Casey – Where I Go When I Am Sleeping
Nach ihrem gefeierten Debütalbum LOVE IS NOT ENOUGH folgt nun das zweite Album WHERE I GO WHEN I AM SLEEPING der britischen Posthardcore-Band Casey.
“I realise I could have died four or five times. I’m lucky to be here.” Seit er auf der Welt ist, kämpft Sänger Tom Weaver mit verschiedenen Krankheiten. Von Geburt an hat er brüchige Knochen, mit 15 wurde eine chronische Darmkrankheit bei ihm diagnostiziert, mit 20 folgte die Diagnose manische Depressionen. Und damit nicht genug, auch ein Herzinfarkt, ein Schlaganfall und ein schwerer Autounfall kommen hinzu.
Das zweite Album seiner Band wird zum Ventil für Weavers gebeutelte Seele und der ganze emotionale Ballast, der da zusammenkommt, wiegt entsprechend tonnenschwer. Zwischen spoken-word Berichten in der brillanten Emo-Ballade “Wound”, als sein Bruder ihn bei seinem Selbstmordversuch mit 16 fand oder eindringlichen Schilderungen seiner Depressionen (“Flowers By the Bed”) lässt der Sänger sich jedoch zu keiner Zeit in Selbstmitleid hinabsinken, sondern inspiriert durch Stärke, Hoffnung und Selbstreflexion: “In all the ways that I am weak I am also strong” (“Wound”).
Ebenso bewegt sich das Album instrumental zwischen fragilen Gitarrenriffs und Clean-Gesang und kathartischen Momenten, die durch die gescreamten Lyrics befeuert werden. Anstatt zu verzweifeln, ist WHERE I GO WHEN I AM SLEEPING eine Ode an das Leben und daran, den (Lebens-)Mut nicht zu verlieren.
VÖ: 16. März 2018, Hassle Records/ Rough Trade, https://www.caseytheband.com
Ohr d’Oeuvre: Flowers By the Bed/ Bruise/ Wound
Gesamteindruck: 9.0/10
Tracklist: Making Weight/ Wavering/ Phosphenes/ &/ Fluorescents/ Flowers By The Bed/ Needlework/ Morphine/ Bruise/ The Funeral/ Where I Go When I Am Sleeping/ Wound
(rl)
Band Of Gold – Where’s The Magic
Wer sich fragt, wo die Magie der aktuellen Popmusik zu finden ist, bekommt von der neuen Platte der großartigen BAND OF GOLD eine passende Antwort. Wenn nach kurzem Trommelwirbel und den ersten Takten des fantastischen „Bring back“ die Vocals starten, denkt man für kurze Zeit, Gloria Estefan und ihre MIAMI SOUND MACHINE wären zurück. Nina Elisabeth Mortveths und Nikolai Hængsles BAND OF GOLD hat aber sonst sehr wenig mit dem kubanisch-US-amerikanischen Partypop aus den 1980er Jahren gemeinsam.
Das erste Stück auf der zweiten Platte der Norweger ändert nach knapp vier Minuten, nach der Hälfte des Songs, komplett seine Richtung. Und was dann geschieht, ist kaum in Worte zu fassen. In den letzten Jahren gab es keinen Popsong, der dermaßen die Bude abfackelt. Was das Schlagzeug hier veranstaltet ist einfach nur unfassbar.
Vor 20 Jahren, als Popmusik noch einen längeren Haltbarkeitswert hatte und eine höhere Wertschätzung erfuhr, wäre das Stück mit Hilfe der damals noch funktionierenden Vermarktungsunterstützern, wie einem passenden Musikvideo garantiert zu einem globalen Hit geworden. Zartbesaitete brauchen jetzt erstmal einen Baldriantee. Die zweite Nummer beruhigt nur im ersten Eindruck. Für diesen Song, der vorab ausgekoppelten Single „I wanna dance with you again“, der deutlich von FLEETWOOD MAC aus der „Rumours“ Phase beinflusst ist, würden HAIM sehr wahrscheinlich dem Popteufel sofort ihre Seele verkaufen.
Die erste Seite der Platte wird mit dem geheimnisvollen „Into the void“ beendet. Das Trennungslied wurde vor Jahren rein zufällig bei Proben in einer kleinen Hütte aufgenommen. Zu der Entscheidung, es als Lofi-Recording und nicht ausproduziert auf die Platte zu nehmen, kann man die beiden nur beglückwünschen. Auf dieser Platte ist wirklich alles sehr geschmackssicher produziert, komponiert und platziert. Die zweite Seite beginnt mit dem sich durch faszinierende Harmoniewechsel auszeichnenden „I could spot you in a hundred miles“, welches dann nahtlos in das Titelstück „Where’s the magic“ übergeht. Mit „Well who am I“ hat man noch eine dicke Dancenummer am Start. Britische A&R Manager hätten den Track garantiert mit Kuhglocken-Schlagzeug ausstatten lassen um auf Nummer Sicher zu gehen. Aber die Magie der Platte besteht genau darin, dass man sie eben nicht genau einer Zeit oder einem Genre zuordnen kann. Der deutsche Rolling Stone würde jetzt von Inkommensurabilität sprechen.
VÖ: 23. März 2018, Jansen Records, https://www.facebook.com/bandofgoldofficial
Ohr d’Oeuvre:Bring back/ I wanna dance with you again/ Into the void/
Gesamteindruck: 9.0/10
Tracklist: Bring back/ I wanna dance with you again/ Away with you/ Into the void/ I could spot you in a hundred miles/ Where’s the magic/ Well who am I/ Look at me
(bk)