Thievery Corporation – The Temple of I & I
Zusammen mit ihrer Live-Band zogen sich Thievery Corporation nach Jamaika zurück, um auf THE TEMPLE OF I & I einen organischen Downbeat und Dub – Mix aus groovenden Basslines, satten Bläsern und zurückgelehnten Drum Beats zu mischen. Ein neuer Klassiker?
Und dann kam SAUDADE. Album für Album bauten Rob Garza und Erik Hilton ausgehend von ihrem Washingtoner Eighteenth Street Lounge Club ihren unverkennbaren Stil aus und mischten Downbeat mit politischen Aussagen. 2014 widmete man sich dann jedoch Samba, Bossa Nova, Rumba mit brasilianischer Note und überraschte den ein oder anderen treuen Weggefährten. Nur um drei Jahre später erneut das Genreruder herumzureißen.
So lässt man doch die galizische Schwermut anno 2017 (vorerst) hinter sich. Die Reise geht zurück in die eigene Diskographie und lässt den geneigten Dieb-Verfolger an Klassiker wie THE RICHEST MAN IN BABYLON oder sogar THE MIRROR CONSPIRACY denken. Das Cover gibt einen guten Eindruck, was einen erwartet – Reggae-Tunes und Oldschool-Beats – auch wenn die Front leider gar nicht so geschmackvoll wirkt wie etwa THE COSMIC GAME oder der Verpackungs-Grammy-Kandidat RADIO RETALIATION. Denn hier fällt die Anordnung im Zentrum unangenehm auf und ist hoffentlich eher ein Zufallsprodukt, als gewollt.
Doch zurück zur Musik. Denn die liefert auf genau einer Stunde alles, wofür man Thievery Corporation bereits in den letzten 20 Jahren liebte, wenn auf WG-Partys einer ihrer Hits im Hintergrund aufhorchen ließ. Das Maß der Qualität ist dabei wie zu erwarten und wie zuvor beständig hoch. So gibt es keine Ausfälle nach unten zu vermerken! Allerdings auch keine nach oben! Stabil, aber halt auch keine Knaller. Passende Anspieltipps sind „Ghetto Matrix“ oder „Let The Chalice Blaze“. „Fight to survive“ klingt als ob „Galvanize“ auf die Thievery Rockers trifft. Und auch bekannte Markenzeichen der eigenen Bandvergangenheit lauern an jeder Ecke. So klingt etwa „Time + Space“ wie einst „Le Monde“ und auch das ein oder andere „PowPowPow“-Sample glaubt man bereits auf anderen Veröffentlichungen gehört zu haben.
Insgesamt bleibt festzustellen, dass Garza und Hilton mit THE TEMPLE OF I & I erneut ihre Klasse unter Beweis stellen. Allerdings gelingt es ihnen trotz einer Rückbesinnung auf alte Stärken nicht, erneut Ohrwürmer und Instant-Hits zu schreiben. Vielmehr wirken die Tracks wie hochqualitative Ausschussware aus vergangenen Songwriting-Sessions. Fahrstuhl-Lounge für Café-Del-Mar-Hipster kommt dabei zwar nicht heraus, allerdings auch kein weiteres „Lebanese Blonde“ oder „The Richest Man in Babylon“.
VÖ: 10. Februar 2017, Esl Music, Rough Trade, http://www.thieverycorporation.com/
Ohr d’Oeuvre: Fight to survive / Thief Rockers / Lose to find / Let The Chalice Blaze
Gesamteindruck: 8,76/10
Tracklist: Thief Rockers feat. Zee / Letter To The Editor feat. Racquel Jones / Strike the Root feat. Notch / Ghetto Matrix feat. Mr. Lif / True Sons Of Zion feat. Notch / The Temple Of I & I / Time + Space feat. Lou Lou Helichkhani / Love Has No Heart feat. Shana Halligan / Lose To Find feat. Elin Melgarejo / Let The Chalice Blaze / Weapons Of Distraction feat. Notch / Road Block feat. Racquel Jones / Fight To Survive feat. Mr. Lif / Babylon Falling feat. Puma / Drop Your Guns feat. Notch
Spidergawd IV
Trondheim ist die drittgrößte Stadt Norwegens und liegt verdammt hoch im Norden…..Folglich sind die Winter hart und dunkel und der Mensch muss gucken, was er mit der Zeit macht. Zugleich scheinen dies die richtigen Rahmenbedingungen zu sein, um sich kreativ ausleben zu können. 2013 starten dort die beiden Motorpsycho-Buddies Ben Saether und Kenneth Kapstad, Spidergawd als Seitenprojekt. Diesem Status ist die Band mittlerweile entwachsen und legt ihre vierte Veröffentlichung vor, die pragmatisch IV betitelt ist.
Mit IV schließen die Norweger nahtlos dort an, wo sich mit III aufhörten. Sie veröffentlichen ein Hard-/Schweinerockalbum, was ziemlich weit vorne ist. Aus dem Regal der musikalischen Möglichkeiten kombinieren sie alles, was Spaß macht und mit der zuvor angeführten Musikgenre in Verbindung gebracht wird. Schneidenden Gesang, messerscharfe, krachige Gitarrenriffs, frickelig-verspielte Melodien, trockene unumstößliche Basslinien und druckvolle Schlagzeugsequenzen, gepaart mit einem harmonisch-organischen Zusammenspiel verbinden sie zu ihrem sehr prägnanten Musikstil.
Das Album lässt schon jetzt größte Vorfreude auf die kommende Tour im Frühjahr aufkommen, da die Songs genügend Möglichkeiten geben, um bei den Auftritten episch-pathetische Improvisationen einzubauen, die dem Publikum die Birne wegblasen. Da kommen die guten Gene der Motorpsycho-Schule wieder zum Tragen! Selbige sind unverkennbar vorhanden, auch wenn es die Verquickung beider Bands so nicht mehr gibt. Herr Saether arbeitet wieder ausschließlich für seine Kernband, wohingegen Herr Kapstad die Drumsticks nur noch bei Spidergawd nutzt. Neben dem ganzen Lob für IV, ist kritisch anzumerken, dass die Bläser im Gegensatz zum vorherigen Album in den Hintergrund gerutscht sind. Das ist bedauerlich, weil sie ein klares Alleinstellungsmerkmal waren und den Songs eine große Eigenständigkeit verliehen.
Man nährt sich IV am sinnigsten, wenn es die ersten Male en bloc gehört wird. Dadurch erschließt sich dem Hörer eine Dynamik und ein Spannungsbogen, welchem er sich nicht verschließen sollte, indem er nur einzelne Stücke anspielt. Trotzdem stechen drei der acht Stücke heraus. Mit besonderer Aufmerksamkeit sollten „Is this love“, „Loucille“ und „The Inevitable“ gehört werden, da sie die Energie der Band auf den Punkt bringen. Das letzterwähnte Stück erinnert stark an eine Hommage an „El Rodeo“ der seligen Kyuss.
Abschließend ist zu sagen, dass es sicherlich schlechtere Entscheidungen gibt, als am 24. Februar im Plattenladen dieses Album zu erstehen. Vielleicht sollte direkt ein Ticket für die anstehende Tour gekauft werden. Beides wird sich lohnen.
VÖ: 24. Februar 2017, Crispin Glover Records & Stickman-Records, http://spidergawd.no/
Ohr d’Oeuvre: Is this love…?/ Loucille/ The Inevitable
Gesamteindruck: 8,5/10
Tracklist: Is this love…?/ I´m the night/ Loucille/ Ballad of a Millionaire (Song for Elina)/What have you become/ The Inevitable/ Heaven comes tomorrow/ Strangehold