Preisverleihungen sind per se schon ein schwieriges Unterfangen. Während die Amerikaner und Engländer meist ein richtig großes Fass aufmachen, wirken Verleihung in hiesigen Gefilden oftmals eher wie ein improvisierter Abiball. Die Intention des popNRW Preises ist ohne Frage positiv. Nachwuchsbands sollen öffentlichkeitswirksam und finanziell vom Land NRW gefördert werden. Soweit, so gut. Der Rahmen ist mit dem Kölner Gloria Theater gut gewählt. Das Publikum besteht aus Künstlern, (den bösen) Managern, Presseleuten und augenscheinlich einigen, die die Verleihung in ihren studentischen Freibierkalender aufgenommen haben. Die Moderation macht Anja Backhaus, der man ihre Erfahrung in diesem Bereich anmerkt, die aber auch irgendwie etwas auf verlorenem Posten steht. Zuerst schwadroniert Prof. Dr. Andreas Pinkwart, seines Zeichens Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, über seinen Bezug zur Popmusik. Gerade als man denkt, Prof. Pinkwarts kommt zum Ende seines Vortrages, streut er noch eine Anekdote über die musikalischen Gehversuche seines Sohnes ein. An sich nichts Verwerfliches, hätte sein Vortrag nicht eh schon Überlänge und würde er vor allem nicht mit dem Satz enden: “Mein Sohn produziert auch, das setzt er dann um, mit Software und so“. Irgendwie werden da Erinnerungen an Günther Oettinger wach.
Im Anschluss an Minister Pinkwart erläutern Christian Esch, Direktor des NRW Kultursekretariats, und Reinhard Knoll, Präsident des Landesmusikrats NRW, warum die Förderung von Nachwuchstalenten für den Standort NRW und die Stadt Köln von immenser Wichtigkeit ist und welche Förderung junge Bands neben dem popNRW Preis noch in Anspruch nehmen können. Dass die kreative Szene, gerade im musikalischen Bereich, ein absolut wichtiger Standortfaktor für NRW und eben auch Köln darstellen sollte, steht außer Frage – und umso schöner ist es, dass dies von allen Rednern mehrfach hervorgehoben wird. Was einem dabei aber, gerade in Bezug auf Köln, aufstößt, ist die Tatsache, dass die Realität doch relativ weit von diesem Anspruch entfernt ist. Subkulturen, oftmals Brutstätten kreativen Outputs, werden in dieser Stadt unentwegt Knüppel zwischen die Beine geworfen. Da wirken Sätze wie „Durch die gezielte Nachwuchsförderung wollen wir Bands auf ihrem Werdegang unterstützen und den Standort NRW und Köln zu Städten wie London oder Berlin konkurrenzfähig machen“ zumindest etwas überambitioniert.
Kommen wir zur Preisverleihung. Die Laudatio für den Preis „Best Newcomer“ hält der von uns hoch geschätzte Klaus Fiehe. In unnachahmlicher „Fiehe Manier“ hält er eine flammende Rede über den Band-Nachwuchs in NRW. Er merkt jedoch auch an, dass es immer noch viel zu wenige weibliche Künstler gibt, die es in die engere Auswahl für den popNRW Preis schaffen und dies der Jury, der Fiehe angehört, seit Jahren ein Dorn im Auge ist. Womit wir bei einem weiteren Ärgernis des Abends wären. Wenn sich die Jury einig ist, dass der Anteil der weiblichen Interpreten zu gering ist, ist es auf der anderen Seite zumindest verwunderlich, wenn – trotz einiger nominierten Künstlerinnen – an diesem Abend ausschließlich männliche Bands gewinnen. Nein, es geht nicht darum, Preise zu verleihen, um irgendeine Quote abzudecken. Vielmehr war mit Call Me Mary beispielsweise eine Künstlerin nominiert, die durchaus das Potenzial für einen der beiden vorderen Plätze bei den Nachwuchsbands gehabt hätte. Chance vertan! Anstelle von Call Me Mary gewinnen OTEO den zweiten und INTERNATIONAL MUSIC den ersten Preis in der Kategorie „Best Newcomer“. Beide Bands überzeugen durch sehr sympathische Reden und vor allem INTERNATIONAL MUSIC lassen bei ihrem Live-Auftritt keine Zweifel offen, dass man in Zukunft noch einiges von den Essenern hören wird.
Bei der anschließenden Vergabe des Preises für den „Outstanding Artist“ glänzen beide Gewinner durch Abwesenheit. Führt die Begründung der zweiten Sieger Grandbrothers, man sei mit der Produktion der neuen Platte beschäftigt, zumindest zu Stirnrunzeln, ist die Entschuldigung von Sieger Goldroger, nämlich ein Festivalauftritt, nachvollziehbarer. Während Anja Backhaus zur Abstinenz der Grandbrothers süffisant bemerkt, dass sie dann ja auch ihre Fragen für das Interview nicht benötige, meldet sich Goldroger immerhin per Videobotschaft zu Wort. Nichtsdestotrotz hinterlässt die Abwesenheit beider Gewinner in der Kategorie „Outstanding Artist“ einen faden Beigeschmack und trägt dazu bei, dass man den Eindruck nicht loswird, dieser Preis erfährt auf Seiten der Künstler nicht die Wertschätzung, die er verdienen würde.