Seit der letzten Platte JALOUSIE sind einige Jahre vergangen. Fast war zu befürchten, dass kein Lebenszeichen von Messer mehr folgen würde. Dann meldete sich die Gruppe 2019 mit der EP ANORAK zurück. Nun folgt NO FUTURE DAYS, die bisher experimentellste Platte, die ganze neue Seite der Gruppe zeigt.
Ende letzten Jahres las Hendrik Otremba, seines Zeichens Texter und Sänger von Messer, aus seinem letzten Buch Kachelbads Erbe im kleinen Kreis in Köln vor. Die Noir – Geschichte bestach durch eine klare, einfache und vor allem rhythmische Sprache. Eine Sprache, die von seinen Songtexten bekannt war und doch überraschte, wie gut sie zum Breitwandformat Roman passte. Kurz war da die Angst, dass er vielleicht lieber auf dieses Kunstformat denn auf die Musik setzen würde. Zum Glück nicht! Auf dem vierten Album von Messer – NO FUTURE DAYS – ist diese Sprache und diese Texte auch das Element, was die Platte sofort nach den ersten Takten als Platte der Gruppe Messer ausweist. Die Musik dagegen hat gerade mit dem basslastigen Post-Punk der ersten Alben wenig gemein. Und auch der eher düstere, aber dafür um einiges experimentellere Sound der letzten Platte JALOUSIE, wird aufgelockert und um neue Elemente erweitert. Messer entwickeln einen Sound, der wild, verschiedenste Artefakte der letzten 40 Jahre Musikgeschichte aufgreift. So pendeln die Songs zwischen verschrobenen Reggae und Dub-Anleihen, 80ties Rock, der phasenweise an The Police erinnert, um letztendlich in einem breiten, improvisierten, psychedelischen Sound aufzugehen, der auch Ton Steine Scherben gut gestanden hätte. Eine Erweiterung, die sich schon auf der EP ANORAK aus dem letzten Jahr angedeutet hat. Eben jener Song und die Single „Tiefenrausch II“ stehen stellvertretend für die neue Leichtigkeit in Messer‘ Sound. Bass und Schlagzeug bestechen dabei nicht mehr vornehmlich durch Wucht, sondern einen entspannten, melodischen Groove, über den lustvoll die Gitarre von Milek ihre Figuren baut, die größtenteils eher an das schwüle Wetter in Jamaika, denn an das regennasse Manchester erinnern. Otrembas Texte schweben zwischen Erinnerung und Gegenwart, verbleiben meistens im Abstrakten und doch brennen sich die Sprachbilder direkt im Hirn ein. Werhttps://www.youtube.com/watch?v=Vspv4Wsb1T8&feature=emb_rel_endden Messer insgesamt filigraner, bleiben seine Texte wuchtig und einnehmend. Ab März sind Messer auf ausgedehnter Deutschlandtournee.
VÖ: 14.02.2020, Trocadero / Indigo, http://gruppemesser.blogspot.com/
Ohr d’Oeuvre:Anorak/ Tiefenrausch II/ Tod in Mexiko
Gesamteindruck: 8/10
Tracklist: Das verrückte Haus/ Der Mieter/ Tapetentür/ Anorak/ Tiefenrausch II/ Tod in Mexiko/ Die Frau in den Dünen/ Stern in der Ferne/ Versiegelte Zeit