Marcel: Ready?
Björn: Yes. Heute sechs Alben. Von mir aus kann’s kurz und schmerzlos werden.
M: Alles klar. Du fängst an.
B: Na gut. Dann fange ich mit etwas Erfreulichem an. Das beste an den Platten dieser Woche war, dass keine dabei war, die länger als 50 Minuten dauert.
M: Doch! „Influencer“ von Haiyti mit 50 Minuten und 25 Sekunden. Ich fand die okay. Nichts wirklich Neues aber gut – wenn man das mag. Das Interessante ist wohl die Künstlerin selber.
B: Mit Haiyti und Son Lux aka Ryan Lott haben wir zwei Künstler, die in diesem Jahr sogar bereits ihre jeweils zweite LP veröffentlichen. Haiytis Album „Sui Sui“ vom Juli hat mir deutlich besser gefallen als „Influencer“. Auf der neuen habe ich noch keinen Hit wie „La La Land entdeckt“. Aber mir fiel es auch in dieser Woche echt schwer, den Alben aufmerksam zu folgen. Definitiv relevanter ist ihr Hip Hop Entwurf – als z.B. der von K.I.Z. – aber allemal. Deren neue Platte ist wohl ein eher überraschend eingeworfenes Mixtape, vor dem eigentlichen neuen Album im nächsten Jahr.
M: Vielleicht ist das so, wenn man so schnell nacheinander Alben veröffentlicht. Der künstlerische Output ist groß, aber die Qualität leidet dann. Ein halbes Jahrzehnt hat man aber nichts von K.I.Z. gehört. Die Produktion von „Das Geheimnis der unbeglichenen Bordellrechnung“ wurde ein wenig aktualisiert und wir haben erfahren, wo sie die letzten 6 Jahre waren – in der Berghainschlange! Immer noch schlau und wichtig die Jungs!
B: Finde ich irgendwie nicht. Vielleicht ist auch 2020 einfach kein gutes Jahr für Comedy. Der neue Borat Film hat bei mir auch nicht gezündet. K.I.Z. ist doch Comedy-Rap? Oder kann man das nicht sagen? Jedenfalls finde ich die Formel etwas Krasses von sich zu geben, um es danach noch ins Absurde zu steigern, etwas abgenutzt. Vielleicht steh‘ ich gerade auch einfach nicht auf Klamauk. Apropos Klamauk. Wie hat dir denn die Platte von Detlef gefallen?
M: Toll toll toll. Feinster Oldschool-Punkrock von den Detlefs (Detlef Meurer von Knochenfabrik). Die „Ode“ an Kopenhagen ist schon jetzt ein Klassiker. Und sich an deutschen Männer abzuarbeiten („selbstbewusst wie ein Laster, doch selbstbewusst ist immer der, der nicht viel denkt“) nur richtig. Was sagst du?
B: Ich finde das Weltbild, welches die Texte vermitteln, ziemlich reaktionär. Eigentlich keins, welches ich von einer Punkband erwarten würde. Das letzte Album von Eisenpimmel hat mir hingegen ziemlich gut gefallen. Außerdem klingt deren Platte auch gut. Detlefs Platte klingt, als hätte man die Instrumente in einer Lagerhalle live aus der Ferne aufgenommen und die Gesangsspuren draufgelegt. Aber wenn es der Zielgruppe gefällt. Bitteschön!
M: Das muss so. Ich find’s uneingeschränkt gut. Wahrscheinlich war die Aufnahmesituation genau so. Voll gut! Kommen wir wieder zu einem Album von dir. Bei ca. 130 Spotify-Hörern pro Monat: woher kennst du Kess Richards?
B: Kess Richards kommt aus der Touringband von U.S. Girls aka Meghan Remy. Mit Hilfe andere kanadischer Musiker – u.a. Tim Kingsbury von Arcade Fire – hat die Amerikanerin jetzt ihre Debütplatte veröffentlicht. Auf „The Language Shadow“ gibt es neben acht Eigenkompositionen auch zwei Cover. „Strangers“ von den Kinks und „Nature“ von der ebenfalls aus Kanada stammenden Jennifer Castle. Insgesamt eine nette Folkplatte. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Wie hat Dir die Son Lux Platte gefallen?
M: „The Language Show“ von Kass Richards fand ich auch nicht schlecht. Son Lux fand ich ganz schwierig. Irgendwie so Ambient Kram aber dann doch mehr. Einfach nicht „My Cup of Tea“. Mit welchen Argumenten würdest du mich überzeugen?
B: Ich finde den zweiten Teil von „Tomorrows“ auch nicht überzeugend. Das erste Album hat einige ergreifende Momente. Ich mag auch den modellierten, androgynen Gesang des Son Lux Masterminds Ryan Lott. Aber auf dem zweiten Teil regiert für meinen Geschmack zu viel Gefrickel – zu wenig richtige Songs.
M: Lass uns am Nikolaustag mit der tollen „Seasonal Shift“ von Calexico schließen. Für mich ein tolles Weihnachtsalbum. Klassiker werden ansprechend interpretiert und trotzdem mit Calexico-Appeal. Das ideale Album für die ruhigen Lockdown-Tage und ein schöner Gegenentwurf mit lateinamerikanischen Gastsänger*innen zu der Andreas Gabalier Platte bei Oma und Opa. Uneingeschränkt besinnlich und toll. Oder Björn?
B: Alternative Weihnachtsplatten höre ich – wenn überhaupt – nur von Sufjan Stevens und von Jamaikanern. In das Werk von Calexico kam ich überhaupt nicht rein. Überhaupt keine Chance. Nächste Woche erscheinen u.a. ein Livealbum von Belle and Sebastian und eine neue Platte von den Avalanches. The Kills schmeißen ihre B-Seiten und Raritäten auf den Markt. Das wird hoffentlich interessanter.
M: Ach Björn. Ich esse jetzt meinen Schokonikolaus zu Calexico und wünsch‘ dir noch einen tollen zweiten Advent. Bis nächste Woche!
B: Bis näschte Woche, Marcel. Und halte immer schön Abstand in der Glühweinschlange!