Great Escapes – SHIVERS & SHIPWRECKS
Nein, hier geht es nicht um das Festival in Brighton, UK, sondern um die Emo-Punk-Band Great Escapes aus Spelle/ Hopsten, das liegt wohl irgendwo in der Provinz des südlichen Emslandes.
Gerade einmal ein Jahr nach ihrer Bandgründung nehmen Maik Pohlmann, Maik Osterhage und Frederik Tebbe 2015 ihr Debütalbum TO MY RUIN I’LL GO GLADLY auf. Die Songs wirken zum Teil noch nach etwas überladenen ersten Gehversuchen, lassen aber schon deutliches Potenzial erkennen. Das schöpfen die Great Escapes auf ihrer EP SHIVERS & SHIPWRECKS aus und konzentrieren sich auf das Wesentliche: ein treibendes Schlagzeug, ein melodischer Bass, eine schön verzerrte Gitarre und dazu der raue Gesang von Tebbe. Melodischer Emo-Punk mit Alternative- und Post-Punk-Einflüssen. Das steht ihrem Sound ausgesprochen gut.
Wer kennt das nicht? Der Alltag fühlt sich an wie ein Sumpf aus Arbeit, Rechnungen und Verantwortung. Eine Deadline jagt die nächste und irgendwie fühlt sich leben nur noch nach funktionieren an. Genau davon handelt der nach vorne preschende Opener “The Walking Deadline”: “Every deadline surely shortens your lifeline. Will you come away with me for a lifetime?”. Darauf folgt “Noisy”, eine wütende Punk-Tirade gegen Leute die nicht zuhören aber trotzdem zu allem eine Meinung zu haben scheinen: “How many times have I thought fuck you today?”. Tebbes Texte sprechen irgendwie genau das aus, was man sich so oft denkt, aber dann doch nicht traut auszusprechen. “Let It Ache” besticht dagegen vor allem durch seinen hymnischen Mitsing-Refrain. Wie auch schon auf ihrem Debütalbum gibt es wieder einen deutschsprachigen Song auf der EP. “Antiartikulation” kommt sowohl instrumental als auch inhaltlich etwas dunkler daher als die anderen vier Songs. Getreu dem Motto “Das Beste kommt zum Schluss” endet SHIVERS & SHIPWRECKS auf das melodische “Doves of Winter”. Der Song ist deutlich komplexer aufgebaut als die vorherigen vier und deutet das Songschreiberische Potenzial dieser jungen Band an. Das tragende Bass-Riff, das dynamische, mal sanfte, dann ausbrechende Schlagzeugspiel und Tebbe’s wunderbar raue Stimme lassen hier einen grandiosen Song entstehen.
Man darf gespannt auf das sein, was die Zukunft noch so mit sich bringt für die drei Jungs aus dem Emsland. Wir empfehlen auf alle Fälle: im Auge behalten, anhören und zur Tour gehen! SHIVERS & SHIPWRECKS erscheint physisch als schöne von Homesick Merch gesiebdruckte 12’’-Vinyl-LP. Kaufen kann man sie im Uncle M-Shop.
GREAT ESCAPES – LIVE 2018
02.03. DE – Rheine – Trinkhalle (Release-Show)
03.03. DE – Solingen – Waldmeister
10.03. DE – Hamburg – Astra Stube
11.03. DE – Osnabrück – Substanz
13.04. DE – Bonn – Bla
30.04. DE – Schapen – Mosh’n’May Festival
VÖ: 02. März 2018, Uncle M, https://www.facebook.com/greatescapesband/
Ohr d’Oeuvre: Let It Ache/ Doves of Winter
Gesamteindruck: 7,5/10
Tracklist: Walking Deadline/ Noisy/ Let It Ache/ Antiartikulation/ Doves of Winter
(rl)
Betamensch – BETAMENSCH
Bands wie Cadet Carter haben sich zuletzt durch besonders schnelle Veröffentlichungen hervorgetan – gerade einmal ein halbes Jahr lag zwischen der ersten Probe und dem Album-Release. Bei Betamensch ist es anders herum. Vier Jahre nach Bandgründung veröffentlichten die drei Nürnberger vergangenen Freitag ihre selbstbetitelte Debüt-EP BETAMENSCH.
In diesen vier Jahren ist viel passiert. Eine EP war schon fertig, sogar Gespräche mit einem Majorlabel wurden geführt, doch die Songs gefielen nicht – und zwar ausgerechnet der Band. Es folgte eine völlige Neuorientierung bei der es in erster Linie darum ging, den Sound zu finden, der der Band selbst gefällt. Das Ergebnis ist ein gitarrenlastiger Alternative-Rock mit Indie-Einschlag. Inhaltlich verhandelt die Band mal gesellschaftskritisches wie im bereits vorab als Single erschienenen Opener “Ein Blick”. Dort rechnet Sänger Miguel Mayorga mit der Social-Media Fixierung (“Blasse Haut, ohne Filter sieht alles so traurig aus”) und der ständigen Vernetzung seiner Generation ab (“Keine Zeit, 24/7 stehe ich bereit”). “Splitter” dagegen dreht sich um einen Suizidversuch im Bekanntenkreis. Durch alle fünf Songs zieht sich ein schnörkelloser Alternative-Sound, der BETAMENSCH auszeichnet. Keine Synthies oder sonstige elektronischen Spielereien. Raue dichte Gitarrenwände treffen auf ein rhythmisch treibendes Schlagzeug und einen zuverlässig tragenden Bass. Die Gesangsmelodien zeigen einen deutlichen Pop-Einschlag. BETAMENSCH befindet sich so im Spannungsfeld zwischen eingängiger Popmelodik und roher Rockatmosphärik, wobei ersteres doch leider überwiegt. Ein wenig mehr Härte hätte der EP sicherlich gut getan. Gut bleibt sie dennoch, aber eben auch nicht mehr als das.
VÖ: 23. Februar 2018, Downbeat/ Believe, www.betamensch.de
Ohr d’Oeuvre: Ein Blick
Gesamteindruck: 6,0/10
Tracklist: Ein Blick/ Manöver/ Surreal/ Splitter/ Von Dächern
(rl)