Mal nicht Münster! Der Emo-Kracher des Spätsommers kommt mit ON HOW TO DISEAPPEAR diesmal von Linhay aus dem hohen Norden.
Linhay kommen aus Kiel, wobei die Hörer*innen nach den ersten Durchläufen von ON HOW TO DISSEAPEAR ihre letzten angespielten und teilweise verstaubten Midwest Mixtapes durchsuchen werden nach der Band. Zusehr lassen sich die Norddeutschen in den mittleren Westen der USA verorten. Zusehr verströmen die Songs und der Sound dieses Emo- Feeling der 1990er und 2000er, was damals von Bands wie Mineral, American Football oder den seligen Sunny Day Real Estate getragen wurde. Auch inhaltlich drehen sich Songs wie die großartig-tempoverschleppte Vorabauskoppelung „Water“ oder wie „Uneasy“ oder „Distance between two moons“ um die ewigen Fragen, warum andere Menschen nicht die gleichen Gefühle für einen selbst haben wie man selbst für sie und warum man allgemein unverstanden von der Welt bleibt. Zu all der Emo-Harmonie gesellen sich einzelne, melodiöse und teilweise krachige Indie-Versatzstücke wie das schöne piano-unterlegte Intro bei „Shy“ oder die Streicher in „2412“, die fast ein wenig Pathosschmalz verströmen. Ein wenig grüßen da Bands wie Miles um die Ecke. Zugleich befreien sich Linhay damit aus der Plagitat-Ecke und beweisen, dass sie über die Jahre einen eigenen Sound entwickelt haben, der teilweise mitreißend ist, was nicht zuletzt an der warmen und einnehmenden Stimme von Martin Trompf liegt. Seit 2016 frickelt die Band um den ehemaligen Escapado-Schlagzeuger Gunnar Vosgröne an ihrem Sound und es kann attestiert werden, dass sie ihn mit ON HOW TO DISSEAPPEAR zu einem ersten Höhepunkt gebracht hat. Ob sie dies mit dem Metalgegrunze am Ende von „Interlude (A slightly disorientated butterfly)“ noch mal extra unterstreichen wollte, bleibt dahin gestellt. Gespannt dürfen die nächsten Auftritte erwartet werden, bis dahin sollte das eigene Midwest Emo-Mixtape um mindestens drei bis vier Nummern von Linhay erweitert werden.
VÖ: 04.09.2020, Bloodstream, https://linhay.bandcamp.com/
Gesamteindruck: 8/10
Ohr d’Oeuvre: Water/2412/Uneasy
Tracklist: Intro/ Cypsall/In sunshine and Shadow/ Uneasy/ Poem/The Distance between two Moon/ Water/ Shy/ 2412/Interlude (A slightly disorientated butterfly)/ La Lune