Boah, unsere eingesperrten Redakteure haben eine Runde Europareise gespielt….
Über polnischen Bergbaufolgelandschaften….
Coals -Tamagotchi
Mit dem gefräßigen, digitalen Monster hat das Album des polnischen Elektroduos wenig zu tun. Ähnlich wie geistesverwandte Acts wie Soap & Skin oder Jenny Hval mischen Katarzyna Kowalczyk und Łukasz Rozmysłowski dunkle Synthieteppiche über träge dahin laufende Hip Hop Beats und erschaffen einen hypnotischen Mix aus Dreampop und Shoegaze, der wahlweise durch weltabgewandten Gesang etwas leicht feenhaftes gewinnt oder durch dahingerappte Vocals wie in „Hauntology“ einen hippen Alt – J – Touch bekommt. Zwar ist die Grundstimmung melancholisch und die Heimat des Duos ist das wenig pitoreske Steinkohlerevier Schlesien in Polen, aber die Soundlandschaften haben nichts mit depressiven Bergbaufolgelandschaften zu tun. Viel mehr meint man behäbig auf Wolken über der Landschaft zu kreisen. Unterbrochen wird dies wie in „90’s Babis“ von poppigen Singer – Songwriteranleihen. Im Oktober auf Deutschlandtour in teilweise sehr kleinem und intimen Rahmen, was aber stimmig sein dürfte, werden die Zuschauer doch auf eine Soundreise weg von der herbstlichen Realität mitgenommen.
VÖ: 13.Oktober 2017, AdP Records
Ohr d’Oeuvre: Going to Rave Alone (intro)/ S.I.T.C / Hauntology
Gesamteindruck: 7,5/10
Das Alpenglühen…
Midriff -Decisions
In Österreich ticken die Uhren schon immer etwas anders, so scheint hier das Gitarrensolo noch überlebt zu haben und sich die Neogrungewelle erst langsam zu entladen, wie im Pearl Jam Gedächtnis Riff auf „Walls down“. Midriff pendelt zwischen zwei Polen. Da sind die eher behäbig daher kommenden Tracks, die aber durch durch ihre Gitarrenwände eine Mächtigkeit gewinnen, wie dies in den Anfangstagen von Soundgarden war – Hardrock in Zeitlupe. Dann pendeln Midriff zur anderen Seite und adaptieren handwerklich gut den 1980er Powerhardrock von Acts wie Accept, der durch seinen Drive und seine Melodiösität überzeugt, allerdings immer an der Schwelle zum Klischee wandelt. Meist aber bekommen Midriff immer die Kurve zur richtigen Seite und überzeugen mit warmen Melodien und Gesang zwischen Radio und Stone Temple Pilots. Kann man sich größtenteils gut anhören und Songs wie „Stars Falls“ taugen denn auch zum geheim gehaltenen Lieblingshit.
VÖ: 20.Oktober 2017, TwoEleven / Record Jet & Soulfood
Ohr d’Oeuvre: Stars Falls / I’m not done/ I’m Scared
Gesamteindruck: 5,5/10
Das luftige Landleben….
Carrousel- Filigrane
Gerade ist der Sommer vorbei und man hat noch all die Leute auf den Uniwiesen vor sich, die beschwingt Zaz Hits singen, Rotwein trinken und irgendwie alternativ wirken. Carrousel haben eine Platte gemacht, die in Teilen die Wartezeit auf das nächste Machwerk der großen Schwester im Geiste verkürzen dürfte. Eine Platte wie ein Frankreichurlaub, beschwingt, melancholisch, leichter im Sein als man es hierzulande gewohnt ist. Das Duo, was in Frankreich schon größerer Kreise zieht und es in Deutschland mit dem Überhit der letzten Platte „Eva“ auch schon in unserer Lieblingssendung Morgenmagazin auftreten durfte, spielt einen dynamischen Folkpop mit einfachen aber bleibenden Melodien, die auch ihren Artverwandten von The Melody gut stehen würden. Besinnen sich Carrousel auf die Einfachheit, kommen wunderbare, beschwingte, leicht melancholisch angehauchte Songs dabei heraus, die einem diese Leichtigkeit, langer, endloser Sommernächte zurück geben und die Wartezeit bis zum nächsten Urlaub versüßen werden.
VÖ: 29.September 2017, Jazzhouse Records
Ohr d’Oeuvre: Elle danse / Papier buvard/ Dans ta foulee
Gesamteindruck: 6,5/10