Faszinierend, intensiv, kathartisch, anstrengend, schweißtreibend, vielleicht doch auch ein wenig abstoßend – für das Konzert der Daughters im Kölner Club Volta im Speziellen, aber auch generell für die Live-Auftritte der Band aus Providence, Rhode Island, könnte man wohl ziemlich viele Adjektive anführen, um das Erlebte zu beschreiben. Welches jedoch immer passt, egal aus welchem Blickwinkel man es betrachtet, ist das Wörtchen „extrem“.
Bereits auf Platte gepresst ist Daughters Schaffen seit jeher eine akustische Grenzerfahrung, eine lärmende, fast schon schmerzhafte Tour de Force, die beileibe nicht für jedermanns Ohren gemacht
ist. Während man sich 2003 noch in knackigen 11:11 Minuten mittels hyperventilierendem Grind- und Mathcore durch das Debüt CANADA SONGS metzelte, gewannen die Songs mit den Folgealben
HELL SONGS (2006) und DAUGHTERS (2010) ein wenig an Format und Noise-Spinnereien dazu. Die Band drohte schließlich an ihrem eigenen Anspruch zu zerbrechen, echte Kunst schaffen zu wollen. Nach dem selbstbetitelten Drittwerk hing die Zukunft der Daughters am seidenen Faden, eine mehrjährige Funkstille zwischen den Mitgliedern folgte, die spätestens im vergangenen Jahr nach der Familienzusammenführung mit YOU WON’T GET WHAT YOU WANT erfolgreich ad acta gelegt werden konnte.
Mit ihrem wilden Ritt auf Hardcore-, Industrial- und Noise-Pfaden überzeugte das Quartett auf ganzer Linie, landete die Platte doch in sämtlichen Jahres-Bestenlisten auf den oberen Plätzen. Und auch der Ruf, eine fabelhafte Live-Band zu sein, eilt den Daughters voraus, was viele ausverkaufte Shows auf der aktuellen Tour bewiesen. Zurecht, wie in Köln, wo das Konzert zwar nicht ausverkauft war, aber immerhin vom MTC Cologne recht schnell in den größeren Club Volta verlegt werden musste, jeder im Raum von der ersten Sekunde an erleben durfte. E-Gitarren werden zwar wie E-Gitarren gespielt, klingen aber selten so, wie man es von diesem Instrument im konventionellen Stil gewohnt ist; der Bass grollt über alles und jeden hinweg und bildet mit dem scheppernden Schlagzeug das noch halbwegs konstante Rhythmusgerüst für dieses sich ständig im Verfall und Aufbau befindende musikalische Irrenhaus.
Und in all dem agiert Frontmann Alexis S.F. Marshall, als wäre er Anstaltsleiter und frei herumlaufender Oberirrer in einer Person. Nicht mehr, wie zu den frühen Suff- und Drogenzeiten, mit heruntergelassener Hose und entblößtem Geschlecht, dafür aber nicht weniger seine Seele preisgebend, womit er zum absoluten visuellen Fix- und Angelpunkt der einstündigen Show wird. Da wird wortwörtlich Gift und Galle gespuckt! Das eigene Gesicht und Mikrofon, welches ohnehin bis zum Äußersten mit Kopf, Brust, Zähnen und dem Bühnenboden malträtiert wird, wird damit besudelt, manisch werden die Geister der inneren Ängste beschworen und jede Emotion in die Welt hinausgeschrien und wie Mantras in den Raum gekotzt. Binnen weniger Takte entstand so eine unglaubliche Energiebündelung zwischen Band und Fans. Eine Zugabe brauchte es da wirklich nicht mehr und wurde auch nicht gebracht. Auch so gehört das Daughters-Konzert ganz weit oben in die Liste der besten Konzerte des Jahres.