Wenn ich mir die Veranstaltung des kommenden Solokonzertes von Wolf Maahn in der Desktop-Ansicht auf Facebook ansehe, werden mir am rechten Bildrand Konzerte von den üblichen Verdächtigen des deutschen Muckerrocks angezeigt. Natürlich ist Klaus „Major“ Heuser dabei. Irgendwie machen mich diese Künstler immer etwas traurig. Ihre großen Jahre liegen oft schon einige Zeit zurück. Oder gehörten sie eher zur zweiten Reihe. Ihre handwerklichen Qualitäten wurden meistens nie angemessen gewürdigt. Das möchte ich heute mal ändern.
Meine erste Begegnung mit Wolf Maahn muss irgendwann in den späten 80ern, in meinem Heimatort im Bergischen Land, stattgefunden haben. Der ältere Bruder meines damaligen besten Freundes besaß neben einer anschaulichen Sammlung von bizarren, erotischen Computerprints auch ein Poster mit einem salutierenden Schimpansen in Fliegeruniform, unter dem „WOLF MAAHN & DIE DESERTEURE“ stand. Kurze Zeit später flog dann dieses Atomkraftwerk in der weit entfernten Sowjetunion in die Luft. Als meine Mutter mir darauf untersagte, den Rasen zu mähen, kam mir das Ganze doch etwas seltsam vor. Und einige Wochen später lief andauernd dieses seltsame Lied im Radio, mit dem noch seltsameren Refrain: „Oohoho Tschernobyl. Das letzte Signal vor dem Overkill. Heh, heh, stoppt die AKW´s! Heh!“ Natürlich von Wolf Maahn. Spätestens jetzt war ich wirklich neugierig.
Die Karriere des Wolf Maahn beginnt im Jahr 1976. Damals gründet er die FOOD BAND. Helmut Zerlett war auch mal kurz dabei. Bevor man sich 1981 wieder auflöst, kann Maahn sich bereits den ersten WDR Rockpalast Auftritt und verschiedene Supportgigs, u.a. für Bob Marley und FLEETWOOD MAC von der Bucket List streichen.
1982 erscheint dann sein Debüt „Deserteure“. In Bezug auf die Texte sicherlich seine bis heute beste Platte. Der New Wave Einfluss von angesagten Bands wie den TALKING HEADS ist nicht zu überhören. Und bereits hier zeigt Maahn, was er am besten kann. Wahrscheinlich gibt es in Deutschland keinen besseren Songwriter, wenn es darum geht, eine eingängige Melodie, basierend auf einem Reggaeriff, anzulegen. Hätte Maahn seine Dienste der deutschen Industriemusik angeboten, wäre er wahrscheinlich längst mehrfacher Millionär. Der Spiegel schrieb damals: „Wolf Maahn, 27, singt und spielt unverdrossen gegen diese Flachwelle an – mit solidem Hand- und schwarzem Mundwerk.“ Da hat der Spiegel wohl Recht gehabt. Wahrscheinlich waren Maahn und BAP tatsächlich mal in den frühen 80ern die geilsten Acts in Deutschland, wenn man amtliche Rockmusik und nicht dieses avantgardistische Kunstgedöns bevorzugte.
Auf der 1982er Tour von Roxy Music werden WOLF MAAHN & DIE DESERTEURE als Support gebucht. 1984, nachdem er Album Nr. 3 „Irgendwo in Deutschland“ veröffentlicht, darf er sogar ins Vorprogramm von Robert Bob Zimmerman. Was dann in den nächsten Jahren folgt, würde hier den Rahmen sprengen. Deswegen fasse ich es nur stichwortartig zusammen: erster deutscher Act in der in 17 europäischen Ländern live ausgestrahlten 15. Rockpalast Nacht, Rock am Ring Center Stage Act neben FLEETWOOD MAC, Komponist des Scores vom zweiten Kino-Schimanski-Spektakel ZABOU, Veröffentlichung einer 3er Vinylbox des Livealbums „Rosen im Asphalt“ (fast so groß wie die Liveplatte vom Boss damals).
1989 hab ich mir dann in einem Plattenladen in der Leverkusen-Opladener Fußgängerzone namens „Ohrenblickmal“, seine neue Scheibe „Was?“ gekauft. Dort gab es eine unerschöpfliche Menge an Schallplatten, die der nette Ladenbesitzer für ein paar Mark verhökerte. Dort kaufte ich auch 1988 das Debüt von UB 40 für 2,99. Offiziell hörte man damals natürlich eher so Bands wie BAD RELIGION. Aber man muss ja nicht alles an die große Glocke hängen. Wenn man mit 13 in Cowboystiefeln in die Schule ging, war aber auch eh alles egal. Besonders beeindruckend fand ich den Hinweis in der LP, dass man die anscheinend ziemlich leise gemischt hätte und man die beim Hören jetzt verdammt nochmal ordentlich aufdrehen sollte. Das gefiel mir sehr.
Einige Jahre, Grunge und Nu Metal später, hatten Wolf und ich uns aus den Augen, bzw. Ohren, haha, verloren („Ohrenblickmal“ war längst geschlossen). Dann gab es im Rahmen einer WDR-Rocknacht ein Unplugged Konzert von ihm. „Direkt ins Blut (Un)plugged“ war der Titel der Show. Der Typ war diesem Bob Geldof musikalisch auf jeden Fall ebenbürtig. Wenn nicht sogar besser, weil weniger nervig. Geldofs Single „The Great Song of Indifference“, zu der man auf verschiedenen Dorfdiscos damals unfassbar groteske Tanzreigen, die nur von den Darbietungen zu NEW MODEL ARMYs Live-Version von „Vagabonds“ übertroffen wurden, aufführte, nervte jetzt schon seit Jahren. Maahn war auf jeden Fall ein Guter und kein Angeber.
Anscheinend hat er jetzt auch genau in dem „Milieu“ der „ehrlichen Livemucker“, seinen Platz gefunden. Alle Jahre haut er ein solides Studioalbum raus, dem dann gefühlt zwei Liveplatten folgen. Diese sind dann tatsächlich technisch immer auf wirklich hohem Niveau. Bis auf seine große Fangemeinde interessiert das leider nicht mehr so viele. Aber vielleicht ist die Geschichte noch nicht zu Ende erzählt. Maahn tauchte doch tatsächlich im letzten Jahr im Line-Up des Haldern Pop auf. Eine gute Gelegenheit für eine neue Generation, einen der besten deutschen Musiker zu entdecken. Jedem/jeder jungen Songwriter/in kann man nur ans Herz legen, sich mit Maahn zu beschäftigten. Der lässt zum Beispiel, wenn ihm keine gute Bridge einfällt, einen Song auf mal ein paar Jahre auf Eis liegen.
Kommenden Freitag spielt Wolf Maahn solo in der Kultukirche Köln. Tickets gibt es noch unter