Als im Jahr 2010 in den Lesercharts des deutschen Rolling Stone eine Platte auftauchte – von einer Band namens „Dota und die Stadtpiraten“ mit dem Titel „Bis auf den Grund“ – auf einem Label namens „Kleingeldprinzessin Records“ – vermutete ich nach einer kurzen Recherche, dass der Prenzlauer Berg jetzt auch die deutsche Musikbranche unterwandert hätte und befürchtete das Schlimmste (vielleicht Impfgegnerpop). Beim Anhören der Platte lösten sich die Vorurteile jedoch sofort in Luft auf. Ganz im Gegenteil: die Platte überzeugte sofort mit einer tollen Produktion, weltmusikalischer Instrumentierung und scheinbar völlig selbstverständlich mit den smartesten Texten im Chanson-angehauchten Pop, die diese Dota Kehr ganz ohne Pathos mit einer glasklaren Stimme vortrug.
Seit 2013 nennt sich die Band der in Berlin geborenen ehemaligen Straßenmusikerin und Medizinerin einfach DOTA. Inzwischen eine feste Größe in der hiesigen Musiklandschaft. Sämtliche renommierte Preise wurden gewonnen (Preis der deutschen Schallplattenkritik, Deutscher Kleinkunstpreis etc.), über 100.000 Einheiten ihrer Platten verkauft. Die rund hundert Konzerte die pro Jahr gespielt werden, sind regelmäßig ausverkauft. Die aktuelle Platte „Die Freiheit“ stieg bei ihrem Release im September des letzten Jahres bis auf Platz 11 der deutschen Albumcharts. – und das Ganze ohne sich im Laufe der Zeit zu verbiegen, den vermeintlichen Marktmechanismen anzupassen oder den Casting-Shows der Privatsender anzudienen.
Zugegeben: das war jetzt eine typisch männliche Zusammenfassung ihres Werdegangs. Der kommerzielle Erfolg ist ein schöner Nebeneffekt, aber ganz offensichtlich nicht die Hauptmotivation. Es gibt wahrscheinlich im Moment keine anderen deutschen Musiker, die eine ähnlich große Bandbreite an Themen (wie die internationalen politischen Entwicklungen – Tinder-Dating „Du bist nicht meine große Liebe, du bist mein Zeitvertreib“ – oder Ernährung(!) „Da ist Sorbit, Nitrit, Nitrat, ein Präparat aus Glutamat, war das ein Huhn? Das Brot hier hat auch nichts mit Mehl nichts mehr zu tun“ – und auch heiße Typen mit Rennrad „Sagt hallo zu seiner Schnalle, weiß sowieso er kriegt sie alle, mit seinem Jungenscharme“) in ihren Texten vor ihrer Zuhörerschaft ausbreiten. Sebastian Krämer hat zu Recht in seiner Laudatio anlässlich der Verleihung des Fred-Jay-Preises für Textdichter gesagt: „Überall, wo Sänger gelobt werden, fallen die Vokabeln Authentizität und Natürlichkeit. Und dann hört man Dota und denkt: Ach so! Ich nehme das mit der Natürlichkeit und Authentizität im Bezug auf alle anderen zurück.“
Resttickets für die Show morgen Abend im Gloria findet ihr hier.
Fotocredit: Annika Weinthal