Ein wenig schüchtern wirkt es schon, als Florian von TALKING TO TURTLES sich für seinen Monolog zurechtmacht. Der Wahl-Leipziger stellt am Abend des 30. Januar ganz allein den Support für die Dänen von CHOIR OF YOUNG BELIEVERS im Kreuzberger Privatclub dar. Der Sänger entschuldigt sich zunächst, dass (in Berlin zum wiederholten Male) seine Bandkollegin Claudia nicht dabei sein könne, er sei quasi nur zu 50 % da. Nach einer Anspielung aus dem Publikum der Wiederholung betreffend, verweist Florian grinsend auf den Film „Fightclub“. Sein zeitweilig „schizophrenes Rumgebrülle“ sei eben das des weiteren Bandmitglieds erklärt er und legt sofort mit „Can’t Make My Day“ los.
„Monologue“ heißt das Debütalbum der (eigentlich) zwei Bandmitglieder. Doch auch wenn sich Florian mit Gitarre, Schellenkranz und elektronischer Bassdrum an Händen und Füßen einem Solo wappnet, kommt für das ruhigere Projekt erstaunlich viel Resonanz aus dem Publikum. Nach dem tanzbaren „Stones Through Thin Glas“ und dem besinnlichen „25th Anniversary“ zaubert Florian den herzzerreißenden Publikumshit „Beam Me Up Scotty“ hervor. Bei „Dive Into The Wild“ verzichtet der Sänger zunächst auf seine Gitarre, um sich elektronisch unter die Arme greifen zu lassen. Er steht nun aufrecht vor dem Mikro, neben ihm leuchtet treu eine Globus-Lampe. Und von schüchtern kann keine Rede mehr sein – mit Leidenschaft und einer besonders großartigen Stimme singt der TALKING TO TURTLES- Mann und brüllt die zu singenden Parts seiner Partnerin Claudia ohne Mikro in den Raum. Seine Gitarre wird als vollwertiges Instrument eingesetzt, das hier nicht nur zur Begleitung Akkorde bringt. Der Sänger spielt wirklich mit ihr, lockt ihr Töne und ganze Stimmungen heraus. Nach neun Songs und einer halben Stunde verabschiedet sich der TALKING TO TURTLES- Sänger mit „Monster’s Teeth“ von der kleinen Bühne.
Die Größe derer stellt sich für den darauffolgenden Act beinahe als Herausforderung dar. Die sieben Dänen von CHOIR OF YOUNG BELIEVERS müssen Platz finden, ebenso wie ihre Instrumente, was sich bei zwei Drumsets, Gitarren, Keyboards und Cello als recht schwierig erweist. Und dennoch bleibt zumindest für Frontmann und Gitarrist Jannis Noya Makrigiannis genügend Platz, um sich zu seinen Liedern frei bewegen zu können. Die sieben Kopenhagener stellen ihr erstes Album „This Is For The White In Your Eyes“ vor und machen ihrem Bandnamen alle Ehre: tatsächlich singen alle Mitglieder im Background, was sich als stimmgewaltiger Chor entpuppt.
Nach dem ersten Song „Riot“ hält der pelzbemützte Sänger Makrigiannis eine kurze Begrüßungsansprache, bevor er mit „Next Summer“ den für die Truppe typischen Indie-Folk-Rock weiterleben lässt. Der CHOIR OF YOUNG BELIEVERS schafft es dank Stimm- und Instrumentengewalt stets im feinsten und harmonischen Zusammenspiel eine fast orchestrale Atmosphäre zu erzeugen. Besonders der beherzte Einsatz von Cello und Trompete lässt die Lieder zu runden Werken avancieren. Jedes Stück klingt anders und trägt doch die hörbare Handschrift der sieben Musiker. Nach sechs lebhaften Stücken wird es mit „Wintertime Love“ etwas ruhiger und auch das als „new song“ angekündigte „Nye No. Et“ entpuppt sich als besinnliche Ballade. Und doch stehen die wahren Kracher noch bevor: das eingängige „Action/Reaction“ stellt sich anschließend als wahrer Publikumsliebling heraus. Nach zwölf Songs und einer Solo-Zugabe Makrigiannis’ an der Gitarre lassen alle sieben Bandmitglieder das Konzert würdevoll mit „Hollow Talk“ ausklingen.
An diesem Winterabend, wie gemacht für ehrliche und handgemachte Musik, sind TALKING TO TURTLES und CHOIR OF YOUNG BELIEVERS in dieser Kombination ganz lapidar ein großartig orchestrales Folk-Indie-Rock-Liedermacher-Erlebnis.
Setlist Talking To Turtles:
Can’t Make My Day
Stones Through Thin Glas
Too Rough
25th Anniversary
Beam Me Up Scotty
Dive Into The White
Turntable Turns
20 Years
Monster’s Teeth
Setlist Choir Of Young Believers:
Riot
Next Summer
Keep Dancing
She Walks
These Rituals Of Mine
The Third Time
Wintertime Love
Why Must It Always Be This Way
Nye No. Et
Action/Reaction
Claustrophobia
Yamagata
Goddamn
Hollow Talk
Bilder vom Konzert. Fotografin Sunna R.
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