Als erstes fällt der Besucher ins Auge, der sich extra ein Buch mitgenommen hat, in welchem er interessiert liest, auch noch während das Konzert startet. Man kann nur hoffen, dass die Literatur ihn nicht ganz eingenommen hat in den kommenden 90 Minuten und er den Fleet Foxes auch etwas Aufmerksamkeit zugesteht.
Das Palladium ist angenehm, zu zwei Dritteln gefüllt und überraschenderweise ist der Sound perfekt. So wird der Band aus Seattle und ihren feinfühligen Arrangements der angemessene Rahmen geschaffen. Hinter der Band ist eine überdimensionale Leinwand gespannt, auf der die Projektionen zwischen schwarz-weißen, geometrischen Formen und hell leuchtenden Sonnenaufgängen wechseln. Ein visueller Trip, der zumeist perfekt auf die Emotion der Songs abgestimmt ist. Und dieser ist im ersten Drittel erschlagend! Die Songs vom neuen Album CRACK UP leben von ausufernden, komplexen Strukturen und Stimmungswechseln, welche es sogar schaffen die wunderbare Stimme von Robin Pecknold in den Hintergrund zu verbannen. Das ehemalige Blood Brother Mitglied und Multiinstrumenatlist Morgan Henderson wechselt wild die Instrumente von Posaune zu Gitarre, zu Kontrabass und zurück. Ein Trip in den Progrock der 70er und ein Kontrast zu den eher reduzierten, folkigen Songs der ersten beiden Alben, die nach rund einer halben Stunde sich erst verhalten und dann immer offensiver ihren Platz im Set suchen. Dieser Kontrast in der Sound- und Ideeendichte läßt sich auch an den Reaktionen des Publikums ablesen. Während des ganzen Konzerts wirken die Besucher hoch konzentriert, allerdings anfangs auch einigermaßen erschlagen von den auf sie einprasselnden Eindrücken, so dass meist nur die Kraft zu einem freundlichen Applaus bleibt. Diese Konzentration schlägt in Euphorie um, als Songs wie „Blue Ridge Mountains“, das solo vorgetragende „Oliver James“, „Montezuma“ oder „Mykonos“ erklingen. Und auch die Band wirkt ab dem Moment gelöster, macht Peckhold ein paar Ansagen und nimmt seinen offensichtlich großen Wasserdurst auf die Schippe. Ein Höhepunkt ist, als die Bühne zum Sternenhimmel wird und man meint durch die Galaxie zu schweben. Wie gesagt ein Trip, visuell und vom Sound her in die 70er. Wobei die Musikalität und das Talent mit denen die Band ihre Ideen und Visionen umsetzt, positiv überrascht. Da dies mit einer gewissen Spielfreude einhergeht, ist es nicht nur ein hochmusikalischer, sondern vor allem ein begeisternder Abend im Palladium. Zugleich weiß man, warum den Fleet Foxes auch eine fast sechsjährige Auszeit so schnell nichts anhaben kann. Bringen sie all die Qualitäten des heutigen Abends auf die Bühne, werden sie noch lange, auch jenseits von allem Zeitgeist, erfolgreich sein.
Foto: Proper