Die fünfte Auflage des Indie.Cologne.Festes in Odonien war einmal mehr eine charmante und musikalisch höchst erfrischende Veranstaltung. Ein Querschnitt durch die verschiedenen Spielarten der hiesigen Independent Szene.
Am frühen Freitagabend präsentiert sich das Wetter von seiner schönsten Seite. Nicht zu warm und leicht windig. Den richtigen Sound zum Einstieg finden dann The Goldland. Das Trio zelebriert einen klassisch-britischen, tanzbaren Modsound. Richtig zum eingrooven. Auch wenn an zwei, drei Stellen der Gesang etwas verloren geht, macht der Auftritt Lust auf mehr. Eine Band für alle Fans von Britpopsounds, die man für sich im Blick behalten sollte.
Danach betreten auf der Biergartenbühne Schank die Bühne. In schwarzen Anzügen und weißen Hemden, spielen sie verquerte Chansons über das kommende Bier oder den fehlenden Leistungswillen. Selbst überschreiben sie ihre Musik mit dem passenden Namen Tresenfolk aus dem Wilden Westen. Ein Auftritt, der auch zu lautstarkem Mitsingaktionismus unter den Zuschauern führt. Gut, von dem selbst kreierten Schank Trinkgruss kann man denken was man will, aber würde die Band auf Kölsch singen, könnte sie in der nächsten Karnevalssaison die Kneipen und Hallen füllen, so erinnert es an The Piano has been drinking. Irgendwie auch passend.
Vor der Hauptbühne wird es dann langsam voller und die Stimmung etwas aufgekratzter. Ilgen-Nur betritt mit ihrer Band, in der Trümmer Sänger Paul Pötsch die Gitarre schwingt, die Bretter. Ist gegen Anfang die Stimme nur im Hintergrund zu hören, steigert sich die Band von Stück zu Stück. Mit ihr die Stimmung im Publikum, was zunehmend in Bewegung gerät, nicht nur bei dem Hit „Cool“. Illgen, die Haare vor dem Gesicht überzeugt dabei als charismatisch, leicht verschrobene Frontfrau.
Vor einer Woche beim Haldern Pop Festival 2018 durften Fortuna Ehrenfeld gleich zweimal spielen. Die Überzeugungstäter in Sachen kompromisslos – romantischer Losertexte schafften es dabei das manchmal doch eher bräsige Niederrhein Publikum zum ausrasten zu bringen. Die Theorie, dass es dabei reicht mal das Wort „Ficken“ oder „Scheiße“ in eine Bühnenansage einzubauen, sei mal dahin gestellt. Beim Indie.Cologne.Fest hat das Trio um Martin Bechler ein Heimspiel, was in einem Triumphzug enden soll. Textsicher, wird nahezu jedes Lied durch das Publikum begleitet, die Tränen kullern fast, als Bechler mit den vorbeiziehenden S-Bahnen kommuniziert und in seinen Schlachtruf – „Spielen bis die Bullen kommen“ – wird gerne eingefallen. Mit der Flasche Rotwein griffbereit, schafft es die Band, ihre ganz eigenen Momente von Großstadtromantik zu kreieren.
Den Abschluss auf der Biergartenbühne machen mit einem stimmungsvollen Folkset die Kölner von Stereo Naked. Durch ihren Americana – Rootssound mit Kontrabass, Banjo und einem extra dazu gekommene Geiger aus Frankreich, verbreitet das Trio noch eine gewisse Leichtigkeit am Ende eines großartigen, ersten Festivaltages. Besonderer Höhepunkt sind die Jodeleinlagen von Sängerin Julia Zech.
Der zweite Tag beginnt erst spät für den Schreibenden, da man noch kurz in die goldene Stadt pilgern musste, um der Diva zu Füßen zu liegen. Trotzdem kann noch ein Rest vom Set von Lauter Bäumen betrachtet werden. Neben der Musik ist das wunderbare an der Band, dass sie zu Reaktionen verleitet. So bleiben die Leute vor der Biergartenbühne hängen, die Texte und die Kompromisslosigkeit des Vortrages ziehen sie in ihren Bann.
Danach spielen Hey Ruin! ein richtig starkes Set auf der Hauptbühne. Dynamisch, voller Spielfreude tragen sie vor allem Lieder ihres letztjährigen Albums POLY vor. Vor allem Bassist Ernie als Taktgeber und Fels in der Brandung gibt ein eindrucksvolles Bild ab, während Sänger Sebastian unaufhörlich in Bewegung ist, scheinbar getrieben durch die Intensität der eigenen Texte. Wieder einmal fällt auf, welche Arbeit hinter Hey Ruin! – Songs steckt. Die Tempowechsel, die Gitarrenparts, diese Mischung aus 90er Emo und Hardcore, das hat mit 3 Akkord – Schraddelpunk wenig zu tun.
In der Schienenhalle spielen Klauen danach ein verstörendes, sehr lautes Elektroclash Set, was es in sich hat. Auf der Hauptbühne zelebriert Suzan Köcher das genaue Gegenteil! Getragener, leicht psychedelischer 70ties Rock, sehr authentisch vorgetragen. Nach einem längeren Intro, verzaubert die Solingerin mit ihrer tiefen Stimme das Publikum. Vor allem die Leadgitarre, die eher an eine Sithar erinnert, fördert das heimelige Rauchstäbchengefühl. Das Publikum ist verzaubert, wird dann beim Besuch der Schienenhalle jedoch jäh aus der friedlichen Grundstimmung gerissen. Freizeit 98 trümmern mit ihrer Mischung aus schroffem Post-Punk und Trash-Pop alles nieder. Und das ist vollkommen positiv gemeint. Tanzbare Bässe, knarzige Synthiesounds und Texte zwischen Die Sterne und Goldenen Zitronen, dazu mit Andi Tee ein mit Krawatte vorzüglich gekleideter Sänger. Begleitet wird die Show durch Videoeinspieler, die den visuellen Eindruck der Show nochmal verstärken. Freizeit 98 haben das Zeug zum feuchten Traum der Indie- und Slacker-Gemeinde in diesem Herbst zu werden.
Als Freizeit 98 noch nicht fertig sind, hat Die Regierung bereits ihr Set auf der Hauptbühne begonnen. Die alten Songs werden in neuem Gewand, meist weniger krachig, aber nicht weniger charmant rüber gebracht. Als dann auf einmal Schluss ist, nach rund einer halben Stunde! Schade, der Zeitplan, die Bullen. Trotzdem nimmt Tilman Rossmy sich noch Zeit, verteilt kostenlos Vinyl -Singles und redet mit seiner Gemeinde.