The Libertines verwandeln das Carlswerk in eine Eckkneipe und zerstören in knapp zwei Stunden fast jedes gängige Klischee, außer dem, eine verdammt gute Band zu sein.
Am Ende glich die Stimmung dann eher der nach einem Derbysieg im Stadion oder nach einem Oasiskonzert. Bis in die letzte, hintere Ecke des ausverkauften Carlswerk sprangen und sangen die Leute als der zweite Zugabenblock mit „Don’t look back into the Sun“ beendet wurde. Schon mit dem Betreten der Bühne, bevor das Quartett nur einen Ton gespielt hatte, eskalierte die Stimmung. Becher flogen, Bierduschen wurden verteilt und mit dem ersten Ton von „Heart of the Matter“ wurde schon wild gegeneinander gesprungen. Vielleicht lag diese aussergewöhnliche Ausgelassenheit, die man höchstens von Brings – oder vielleicht noch Annenmaykantereit – Konzerten in dieser Größenordnung in der Domstadt kennt, an der hohen Anzahl Briten, die extra oder zufällig auf dem Konzert waren. So wurden die Texte und nicht nur die Refrains lauthals mitgesungen. Die Band selber nahm die Stimmung dankend auf, kommunizierte ausgiebig mit dem Publikum und schien sich sichtlich wohl zu fühlen. Sie zeigte dabei die Gabe selbst bei einer Hallengröße wie der des Carlswerks die Stimmung eines kleinen Pubkonzertes aufkommen zu lassen. Barat und Doherty scheinen nicht ohne einander zu können. Immer wieder teilen Sie sich das Mikro, stecken die Köpfe zusammen und Barat ermahnt Doherty daran die richtige Gitarre für den nächsten Song zu nehmen. Er selbst ist dabei im Look des Dandys verhaftet, während Doherty eher den eines Landarbeiters gewählt hat. Bassist John Hassall steht die meiste Zeit im Zweireiher und Krawatte unbeeindruckt vom Treiben neben sich auf der Bühne und man wird nicht so richtig schlau daraus, ob er eher belustigt oder genervt ist oder einfach genug Beruhigungstabletten vor dem Auftritt genommen hat. Die Hits spart man sich für die letzten 20 Minuten auf. Ab und an braucht es ein paar Takte, bevor man die Songs erkennt. Aber die Band überzeugt durch ihre ungeheure Spielfreude, bei der auch mal der ein oder andere Ton daneben geht. Geschenkt, so ist Rock ‚ n ‚ Roll! Das hat nichts mit den durchgestylten Veranstaltungen zu tun, wie man sie sonst in so einer Halle kennt. Als dann Doherty als Letzter die Bühne verlässt, als dann wirklich Schluss ist, intoniert die Halle „Pete“ – Sprechchöre. Ein Säulenheiliger schon zu Lebzeiten. Draussen singt „Holy Ollie“ auf der akustischen Gitarre Oasis‘ „Wonderwall“ und betrunkene Menschen tanzen dazu. Dancing in The streets.
Fotos: Dominic