Nach 13 Jahren ein neues Soloalbum des Tindersticks Frontmanns Stuart A. Staples. Dabei ist ARRHYTHMIA eigentlich zwei Alben in einem.
Der Vorabend des 50. Geburtstags. Die Fahrt zum Flughafen im prasselnden Regen Englands. In Erwartung der eigenen Geburtstagsfeier am nächsten Tag. Was sich anhört wie der Plot zu einem schwer nostalgisch-melancholischen Film, in dem ein Mann sein Leben aufarbeitet, ist der Plot zu einem melancholischen Album, was glücklichweise weitgehend auf Nostalgie und vollständig auf Selbstbeweihräucherung verzichtet. Stuart A. Staples verwebt gekonnt schwebende Streicherarrangements mit leichtfüssiger Electronica, die statt abzuheben, von tonnenschweren, pointierten Bassläufen wie in dem brummenden Opener „A New Real“ auf dem Boden der Tatsachen gehalten werden. Die ersten drei Songs, zwischen sieben und zehn Minuten lang, sind weniger breit orchestiert als die Songs seiner Hauptband, sie sind weniger songorientiert und fokussiert, gehen mehr in die Breite. Staples unnachahmlich nuschelig-traurige Stimme dient als Moderator, so dass sie sich trotz aller Flächigkeit nicht in Beliebigkeit verlieren. Dazu schafft es Staples an den richtigen Stellen, durch eine zwischendröhnende Gitarre oder einen Themenwechsel, den allzu angenehmen Mix zu unterbrechen und aufzupeppen, einen aufrüttelnden Kontrast zu seinem wohltemperiert-resignierten Gesang zu setzen. Gerade „Step into the grey“ mit seinem fast tribalhaften Kontrabassspiel gegen Ende, setzt ein Ausrufezeichen. Die Betonung liegt hier stets auf den ersten drei Songs, die einfach gut sind. Dagegen entzieht sich der 30 minütige Abschlusssong „Music for a ‚Year in small paintings'“ einer Bewertung bzw. einer Einordnung in das Genre Unterhaltungsmusik. Streicher ziehen endlose Bahnen, bis der Hörer erschöpft zu Boden singt und auch gegen Ende nichts mehr passiert. Hybris oder einfach nur genial? Ein leicht fader Geschmack bleibt zurück. Aber es ist festzuhalten, ARRHYTMIA ist kein melancholisch-selbstmitleidiges Alterswerk, sondern atmet und groovt…äusserst lebendig.
VÖ: 15. Juni 2018, City Slang, https://tindersticks.co.uk/home/
Tracklist: A new Real/ Memories of Love/ Step into the grey/ Music for a ‚Year in small paintings‘
Unsere Wertung
Ohr d’Oeuvre: A new Real/ Memories of Love/ Step into the grey
Gesamteindruck: 7 (für die ersten drei Songs)/10