindruck: 9 /10
Tracklist: Weiter, weiter/ Columbo/ 0043/ Lieb sein/ Wenn du schläfst/ Schottenring/ Lascia mi fare/ Das Ende der Kindheit/ Café Kreisky/ Einfacher Bua/ Ein letztes Wienerlied/ Ich sterbe
(ml)
Medialinks zu Illegale Farben – Grau
Medialinks zu Wanda – Niente