Eine Parade für die Könige
Nach dem Bespielen kleiner Hallen im Winter kehrten Kings Of Leon nun nach Deutschland zurück und durften sich in den Mega-Arenen des Landes standesgemäß feiern lassen. Magnet waren dabei immer noch ihre zwei größten Hits und doch kamen auch Fans des gesamten Werkes der vier Followills auf ihre Kosten.
Den Anfang nimmt der kleine Trip durch Deutschland in Köln. Bei schönstem Sommerwetter trudeln die ersten Fans schon gegen frühen Nachmittag vor der Lanxess-Arena ein und feiern sich und ihre Band vorab mit Musik und alkoholischen Getränken. Alles ist bereitet für eine ausgelassene Party. Für etwas Abkühlung sorgen dann die klimatisierte Arena und auch der dänische Support Mew mit ihren sphärischen Klängen. Besonders „The Zookeeper’s Boy“ will nach dem Auftritt nicht mehr aus dem Kopf. Leider ist der Sound nicht optimal abgestimmt, so dass Mew ihre Magie nicht vollends entfalten können.
Nach kurzer Umbaupause verdunkelt sich der Saal und erklingt das lang erwartete „Lacrimosa“ von Mozart, das allein schon Gänsehaut verbreitet. Das wird dann durch die vier auf die Bühne kommenden Followills gesteigert, die mit lauten Gitarren und wummernden Drums „Crawl“ anstimmen. Energetischer und druckvoller kann man ein Set kaum beginnen lassen und so bricht die Energie auch sofort im Publikum durch. Einen ersten Höhepunkt erfährt diese dann beim zweiten Song „Taper Jean Girl“, einer der Klassiker schlechthin, der mit lauten Aha-Shake- Gesängen begleitet wird. Vollends rasten die Fans der ersten Stunde dann bei „Red Morning Light“ aus, das einen kurz vergessen lässt, dass man tatsächlich in einer Mehrzweck-Arena mit gefühltem Fassungsvermögen einer mittleren Kleinstadt steht. Schwitzige Clubatmosphäre macht sich breit, was nicht jedem angenehm erscheint, aber eben zu einem Rock’n’Roll-Konzert dazugehört. Die Band ist dabei wie immer tight und besonders am Anfang eben wie gewohnt mundfaul. Außer ein kurzes, nach all den Jahren fast als Witz daherkommendes „Hey we are Kings Of Leon“ ist nicht aus ihnen raus zu kriegen.
Weiter geht’s im Set mit der Hymne an die (englischen) Fans und dann mit dem 70s-Southern-Rock-angehauchtem „California Waiting“, einem weiteren sehnsüchtig erwarteten Knaller aus dem ersten Album. Erst danach kann sich der durchgeschwitzte Körper bei „Milk“ und „Closer“ ein erstes Mal entspannen und auch die Band schnauft durch. Gitarrist Matthew zündet die Zigarette an, Drummer Nathan wischt den Schweiß ab. Lange währt die Ruhe nicht. Nach „Four Kicks“ und „Charmer“ kündigt Caleb Followill das dann folgende Lied mit „So this is the moment“ an. Was jetzt kommt, ist klar. „Sex On Fire“ Jetzt gibt es kein Halten mehr. Es wird hysterisch geschrien, brüllend mitgesungen und gehüpft als gäbe es kein Morgen mehr. Da trifft man in der Menge plötzlich den Mew-Gitarristen, der gummiballartig durch die Gegend springt, gleich neben dem blonden Mädchen mit langen Fingernägeln, das sich ob des sexuell aufgeladenen Textes des Songs und dem weit ausgeschnittenen Shirt auf Seiten Caleb Followills selig seinen Tagträumen hingibt und kreischend singt. „Erstaunlich“ kann man da nur sagen!
Da gerät ein Song wie „The Bucket“ danach beinahe zum Cool-Downer, was zwei Jahre zuvor undenkbar gewesen wäre. Aufgefangen wird dies dann aber wieder von der Hymne schlechthin – „On Call“, bei der insbesondere Caleb locker wird. Sowieso scheint sich die Band zum Ende des Sets hin endlich zu entspannen. Wird gelassener, was natürlich durchaus auch mit dem einen oder anderen Schluck Wein und Bier zusammenhängen kann. Nur Bassist Jared lässt sich nur selten zu einem Lächeln überreden. Das lange Touren zeigt gerade bei ihm seine Wirkung.
Der Stimmung in der Menge tut dies aber keinen Abbruch. Sie wird nochmals gesteigert mit „Use Somebody“ als letztem Song vor der Zugabe. Wieder gibt es kein Halten mehr. Musikalisch sticht bei diesem Song immer wieder der mehrstimmige harmonische Gesang hervor, der auch live durch die vier perfekt umgesetzt wird.
Die Zugabe wartet dann noch mal mit ein paar der wohl schönsten Songs der Nashviller auf. Bevor „Black Thumbnail“ die Menge final zum Ausrasten bringt und auch Caleb Followill dazu verleitet wie in alten Zeiten Mikroständer umzuschmeißen und kniend auf dem Boden zu liegen, rockt zuvor das kompakte „Slow Night So Long“ und geht über in die zwei Übersongs „Knocked Up“ und „Manhattan“, zu denen in den ersten Reihen Luftschlangen geschwenkt werden. Besser hätte der Abschluss nur noch mit „Trani“ oder „Arizona“ gelingen können, aber einige Fans hoffen da schon wieder auf den Auftritt in Berlin zwei Tage später.
Der gerät vollends zum Triumph im O2-Koloss. In der total ausverkauften Arena haben auch Mew dieses Mal einen besseren Sound erwischt. Sie tragen einen in eine Traumwelt und inspirieren damit auch Kings Of Leon wie Caleb Followill später bewundernd zugibt. Und wieder dieses grandiose „The Zookeeper’s Boy“. Ein Song zum Niederknien!
Der Einmarsch für Kings Of Leon wird dann abermals königlich bereitet durch „Lacrimosa“, doch wartet danach die erste Überraschung. Nicht „Crawl“ eröffnet das Konzert, sondern die neue Single „Notion“. Da diese als Opener nicht ganz so mitreißend ist, jubelt die Menge zwar, aber bricht erst wieder so richtig aus bei „Taper Jean Girl“. Die Berliner und auch die Band brauchen ein paar Songs, um sich aneinander zu gewöhnen, zudem scheint insbesondere Caleb zunächst abgelenkt durch Soundprobleme, die in der Menge nicht wirklich auffallen. Mit zunehmender Setlänge verfliegen diese aber und heitert sich die Laune auf. Immer wieder huscht ein Lächeln übers Gesicht oder werden pantomimisch die eigenen Lyrics begleitet. Für Kings Of Leon-Verhältnisse wird das Konzert im späteren Verlauf beinahe zur reinsten Talkshow. Da berichtet Caleb Followill amüsiert über die Parade vom Christopher Street Day vor seinem Hotelzimmer und bedankt sich überschwänglich bei den Fans, „because he has a ball!“ Den haben auch die Fans.
Ab dem zweiten Drittel wabert die Energie nur so im Innenraum und bleibt dabei trotzdem größtenteils sehr positiv. Wieder feiern die älteren Fans vor allem Lieder der Vorgängeralben und warten neue Fans besonders auf „Sex On Fire“ und „Use Somebody“, um sich in emotionale Höhen katapultieren zu können. Band und Publikum treiben sich zu Höchstleistungen an, so dass Nathan Followill mitten im Set konsterniert zu Cousin Matthew feststellt: What a f***ing mental crowd! Wieder werden in der ersten Reihe Luftschlangen ausgepackt, was einigen Bandmitgliedern ein Lächeln entlockt. Nach 17 Songs ist dann erstmal Pause. Allerdings nur kurz, denn die Zugabe lässt nicht lange auf sich warten. Das energiegeladenen „Slow Night So Long“ bildet dabei wie in Köln den Anfang und geht über in „Knocked Up“, das dieses Mal gar nicht zu Ende gehen will, da die Fans im Chor ihre „Ohooohoos“ immer weiter singen. Bei „Manhattan“ hat man dann vollends das Gefühl, dass man, wie besungen, in dieser Nacht die Sterne küssen kann. Und dann kommt die größte Überraschung. Caleb Followill stimmt die ersten Töne des noch unveröffentlichten „Devils Songs“ an und treibt insbesondere seinen Bruder Jared damit an, der als einziger an diesem Abend wieder nicht die Energie versprüht wie seine restlichen Bandmitglieder.
Dieser neue Song zeigt, wie wohl sich die vier im Blues doch fühlen und lässt schon mal auf ein neues spannendes Album hoffen. Gar nicht mehr enden soll dieser Moment, so schön ist das alles. Und doch geht der Song dann irgendwann über in Black Thumbnail, was den Abend dann beschließt. Glücklich winkend und bejubelt verlassen die vier Könige ihr Volk und versprechen bald wiederzukommen. Wünschen tut man ihnen zwar eine Pause, aber der Fan in einem giert schon nach dem nächsten Konzert, dem nächsten royalen Kick und bereitet sich auf eine neue Parade für seine Könige vor.