Stars – There is no love under fluorescent light
Gute Nachrichten für alle Freunde der Sternenkunde: Stars haben mit THERE IS NO LOVE UNDER FLUORESCENT LIGHT ihr nunmehr neuntes Studioalbum veröffentlicht und finden trotz einiger Schwachstellen zu alter Stärke zurück.
Seit ihrer Gründung im Jahr 2000 versorgen uns die sympathischen Kanadier in regelmäßigen Abständen mit bodenständigem Indie-Pop. Das heißt jedoch nicht, dass Stars sich nie künstlerisch ausprobiert hätten: Wir hörten in den vergangenen Jahren schon Songs, die mit orchestraler Untermalung ihre Aufwartung machten, um kurze Zeit später ein Disco-Album von der Band präsentiert zu bekommen. Mit ihrer neuen Platte begeben sich die Stars jedoch wieder in sicheres Fahrwasser und zelebrieren ihren typischen Sound.
Großartig war schon immer der Mix aus dem kühlen und zurückgenommenen Gesang von Torquil Campbell und dem süß-poppigen Gesang von Amy Millan. Getragen werden die Songs von breiter Instrumentierung, elektronischen Effekten und warmen Melodien sowie den coolen Riffs verzerrter Gitarren. Nicht selten bauen sich die Lieder Schicht um Schicht auf, um dann in krachenden und opulenten Arrangements zu enden. Besonders stimmig sind Stars wenn sich der Gesang von Amy Millan und Torquil Campbell nach Wechselgesang vereint („We called it love“) – diese Stimmen scheinen sich gesucht und gefunden zu haben.
Schon der Opener „Privilege“ besticht am Anfang durch einen einfachen Beat und die süß-verhuschte Pop-Stimme von Amy Millan, um dann in einem rockigem Refrain und gewollt disharmonischen Gitarrenklängen zu enden. Laut, tanzbar und gitarrenlastig wird es dann mit „Real thing“, eines der Highlights auf THERE IS NO LOVE UNDER FLUORESCENT LIGHT.
Bei aller Schwärmerei für die Band gehört jedoch auch zur Wahrheit, dass sich mit beispielsweise „California, I love that place“ und „Alone“ auch einige sehr schwache Stücke auf dem neuen Album befinden, die musikalisch zu harmlos, dünn und fad sind. Als kleine Zugabe für die Fans haben die fünf Stars eine Dokumentation veröffentlicht: “An evening with Stars“ zeigt die Band bei einem gemeinsamen Abendessen im Restaurant, welches doch eher an ein typisches Familienessen erinnert. Gesprochen wird natürlich über das neue Album und Anekdoten der Band. Der Beobachter erfährt, dass sich die Band vor allem nicht zu ernst nimmt und sehr bodenständig geblieben ist.
An die großartigen Alben SET YOURSELF ON FIRE dem Jahr 2004 und dem Doppelalbum IN OUR BEDROOM AFTER THE WAR aus 2007, die nach Meinung des Autors fest in den Indie-Kanon gehören, kann das neue Album nicht anschließen. Trotzdem gelingt den Spezialisten für Kühle und Kitsch ein toller Tonträger mit guter Musik und solidem Indie-Pop,
VÖ: 13. Oktober 2017, Last Gang Records, www.youarestars.com
Ohr d’Oeuvre: Privilege/ We called it love/ Real thing
Gesamteindruck: 7/10
Tracklist: Privilege/ Flourescent light/ Losing to you/ Hope Avenue/ Alone/ We called it love/ Real thing/ The gift of love/ On the hills/ The maze/ California, I love that name/ Wanderers
(ml)
Shamir – Revelations (Father/Daughter Records)
Shamirs Track „On the regular“ war im Herbst 2014, also vor Ewigkeiten im Popbetrieb, DER heiße Scheiß der Stunde. Mit Albumrelease auf XL Recordings und Platzierungen auf diversen Jahresbestenlisten. Der Hit wurde, wie man das so macht, weiterentwertet im Trailer zum EDM Schwachsinn „We are your friends“. Die übliche Musikindustriemaschinerie eben.
Der Plattenvertrag bei XL war jedenfalls schnell wieder Geschichte. Es sollte jedoch kein Jahr dauern, da veröffentlichte Shamir ohne Label im Rücken, bereits einen Nachfolger zu RATCHET, eine karge 4-Spur Lo-Fi Platte mit dem Titel HOPE, die eine Abkehr von der Popmusik darstellen sollte. Möglicherweise überlegte er damals sogar komplett mit der Musik aufzuhören. Die Talsohle war aber leider noch nicht durchschritten. Nach der endgültigen Trennung von seinem Management folgte ein Psychiatrieaufenthalt, letztendlich die Diagnose „bipolare Störung“.
Zurück in seinem Heimatort Las Vegas nahm Shamir dann sein drittes Album REVELATIONS innerhalb von wenigen Wochen auf. Es ist definitiv keine Rückkehr zu den Popwurzeln, die Songs sind nicht ausproduziert. Seine charakteristische, androgyne Stimme fasziniert jedoch mehr denn je. Auch textlich ist das Album sehr interessant. In der ersten Single der Platte „90’s Kids“, fordert er grimmig: „Put a drink in the air for the college girls and boys, paralyzing anxiety is just a chore.“ Und dann im Refrain:„Fuck you, we out here struggling.“ Im besten Song der Platte „Straight boys“ zieht er Bilanz: „I always seem to let these straight boys ruin my life.“
Die Platte hat definitiv Wachstumspotential und wäre eine gelungene Debütveröffentlichung. So ist es eben bereits die dritte Platte eines aufstrebenden Künstlers, der seinen Platz in der Musikwelt noch zu suchen scheint.
VÖ: 03. November 2017, Last Gang Records, Father/Daughter Records www.fatherdaughterrecords.com
Ohr d’Oeuvre:
Gesamteindruck: 6,0/10
Tracklist: Games/ You Have A Song/ 90’s Kids/ Her Story/ Blooming/ Cloudy/ Float/ Astral Plane/ Straight Boy
(bk)
Lasse Matthiessen – When we collided
Eigentlich kann man das Musikjahr beenden, bei Anbruch von Minute 1:16 im Titelstück „When we collided“ der neuen EP von Lasse Matthiessen.
Im Duett mit der Amerikanerin Sara Hartmann schraubt sich die dunkle Stimme des Dänen zu einem wunderschönen Refrain, der die ein oder andere Träne ins letzte Bier am Abend tropfen lassen sollte. Die Geschichte, die sich um ein zufälliges, nächtliches Zusammentreffen dreht, wird nur reduziert begleitet von der gezupften Gitarren, was den Stimmen den nötigen Entfaltungsraum gibt. Der Rest der EP dagegen legt diese Reduziertheit ab und trumpft mit einem teilweise hypnotischen, stimmungsvollen Folksound auf, der durch Matthiessens Stimme einen dunklen, abgründigen Charakter erhält und den Songs ihre Einzigartikeit verleiht. Man bedauert es im ersten Moment, dass er die Reduziertheit von „When we colldied“ nicht über die ganze Platte erhält, aber spätestens „Broken Choir“ mit seinen ausufernden und schwelgerischen Arrangements zeigt, dass diese Fortentwicklung im Sound seine volle Berechtigung hat. Zum Schluss findet er dann in „Alchemist Fire“ wieder zurück zu seiner Akustikgitarre, mit der er den Hörer in einer Mischung aus Melancholie und Glück in die Nacht entlässt.
VÖ: 10.November 2017, Zpektakel Records
Gesamteindruck: 8,0/10
Tracklist: When we collided (feat. Sara Hartmann)/ Sycamore Tree/ Sorte Soer/ Broken Choir/ Alchemist Fire
(pd)