Fortuna Ehrenfeld gehört zu den Künstlern, die die JMC-Redaktion im letzten Jahr für sich entdeckt hat. Einige Mitglieder der Redaktion können schon jetzt ihre Geschichte zu der Band zum Besten geben. Es freut daher umso mehr, dass Fortuna Ehrenfeld mehr und mehr ins Bewusstsein der Leute gelangt und dieses Jahr im Herbst die erste eigene große Tour in den Lieblingsclubs quer durch die Republik spielt.
Das war nicht abzusehen, gerade weil Martin Bechler, der Kopf hinter Fortuna Ehrenfeld, mit seinem ersten Album DAS ENDE DER COOLNESS unter dem Radar der Indieszene in unserem Land hergeglitten ist. Das ist jedoch wenig verwunderlich. Bechler kommt musikalisch eigentlich aus einer anderen Ecke und hat die Hamburger Schule, die schon die Basis für die heute florierende Musikszene im Indiebereich bildet, wahrscheinlich eher aus der Entfernung als vor den Bühnen wahrgenommen. Als studierter Musiker arbeitet er in verschiedenen Medienproduktionen, führt sein eigenes Tonstudio, schreibt Stücke für Künstler, die per se nichts mit der erwähnten Szene zu tun haben, produziert sie ebenso. Für diese Projekte schreibt er eine Menge, so dass er aus diesen Tätigkeiten viele textliche Fragmente überhat, für die in den Produktionen keine Verwendung gefunden wurde. Diese sammelt er und macht erst einmal nichts damit.
Das Schicksal kommt manchmal erst auf Umwegen zum Ziel. Auf diesem stellt Bechler die übrig gebliebenen, zum Teil sehr schrägen Textsequenzen einem vertrauten Kollegen, dem Schweizer Rene Tinner, der unter anderem mit Trio, Can und Lou Reed zusammenarbeitete, vor. Tinner zieht es den Boden unter den Füßen weg und er macht zu den Stücken eine sehr nachhaltige Empfehlung, die Bechler wie folgt zitiert: „Wenn Du das nicht machst, bist Du ein Vollidiot“. Selbiger wollte er nicht sein und so begibt er sich daran, diese auszuarbeiten. Tinner fungiert als Mentor und Produzent der Stücke. Das 2016er Album DAS ENDE DER COOLNESS erfüllt die gestellten Erwartungen in keiner Art und Weise, sondern steht bleischwer in den Regalen der Plattenhändler und es scheint kaum jemand darauf gewartet zu haben. Die Gründe dafür sind kaum nachzuvollziehen, doch das Schicksal erreicht auf Umwegen sein Ziel und lässt bei der Suche nach einer Konzertagentur zu Rainer G. Ott gelangen. Der wiederum legt es den Herren Bustorff, Uhlmann und Wiebusch ans Herz. Diese sind davon so begeistert, dass sie Fortuna Ehrenfeld neben der Kooperation im Booking auch die Veröffentlichung von HEY SEXY anbieten. Das weitere ist gemein hin bekannt. Fortuna Ehrenfeld veröffentlichte letztes Jahr HEY SEXY, trat beim 15-jährigen Jubiläum des Labels in Hamburg vor sehr vielen Menschen auf und ging Ende des letzten und im Frühjahr diesen Jahres mit Kettcar auf große Tournee. Die Konzerte überzeugten so, dass sie im Sommer Land auf und Land ab auf kleinen und großen Festivalbühnen anzutreffen waren.
Im Herbst wird Martin Bechler zum ersten Mal mit seinen Mitmusikern Jenny Thiele und Paul Weißert als Fortuna Ehrenfeld auf große Clubtour gehen. Dazu haben wir uns mit ihm getroffen, um ein paar Fragen zu seinen Songs zu stellen.
JMC: Als erste Frage finde ich es nicht uninteressant, wie es sich für Dich anfühlt, an der Stelle angekommen zu sein, wo Du jetzt bist. Im Frühjahr hast Du Kettcar bei dem Konzert im Palladium supportet. An anderer Stelle erwähntest Du, dass es noch vorletztes Jahr extrem schwierig war, das Weihnachtskonzert in einer kleinen Kölner Kneipe, dem Backes, voll zu bekommen. Daneben spielst Du aktuell Festival um Festival und bist auch für das Haldern Pop gebucht. Wie ist es jetzt, da oben zu sein?
Martin Bechler: Gut!
JMC: Och schön – Ok, ein bisschen konkreter – war es Dein Ziel mit Fortuna Ehrenfeld? Oder wie bist Du da dran gegangen? Wie ist dieser Prozess gewesen, durch den Du dann zum „Ende der Collness“ und Hey Sexy“ gekommen bist.
Martin Bechler: Ich arbeite schon sehr lange in diesem verrückten Medienbereich und ich glaube, alles, was man da macht, tut man deshalb, weil man will, dass es auch andere Leute wahrnehmen. Das war immer Grundlage der Arbeit. So was macht man ja nicht aus Scheiß. Und das die Rechnung jetzt aufgeht, ist natürlich endcool.
JMC: Wann hast Du angefangen die Rechnung aufzumachen oder hast Du sie nie aufgemacht?
Martin Bechler: Mit 18.
JMC: Mit 18? – also quasi zu Schulzeiten noch?
Martin Bechler: Naja, sagen wir mal mit Eintritt in die Volljährigkeit. Ich habe damals schon beschlossen, dass ich zwei Ansprüche an mein Leben habe. A) Nie eine Festanstellung und B) nie eine ordentliche Frisur. Und C) immer absolut frei in meinen Entscheidungen zu sein. Und wenn ich morgens der Ansicht bin, wenn ich aufstehe, zu sagen, jetzt bringe ich eine Platte raus, dann das halt zu tun. Es hat zwar eine Weile gedauert, aber irgendwann war es dann so weit.
JMC: Siehst Du Dich jetzt mit dem zweiten Album ‚Hey Sexy‘ an einem wichtigen Punkt? Du bist beim Grand Hotel von Cleef. Das Grand Hotel van Cleef bedeutet aufgrund der Leute, die dort mitarbeiten, vielen Leuten aus dem Indiebereich eine Menge. Was erwartest Du für Dich persönlich von der nächsten Zeit? Du hast es geschafft en passant ins Bewusstsein der Musikszene reinzukommen. Was denkst Du, was dort in der kommenden Zeit noch kommen wird?
Martin Bechler: Was genau war jetzt die Frage. Es waren drei…..
JMC: Was erwartest Du für Dich persönlich von der kommenden Zeit?
Martin Bechler: Ich habe eine tolle Band und Ziel war es immer, einfach eine tolle Zeit zu haben und sich vor allem alle Arschlöcher vom Hals zu halten. Das habe ich geschafft.
JMC: Und das ist unabhängig davon, was andere Leute über Dich denken?
Martin Bechler: Das ist ja eh ihre Sache. Das kann ich ja nicht beeinflussen. Für mich ist Erfolg insofern nur zweitrangig, weil – wie gesagt – es geht darum eine gute Zeit zu haben. Und mich mit Menschen umgeben, wo man sich morgens freut mit denen loszufahren, weil es ist ja zum Teil auch ein sehr anstrengendes Metier. Wir fahren viel, wir schlafen wenig, und das ist schon sehr luxuriöses Envoriment, in dem ich mich da jetzt freischwimmen darf. Das ist zum einen meine Band und zum anderen die höchst seriösen Leute, die mich umgeben.
JMC: In der Vorbereitung dieses Interviews habe ich Deine Alben recht häufig gehört und habe mich immer wieder gefragt, ob es für Dich eine Bedeutung hat, dass Leute sich auf Deine Texte und Deine Musik einlassen und daraus Sachen für sich persönlich ableiten?
Martin Bechler: Ich bin mit der Frage hoffnungslos überfordert, weil ich schreibe Sachen, weil es mir Spaß macht. Punkt. Wenn ich das dann singe oder veröffentliche, dann verlässt das ja mein Einflussgebiet und was andere Leute damit machen…. Ich habe darauf überhaupt keinen Einfluß mehr. Ich kann Dir aber ein Bespiel sagen, wo ich die Wirkung unterschätzt habe und was mich sehr, sehr emotional erwischt hat. Wir hatten dreimal das Vergnügen, dass die Kollegen von Seawatch bei uns einen Infostand auf dem Konzert hatten. Die haben uns gefragt, ob sie einen Infostand machen dürfen. Das ist manchmal Viva con Aqua mit denen das Grand Hotel sehr eng zusammenarbeitet und manchmal Seawatch – zur Erklärung – das sind die Leute, die auf dem Mittelmeer die Kinder aus dem Wasser fischen. Und ich hatte da halt lange Gespräche mit denen und tolle Gespräche und die haben mich sehr beeindruckt. Mich hat vor allen Dingen die Bescheidenheit der Leute beindruckt, mit der die von ihrer Arbeit erzählen. Da hat sich so eine kleine Kumpanei entwickelt und neulich sitz ich mit einem Freund Abends beim Essen und wir hatten alle schon so ein bisschen Rotweinschieflage und ich kriege auf einmal eine Nachricht, wo sie mir vom Boot schreiben, dass sie auf dem Mittelmeer vor Lampedusa sind und nicht schlafen können und dürfen, weil sie Nachtwache haben. Sie haben mir ein Foto vom Screenshot von ihrer Playlist geschickt, das zeigt, dass sie gerade Fortuna Ehrenfeld hören. Das hat mich komplett aus der Bahn geworfen und da ist mir klar geworden, dass diese Lieder jetzt auch einfach da draußen sind.
JMC: Das ist schon beeindruckend. Ich bin mir nicht sicher, ob die Frage durch Deine Ausführungen obsolet ist. Da sie mir aber die ganze Zeit durch den Kopf ging, möchte ich sie trotzdem stellen. Hast Du einen Favoriten von Deinen Songs, der Dich richtig am Herzen liegt? Ein Song von dem Du sagst, da steh ich jetzt komplett dahinter, weil er mir was bedeutet.
Martin Bechler: Ja, ja – aber das ändert sich halt jeden Tag. Das ist das verhexte.
JMC: Es ist aber nicht so, dass es einen Song gibt , von dem Du sagst, den habe ich schon ganz, ganz lange gehabt in den Textfragmenten, an dem ich dann weitergearbeitet habe, und da bin ich happy, dass er jetzt raus ist.
Martin Bechler: Ich glaube Deine Vorstellungen darüber, wie ich solche Sachen herstelle, ist viel zu intellektuell. Ich schreib es auf, weil ich Bock darauf habe. Punkt. Es hat keinen intellektuellen Absatz. Ich komme aber – wie gesagt, es ändert sich jeden Tag – ich komme aber gerade von einer Probe mit meinen zauberhaften Musikern Jenny Thiele und Paul Weißert, die ich gerne namentlich erwähnte, und wir haben heute, weil wir das Live noch nie im Programm hatten, einen Song einstudiert, da ist mir fast das Wasser aus den Augen gelaufen, weil die es so wundervoll gespielt haben. Wir haben so einen total dodgy Proberaum in Bickendorf, um den ein bisschen hübscher zu machen, habe ich im Internet eine Discolampe für 4,99 € bestellt, mit Fernbedienung, und wir haben das Licht ausgemacht und dann kamen so vollkommen Banane-Lichtmuster an die Wand und wir haben „Der Tag“ gespielt, vom ersten Album DAS ENDE DER COOLNESS. Ein Lied, was wir so live noch nie so gespielt haben. Das ist, Stand heute, der Renner in meinem Kopf und morgen wird es wieder ein anderer sein.
JMC: Zum Schluss noch eine kurze Frage – Wieso dieser wunderbare Schlafanzug auf der Bühne?
Martin Bechler (Ironisch): Guck Dich mal an, Du Penner……
JMC (schmunzelnd): Danke schön…..
Es bleibt an dieser Stelle nicht mehr als die Empfehlung zu geben, einen Blick auf die Termine der Tour zu werfen. Ob es förderlich ist, mit dem Ticketkauf zu warten, darf jeder selbst entscheiden. Wenn dieses nicht gemacht wird, kann es allerdings passieren, dass vielleicht eines der Konzerthighlights des Herbstes verpasst wird. Live hinterlassen Fortuna Ehrenfeld einen sehr, sehr bleibenden Eindruck, wie das offizielle, brandneue Video vom „Letzten Kommando“ zusammen mit der „Bläsergruppe Seltsam“ auf dem Haldern Pop Festival eindrucksvoll belegt.
KONZERTTERMINE:
14.11. Frankfurt, 25 hrs Hotel The Goldman Oostbar
15.11. München, Heppel & Ettlich (ausverkauft)
16.11. A-Graz, Autumn Leaves Festival
18.11. A-Wien, Rhiz
19.11. München, Heppel & Ettlich (Resttickets)
20.11. Regensburg, Alte Mälzerei
21.11. Nürnberg, Club Stereo
22.11. Jena, Rosenkeller
23.11. Leipzig, Moritzbastei
24.11. Dortmund, Rekorder (Resttickets)
29.11. Paderborn, Wohlsein
04.12. Dresden, Ostpol
05.12. Berlin, Monarch (Resttickets)
06.12. Kiel, Appartement
07.12. Hamburg, Knust (Resttickets)
08.12. Hannover, Lux
09.12. Köln, Gebäude 9 (Resttickets)
Foto: DESC Photography