“Wahnsinn wir hätten nie geglaubt, dass so viele Menschen kommen würden, um uns zu sehen!” Patrick Miranda, Sänger der amerikanischen Emo-/Posthardcore Band Movements, scheint beim Anblick des randvollen MTC am Montagabend völlig überwältigt zu sein. Erst letztes Jahr hat er mit seiner Band das Debütalbum FEEL SOMETHING veröffentlicht. Damit waren sie jetzt das erste Mal “overseas” unterwegs und konnten auf Anhieb das europäische Publikum von sich überzeugen. Eigentlich sollten die vier Kalifornier sich damit gut auskennen. Immerhin haben sie gleich nach einem einzigen lokalen Gig einen Vertrag bei Fearless Records angeboten bekommen. Das war 2015. Ein Jahr später konnten sie bereits auf eine solide und stetig wachsende Fangemeinschaft zählen, die mit Begeisterung auf die Debüt-EP OUTGROWN THINGS reagierte.
Es ist noch nicht einmal ganz acht Uhr, die Tür des MTC ist noch geschlossen, doch die Straße herunter zieht sich bereits eine kleine Schlange von wartenden Fans. Ihre Eventim-Tickets halten sie schon gezückt, als sei es ihre Eintrittsgarantie ins montagabendliche Emo-Paradies. Und dieses Versprechen kann die Band durchaus einlösen. Mit sphärischen Gitarrenriffs und gnadenlos ehrlichen, emotionstriefenden Lyrics, die zum Teil in Spoken Word Form vorgetragen werden, entwickeln ihre Songs eine beinah hypnotisierende Wirkung, der man sich nur schwer entziehen kann. „It’s been a while since you felt right/ But the warm nights are coming soon/ And you’ll be just fine“ („Daylily“) singt das Publikum am Ende des Abends voll warmer Überzeugung gemeinsam mit Miranda. Den Song hat er über seine derzeitige Freundin geschrieben. Als Jugendliche hat sie mit Depressionen, Ängsten und einer Essstörung gekämpft. „Daylily“ ist ein Manifest der Hoffnung und der Gewissheit, dass auch die schwersten aller Zeiten vergehen werden: „I think it’s time you had a pink cloud summer/
‚Cause you’ve gone too long without a smile/ I think it’s time you found another reason to stay for a while“.
Beinah alle Songs der EP und des Albums spielen Movements. Beginnend mit dem Opener „Full Circle“ teilt Miranda schonungslos ehrlich sein Innerstes mit seinen Zuhörern. Seine Songs verarbeiten seine eigenen Depressionen („Full Circle“): „It comes in waves and I’m pulled below/ It’s not subjective, it’s clinical/ Drown myself in the undertow of all my imbalanced chemicals/ And this cycle comes full circle“. Oder die schwierige Beziehung zu seinem Vater („Nineteen“): „‚Cause I am not who you were at nineteen/ I am not the man you want me to be/ I’m not a warrior, I am fragile, I am weak/ I’m not a warrior, I am not you, I’m barely me“.
Der Titel des Debütalbums erweist sich live als sogar noch zutreffender: die Musik wird im gesamten Körper fühlbar, hin- und hergerissen zwischen den schmerzerfüllten Lyrics und der kathartischen Wirkung der Musik, weckt sie ganze Assoziationslandschaften von rauen Gebirgsketten, die in sattgrüne Wiesen im Tal übergehen, von stürmischen Ozeanen und dem vorsichtig aufklarendem Himmel wenn vom letzten Sturm nur noch ein leichter Dunstschleier überm Wasser bleibt. Eine Stunde lang sind Zeit und Raum vergessen und man weiß wieder, wozu Musik fähig sein kann. Am Ende, wenn man durchgeschwitzt und glücksstrahlend aus dem Club gestolpert kommt, möchte man Movements eigentlich nur noch danke sagen: Danke für die Musik!