Der Moment, wenn nach den ersten Takten des ersten Songs des Konzertes – dem 20 Jahre alten „He turns down“ von „Moon Pix“ – DIESE Stimme einsetzt. Den ersten Song muss Chan direkt unterbrechen – jemand im Publikum ist anscheinend kollabiert. Die Situation wirkt ziemlich angespannt.
Der heutige Abend steht im Zeichen der neuen gelungenen Platte „Wanderer“ (sechs Tracks werden aus dem ersten Album für Domino gespielt). Aus der für Chan Marshall, anscheinend in der Produktion und ihren Umständen recht strapaziösen, kommerziell jedoch sehr erfolgreichen „Sun“, spielt sie heute nur „Manhattan“ – dies jedoch erst gegen Ende. Keinen Pop heute! Wie sie ihre Stimme modelliert – mit Händen zum Trichter geformt, mit einem zweiten Mikrofon die Stimme doppelt, mit ständigen Anweisungen an den Soundmixer – ihre Stimme hochzufahren – das ist im Ergebnis mehr als beeindruckend.
Neben den neuen Songs gibt es auch einige Cover zu bewundern. Jedoch nicht bekannte Adaptionen aus ihren beiden Coverplatten „Jukebox“ & „The Covers Record“. Heute interpretiert sie Nick Caves „Into My Arms“ – aus seiner dritten oder zweiten (je nach Zählweise) Karriere und deren Meisterwerkplatte „The Boatman’s Call“ von 1997 – nach seiner Berlin-Heroinphase und vor seiner Etablierung als größter lebender Songwriter der Gegenwart. Diesen Status wird Chan Marshall leider in diesem Leben nicht mehr erreichen. James Carrs „Dark End Of The Street“ kennen wir schon von ihrer gleichnamigen EP. „Pa Pa Power“ von Ryan Goslings!! Indieband „Dead Man’s Bones“ spielt sie ebenfalls auf ihre spezielle Weise. Die Zuschauer sind begeistert.
Nach gut 100 Minuten beendet Chan ein schönes, etwas unspektakuläres Set mit „The Moon“ von ihrer beliebtesten Platte „The Greatest“. Endlich hat man sie wieder live gesehen. Ihr scheint es ganz okay zu gehen. Ja, ist das so!? Jetzt – wo es geschafft ist – würde sie gerne etwas Musik auflegen. Sie spricht von „Nervous Breakdown“.