HOPE – s/t
Manche Alben hört man und ist sich direkt sicher, wie man die Musik findet. Manche Alben hört man mehrfach und es fällt schwer, sich eine Meinung über das Gehörte zu bilden. Hope aus Berlin liefern mit ihrem selbstbetitelten Debüt ein düsteres Stück Musik, das man zunächst in zweitere Kategorie einsortiert.
Auf den ersten, zweiten und mindestens dritten Blick zu verschlossen, zu experimentell, zu düster ist das, was einem da aus den Lautsprechern entgegen wummert. Man täte der Band aber Unrecht, würde man das Album aufgrund mangelnder direkter Zugänglichkeit in die Ecke legen. Denn meist sind es die unzugänglichen, geheimnisvollen Dinge, die am Ende eine besondere Anziehungskraft entwickeln. So ist es auch mit dem auf Haldern Pop Recordings erscheinenden Debüt von Hope. Es braucht mehrere Anläufe und eine gute Portion Geduld, bis sich einem die düstere Atmosphäre des Albums erschließt und dann auch erst einmal nicht mehr loslässt. Kommt einem beim erstmaligen Hören der Gedanke: „Was haben sich die Jungs aus Haldern denn dabei gedacht, eine Band, die man – Schublade auf – irgendwo zwischen Industrial, Dark Wave und Noise verorten würde, unter ihre Fittiche zu nehmen?“
Es wird ziemlich sicher eben dieses Fordernde, düster Verschlossene sein, das das Haldern Pop Label zu diesem Schritt veranlasst hat. Denn gibt man dem Album die Zeit, die es verdient, entwickelt sich eine irgendwie nicht erklärbare Anziehungskraft für ihr Debüt. Diese ergibt sich daraus, dass man die Songs unweigerlich zunächst in obige Schubladen stecken würde, das Geheimnisvolle, das die Songs umgibt, aber irgendwie mehr an Portishead als an Bands aus dem Industrial Kontext erinnert. Untermauert wird dieser Eindruck durch das Schwarz, das bei Hope allgegenwärtig ist. Im Zusammenhang mit ihren teils dystopisch anmutenden Soundfragmenten, getragen von der manchmal fordernden, manchmal zerbrechlichen Stimme von Sängerin Christine Börsch-Supan, entwickeln die Songs auf Hopes Erstling eine Wucht, die beim Hörer geradezu ein Gefühl körperlicher Beklemmungen auslöst. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, entwickelt das von Olaf Opal produzierte Album eine nicht fassbare Faszination, die einen unweigerlich dazu bewegt, das Album wieder und wieder zu hören.
VÖ: 20. Oktober 2017, Haldern Pop Recordings, www.thisishope.de
Ohr d’Oeuvre: A Perfect Match/ One by One/ By The Sea
Gesamteindruck: 7/10
Tracklist: Kingdom/ Cell/ Raw/ Skin/ Glass/ Drop Your Knives/ Moths And Birds/ Here Lies Love
(at)
Nick Cave & Warren Ellis – Wind River
Die kongeniale Zusammenarbeit von Nick Cave und Warren Ellis zeigt sich seit über 20 Jahren bei den Bad Seeds. Als kreatives Rückgrat der Band überzeugen sie seit Jahren auf hohem Niveau, wobei weniger bekannt sein dürfte, dass sie nebenher seit Anfang der 2000er in schöner Regelmäßigkeit Filme vertonen. In diesem Herbst veröffentlichen sie während ihrer Tour mit den Bad Seeds die Filmmusik zu Wind River.
Beim ersten Anhören überrascht, dass vermeintlich unbekannte Stücke, die auf dem Düsseldorfer Konzert der Bad Seeds gespielt wurden, vom OST WIND RIVER stammen. Auch wenn die Besprechung eines Soundtracks etwas schwierig ist, wenn man den Film nicht gesehen hat, so ist es bei dem OST WIND RIVER durchaus möglich. Der Soundtrack mit seinen 23 Stücken und Musikfragmenten läßt durch seine Intensität und Dynamik regelrecht Filmszenen im Kopf des Hörers entstehen. Szenen, die schier ausweglose, bedrückende Situationen beschreiben, denen der Hörer vollkommen ausgeliefert ist. Mit dieser Intensität steht der Soundtrack im direkten Bezug zu dem letzten Album der Bad Seeds, SKELETEON TREE. Bei dem Album verarbeitet Cave musikalisch den Unfalltod seines Sohnes . Es hat ein Alleinstellungsmerkmal unter allen Alben der Bad Seeds, indem bei allen Stücken negative Emotionen einfließen. Dadurch erhält es einen eigenen Charakter und entwickelt eine depressive Eigendynamik in der Musik.
Einen vergleichbaren Ansatz nutzen Cave und Ellis bei dem OST WIND RIVER. Allerdings bildet die Natur mit ihren Elementen und unbändigen Kräften und nicht der Tod den Rahmen für Songs. Im Gegensatz zum Songwriting bei den Bad Seeds beschränken sie sichdie beiden Songwriter bei der Instrumentierung fast gänzlich auf Geigen und Tasteninstrumente. Gelegentlich ergänzen Synthesizer, andere Saiteninstrumente, Samples und Chöre die Stücke. Caves Stimme verschwindet bis auf einige, wenige Male im Hintergrund und überlässt somit den Instrumenten die Bühne. Diesen füllen und verarbeiten in den Stücken Erfahrungen, die ein Mensch mit und in der Natur machen kann. Wenn sich dem Hörer ein Zugang zu der Musik erschlossen hat, wird er nicht mehr von ihr losgelassen, verfängt sich in ihr und geht emotional in dem Album auf. Bezeichnenderweise findet sich im klassischen Sinne eines Songs nur ein einziges Stück mit „Three Season In Wyoming” auf dem Album. Selbiges ist aber ein kleines Meisterwerk. Durch Streicher, Chöre und Caves Stimme entwickelt es einen Spannungsbogen und zieht den Hörer soweit in seinen Bann, dass er den negativen Gefühlen nicht entfliehen kann.
Die anderen Stücke auf dem OST WIND RIVER sind eher als Fragmente zu sehen, die zwar in sich geschlossen sind, aber nicht im klassischen Sinne als Song zu verstehen sind. Aus diesem Grunde ist es absolut ratsam den Soundtrack in Gänze zu hören, um sich seiner Dynamik und dem damit verbundenen Flow nicht zu entziehen. In dem Fall ist der OST WIND RIVER der ideale Begleiter für regnerische, eisige, dunkle Herbstabende.
VÖ: 20.10. 2017, PIAS
Ohr d’Oeuvre: Three Season In Wyoming
Gesamteindruck: 7,0/10
Tracklist: Snow Wolf/ Zed/ Tell Me What That Is/ First Journey/ First Body/ Second Journey/ Breakdown / Never Gonna Be The Same/ Hunter/ Meth House/ Bad News/ Third Journey/ Second Body/ Lecture/ Corey’s Story/ See You Tomorrow/ Three Season In Wyoming/ Cabin/ Shoot Out/ Snow Flight /Memory Time/ Survive Or Surrender/ Wind River
(KOF)