Wird die Produktivität erhöht, kann es schnell passieren, dass darunter die Qualität leidet. Zwar kann diese Faustformel nur bedingt auf musikalisches Schaffen angewendet werden – schließlich gibt es genügend Musiker auf diesem Planeten, die nur sehr selten etwas kreieren und dennoch niemals etwas Vernünftiges zustande bringen –, auf King Gizzard & The Lizard Wizard allerdings trifft diese Regel definitiv überhaupt nicht zu.
15 Alben haben die sieben Australier seit der Veröffentlichung ihres Debüts in 2012 veröffentlicht – jedes einzelne davon auf seine ganz eigene Art fantastisch. Alleine 2017 ballerten sie mal eben so
fünf Alben heraus, so dass 2018 tatsächlich mal ein veröffentlichungsfreies Jahr im King-Gizzard- Kosmos darstellte. Ihr Trick: niemals stagnieren. So etwas wie Genre-Grenzen gibt es für Stu
Mackenzie und seine Kollegen ganz offensichtlich nicht: Garage-Rock, Prog-Rock, Psychedelic, Country, Folk, Jazz… all das und noch viel mehr haben die Aussies bislang bereits auf Platte gepresst –
oftmals umspannt von ganz irrwitzigen Konzepten wie etwa ein sich unendlich wiederholendes Album (NONAGON INFINITY) oder eins, das komplett auf Intervalle abseits des klassischen
Halbtonabstandes aufbaut („Flying Microtonal Banana“). In diesem Jahr kam dann noch im April Boogie-Rock (FISHING FOR FISHES) und vier Monate später auf INFEST THE RATS‘ NEST Trash-Metal
hinzu. Beide Werke werden thematisch miteinander verknüpft, indem in den Lyrics der Klimawandel thematisiert wird.
Und genau so facettenreich darf man sich das Septett auch live vorstellen, halt nur auf gute anderthalb bis zwei Stunden komprimiert. Dafür aber mit ebenfalls vielen Überraschungen garniert, denn weder wiederholt die Band auf einer Tour eine Setlist, noch gibt sie dem Druck irgendwelcher angeblichen Must-Play-Hits nach. In Köln, wo sie das Carlswerk Victoria kürzlich ausverkaufte, gab es gleich zu Beginn mit „Mars for the Rich“, „Perihelion“ und „Organ Farmer“ aus der jüngsten Veröffentlichung den brutalsten Metal-Arschtritt, den die Domstadt in letzter Zeit erleben durfte – und ja, der Autor weiß, dass Metallica erst im Sommer im Rheinenergiestadion zu Gast war –, nur um dann mit „Stressin‘“ vom 2014er ODDMENTS einen ebenso brutalen Cut zu vollführen. Auf diesem Album klingen die Australier nämlich ein wenig wie die Beatles auf extra hochdosiertes LSD. Das funktioniert deshalb, weil King Gizzard & The Lizard Wizard egal, was sie machen, alles mit absoluter Leidenschaft und Ernsthaftigkeit angehen – ohne
dabei jedoch den Spaß aus den Augen zu verlieren. Spaß, den man in Köln nicht bloß jedem Fan ansieht, sondern ganz besonders auch allen Akteuren auf der Bühne. Keine Ahnung, woher diese Band ihre Energie und ihre Ideen nimmt, solange sie es aber in solch einer hohen Qualität macht, darf sie gerne auch zehn Alben im Jahr herausbringen. Wahrscheinlich wird sie es auch sein, die die erste ernsthaft coole Deutsche-Schlager- Platte aufnehmen wird. Auch wenn sie dieses Genre hoffentlich erst sehr, sehr spät für sich entdecken mögen.
Setlist:
1. Mars for the Rich
2. Perihelion
3. Organ Farmer
4. Stressin&39
5. Inner Cell
6. Loyalty
7. Horology
8. Cyboogie
9. Rattlesnake
10. Sleep Drifter
11. Doom City
12. Dirt
13. Sense
14. The Bitter Boogie
15. Gamma Knife
16. People-Vultures
17. Mr. Beat
18. Acarine
19. Murder of the Universe