Womit soll man nur anfangen, wenn man den Ablauf eines gesamten Festivalwochenendes schildern will, sodass es diesem auch in vollen Zügen gerecht wird? Kurz und knapp gesagt: Das Appletree Garden Festival bei der Kleinstadt Diepholz ist Frohsinn und totale Intimität, verpackt in einer idyllischen Landhausstil-Atmosphäre. Mit nur 3500 Besuchern (Stand 2011) zählt das Festival zu den etwas kleineren in unserem Lande, was in keinem Fall Schlechtes zu bedeuten hat. Ganz im Gegenteil „Klein, aber oho“, denn ein überaus starker Zusammenhalt aller Festivalisten ist auf dem Apfelhain zu spüren. Positiv unterstützend ist in diesem Fall auch der reibungslose Ablauf, der ganz klar aufzeigt, dass im Vorfeld ein gutfunktionierendes Organisationsteam sich seine Gedanken gemacht hat. Auch wenn es an einigen Stellen Verbesserungspotential gibt, aber dazu später mehr.
Das Sahnebonbon bei jedem Festival ist das Line-Up, das im besten Fall durch Sommersonne satt unterstützt wird. Das Thema Wetter ist immer so eine Sache für sich. Man steckt nicht drin und man kann es sich leider nicht aussuchen. Doch der Wetterbote Petrus zeigt sich überaus gnädig an diesem Wochenende und belässt es bei einem nur kurz anhaltenden Regenschauer und sorgt für den Sommer diesen Jahres mit Temperaturen weit über 20 Grad. Ansonsten, um auf das Line-Up des Abends zu sprechen zu kommen, gibt es bereits im Vorfeld heimliche Headliner, die äußerste Beliebtheit genießen dürfen. Das sind die fabelhaften Dillon aus Köln und das weit angereiste Duo Two Gallants, die bereits seit vielen Jahren die Bühne ihr zuhause nennen und nun auf Clubtour durch Deutschland sind. Die beiden Acts sind es auch, die das Apfelgärtchen am sehr späten Abend in ein licht- und wie erwähnt leider auch in ein regendurchflutetes Kunstwerk verwandeln.
Der Opener ist Chris Klopfer, der Frontman der Band Nil, der jetzt im Alleingang auf Folkpfade durch Deutschland tourt. School Is Cool, die jungen holländischen Wilden, lösen seine Performance ab und treiben mit ihren Paukenschlägen und wilden Tanzeinlagen das Stimmungsbarometer kräftig nach oben, woraufhin der Abend ab dato nach mehr schreit. Für mehr Musik sorgen ebenfalls die österreicher Freunde Steaming Satellites: Sie sind die österreichische Hoffnung, wenn es darum geht mit auf den Zug junger Künstler zu springen, die handgemachte Rockmusik mit elektronischen Einflüssen und versierten Texten verkaufen. Ihr Können und ihre Entschlossenheit kommt unter lautem Jubel zum Vorschein und zeigt, dass sich diese bereits eine eigene Fangemeinde aufgebaut haben. Eine subtile Bühnenshow, deren Schwerpunkt ganz klar auf der musikalischen Komponente liegt.
Für große Verwunderung am Abend sorgt der Auftritt von Breton. Schließlich sind sicher viele Festivalgänger davon ausgegangen das Londoner Quintett S.C.U.M auf der Bühne anzutreffen. Diese hätten, wenn überhaupt nur noch als Quartett auftreten können, da ihr Gitarrist und Keyboarder die Band spontan verlassen hat. Für Ersatz ist dennoch gesorgt. Die Londoner Band Breton legen einen echt coolen Auftritt hin und beweisen, dass sie mit ihrem elektronischen Sound, der leicht nach dem Sound von Citizens klingt, mehr als nur als ein Notbehelf sind. Ganz im Gegenteil. Es scheint, dass 2012 das Jahr für Breton werden könnte. Ihre Songs, wie etwa „Edward The Confessor“ sorgen für eine überaus gute Stimmung, doch eine große Bühnenperformance bleibt leider aus. Ganz anders fungiert hingegen Dillon. Wie bereits gesagt, ist das Duo als ein Gesamtkunstwerk zu betrachten, das den Namen „extravagant“ verdient. Mit einer impulsiven Mischung aus subtiler Dramatik und einer glänzenden Autorität steht die zierliche Sängerin, die auf den wundervollen Namen Dominique Dillon de Byington hört, auf der Bühne und schafft es die Leute in Ihren Bann zu ziehen.
Allerdings ist es auch ein leichtes Unterfangen von den Veranstaltern, die 21-jährige Künstlerin mit in das Line-Up zu holen. Sie ist zwar zur Zeit eine groß gefeierte Künstlerin, jedoch bietet ihre Musik keine Tanztumulte und euphorische Jubelfanfaren. Wer davon ausgegangen ist, könnte so sicherlich Gefahr laufen, enttäuscht zu sein und ihre dargebotene Kunst zu Unrecht falsch einzuordnen. Nichtsdestotrotz verlässt Dillon nach nur einem halbstündigen Auftritt die Bühne mit einem bleibenden Eindruck und beweist, dass sie in jedem Fall Talent hat.
Zur Geisterstunde betreten Two Gallants den Garten. Sie sind jedoch alles andere als angsteinflößend. Schließlich ist vielen angereisten Fans bereits im Vorfeld klar, wohin die Reise führt. Eine turbulente Mischung aus Punk, Folk, Country und Blues wird dargeboten. Klingt verwirrend, ist es aber nicht. Das Zweimann-Orchester, mit einer jeweils doppelten Funktion im Gesang und am Instrument, überzeugen nach gewohnter Manier, wie es viele Musikmagazine verlauten lassen. Das von nur zwei Personen durch den Einsatz ihrer Stimmen und vielen verschiedenen kleinen Instrumenten eine solche Wucht und Töne als Ganzes entstehen, scheint eine Kunst für sich zu sein. Nicht allein nur deshalb wird ein Vergleich mit den White Stripes laut. Adam Stephens und Tyson Vogel bieten fulminanten und leicht exzessiven Rock an, der in Folk und Bluesharmonien gekleidet ist.
Wie sagt man doch gleich so pathetisch, dass meistens dann etwas zu Ende geht, wenn es am schönsten ist. Und so betrachtet, war es das auch. Nicht das Quadrophenia mit Ihrem Beitrag einen Abbruch getan hätten. Nur lag der Fokus des Tages nun mal stark bei den galanten Zweien. Dem zweiten Tag gebührt ab dann die Aufgabe den ersten zu übertrumpfen. Kein leichtes Unterfangen bis hierher. Dazu mehr im zweiten Bericht.
Einige Impressionen von dem Festival Tag 1:
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Fotograf:
Norbert Valluš