Für das Bühnenbild ihrer aktuellen Honey-Tour könnte auch das Produktionsdesign des Disney-Meisterwerks „Frozen“ Pate gestanden habe. Mit dem Märchen „Die Schneekönigin“ von Hans Christian Andersen wird das Konzert des letzten wirklich relevanten Eurodance-Acts jedoch wenig bis überhaupt nichts zu tun haben.
Wenn Robin Miriam Carlsson nach der erweiterten Einleitung von „Send To Robin Immediately“ die Bühne im silbernen 1990er Jahre Retro-Outfit die Bühne des Palladium betritt, ahnt man bereits, dass die 39-jährige Schwedin heute Abend nicht viel falsch machen kann. Das Publikum (heute Abend mit hohem Frauenanteil) feiert die Rückkehr Robyns (und ihrer 4-köpfigen Band) nach fast sieben Jahren Kölner Bühnen-Abstinenz euphorisch. Man kann kaum glauben, dass sie ihr Köln-Debüt vor beinahe zwölf Jahren im kleinen Studio 672 (unter dem Stadtgarten) gab. Heute ist sie auf dem besten Weg, für eine Thronfolge im Dancepop-Genre zu sorgen. Neben ihrer Performance, die ab dem vierten Track „Indestructible“ ziemlich unterhaltsam vom Tänzer und Choreographen Theo Canham-Spence unterstützt wird, wirken die Gigantomanie und der Sexismus einer Madonna-Show ziemlich altbacken und überholt. Mit ihrem Tänzer führt Robyn eben keine Objektivierung ihrer Person auf. Da tanzen und twerken zwei gleichberechtige Personen mit sichtbarer Freude um die Gunst des Publikums und definitiv nicht, um die Fuckability der Protagonistin herauszuarbeiten.
Acht von 19 Songs stammen von der neuen „Honey“ Platte. Das funktioniert ziemlich gut – unter anderem aber auch aus dem Grund, dass Robyn Hits wie „Hang with me“ nicht auschließlich für den Schluss aufbewahrt – sondern recht selbstbewusst im vorderen Teil der Show platziert. Tracks wie „Ever Again“ (von der aktuellen Platte) profitieren aber auch sehr von der Co-Autorenschaft des METRONMY Masterminds Joseph Mount. Einen besseren Support für ihren Pop-Entwurf, hätte Robyn wahrscheinlich im Moment nicht finden können.
Die Ergriffenheit Robyns, wenn der komplette Saal den letzten Teil vom Überhit „Dancing On My Own“ alleine ohne Bandbegleitung singt, ist natürlich keine spontane Geste und kein Zufall. Einen Vorwurf kann man ihr deswegen jedoch keinesfalls machen; ist es doch genau der Teil des Konzertes, für den die Kernzielgruppe ein Ticket gelöst hat. Dass beim vorletzten Stück „Human Being“ weiterhin die Vocals von Robyn zu hören sind, sie jedoch dabei (leider) nicht mehr in ein Mikrophon singt, ist hoffentlich nur als Innuendo auf den Songtitel inszeniert. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Stilsicher wird das bemerkenswerte Konzert mit der KINDNESS-Kollaboration „Who Do You Love“ nach circa 100 Minuten geschlossen. Sicher eins der bisher aufregendsten Konzerte des noch jungen Musikjahres.
Fotocredit: Pia Egelkraut