Japanese Breakfast – Soft Sounds from another planet
Hinter Japanese Breakfast verbirgt sich das Soloprojekt von Michelle Zauner, ihres Zeichens Gitarristin bei Little Big League. Das Ganze nahm im letzten Jahr mit dem Debütalbum PSYCHOPOMP Fahrt auf und erfährt mit SOFT SOUNDS FROM ANOTHER PLANET einen kosmischen Höhepunkt.
Dabei ist der Titel durchaus programmatisch gemeint, bilden doch die Reisen zu anderen Planeten, beziehungsweise Science Fiction Stories im Allgemeinen, den Rahmen zu Zauners Geschichten und für ihre weiterhin nicht abgeschlossene Selbstreflexion. Diese begann bereits auf PSYCHOPOMP vor dem traurigen Hintergrund des Krebstodes ihrer Mutter. Dabei gibt die Einbettung in den Science Fiction Kontext dem Experimental Pop Zauners eine positivere Färbung. So legt sie ein vielschichtiges Album vor, das die Brücke von housigen Tracks hin zu einem loungigen Indiepop schafft, der ein wenig wirkt als hätte Courtney Love bei den Cardigans angeheuert. Doch über allem schwebt eine poppige Weltentrücktheit, die sich jenseits jedes Selbstmitleids bewegt und eher an das große Popherz in uns allen appelliert.
Das Album startet wie eine Raumfahrt – ein wenig ruckelig und dunkel – mit „Machinist“ und „Road Head“, in denen sich Zauners Stimme, die zwischen Entschiedenheit und Verträumtheit wechselt, über pulsierende Housebeats legt. Die Tracks durchschwebt eine gewisse Unsicherheit, wie am Beginn einer längeren Reise. Mit zunehmender Dauer der Platte löst sich die Ungewissheit und der experimentelle Ansatz in großen Popmelodien auf, die manchmal mehr und weniger opulent vertont sind. In den ausschweifenden „Body is a blade“ und „Till Death“ erreicht diese Opulenz ihren musikalischen Höhepunkt. Manchmal steigert Zauner das Schwelgerische und Verträumte hin zu einem Easy Listening Ansatz wie in „Boyish“, welcher fast zu süß und schwebend rüber kommt. So süß, dass man droht bei Genuss der Platte Karies zu bekommen. Vor dem himmlischen Hintergrund macht die Konzeption der Songs allerdings Sinn, fast als hätte der Reisende seine schwebende Erlösung gefunden, vielleicht wie Zauner eine wenig selbst mit SOFT SOUNDS FROM ANOTHER PLANET.
War Ihr Debüt noch überschattet vom Krebstod der Mutter und mehr oder weniger eine Verarbeitungsplatte dessen, scheint sich Michelle Zauner in Teilen befreit zu haben und dem irdischen abgewendet zu sein, um in eigene Sphären aufzusteigen. Dabei reist man gerne mit.
VÖ: 14.Juli 2017, Dead Oceans, https://michellezauner.bandcamp.com/
Ohr d’Oeuvre: Body is a blade/ Till Death/ Road House
Gesamteindruck: 8,0/10
Tracklist: Diving Woman/ Road Head/ Machinist/ Planetary Ambience/ Soft Sounds from another planet/ Boyish/ 12 Steps/ Jimmy Fallon Big/ Body is blade/ Till Death/ This House/ Here Come the Tubular Bells
(pd)
Chastity Belt – I Used to Spend So Much Time Alone
Auf ihrem dritten Werk I USED TO SPEND SO MUCH TIME ALONE entpuppen sich Chastity Belt als Meister der Selbsthäutung. Beginnt die Platte als verträumtes Postpunk Werk, endet es mit einer Kissenschlacht Kim Gordischer Prägung.
Irgendwann beschlossen die vier Bandmitglieder von Chastity Belt sich erst einmal ausführlich zu sagen, was man gut aneinander findet. Wo andere Bands sich stundelange Diskussionen in Begleitung eines Supervisors leisten, um an die tiefsitzenden Bandprobleme zu gelangen, beschlossen die vier Musikerinnen einfach das positive am anderen in den Vordergrund zu stellen. Irgendwie schräg, irgendwie erwachsen oder sagen wir lieber ziemlich selbstreflektiert. Doch bevor man jetzt in den Grüngürtel läuft und Fremden Komplimente zuschmeißt, sollte man lieber etwas Zeit darauf verwenden und I USED TO SPEND SO MUCH TIME ALONE lauschen. Keine Sorge, der Titel ist zwar durchaus programmatisch gemeint, ist der Blick doch meist nach innen gerichtet, zum Glück jedoch oft mit einem ironischen Überbau und nicht tränenverhangenem Selbstmitleid. Fanden sich auf den ersten beiden Platten der Band aus Seattle durchaus Titel mit pubertären und provokanten Namen wie “Giant Vagina” und “Pussy Weed Beer”, die einen deutlichen Hinweis auf die Sturm und Drang Phase gaben, ist I USED TO SPEND SO MUCH TIME ALONE ein reiferes, aber deshalb nicht weniger spannendes Werk.
Dies liegt in erster Linie an dem Spannungsaufbau der Platte. So ist der erste Teil leicht verwaschener Postpunk mit einer ordentlichen Portion Wave. Der Gesang scheint sich meist nicht ganz entscheiden zu können, ob er aus den wohl geordneten Strukturen ausbrechen will oder sich der Ruhe hingibt. Songs wie „This Time of Night“ oder „Stuck“ leben dabei nicht von den offensichtlichen Gefühlsausbrüchen, sondern eher von der Fähigkeit der Band durch kleine Akzentverschiebungen, den Songs ein neue Färbung zu geben. Hier eine betontere Basslinie, dort eine eingestreute Gitarrenmelodie. So laufen die ersten fünf, sechs Songs gut durch. Mit der Zeit wird der Bass knarziger, die Gitarren noisiger, weniger wohl temperiert und der Gesang mutiger, so dass er gegen Ende stark an Kim Gordon von Sonic Youth erinnert. Als würde die Band mit jedem Songs den Reflexionsprozess weiter verlassen, um der Welt zumindest kurz den Mittelfinger zu zeigen. Die beiden letzten Songs „5am“ und „Used to spent“ überzeugen denn auch mit Dynamik, Melodie, verquerten Gitarren und einer enormen Portion Frische. So ist I USED TO SPEND SO MUCH TIME ALONE sowohl ein Werk für die einsamen Abend im Bett als auch für die Kissenschlacht danach.
VÖ: 02.Juni 2017, Hardly Art, https://chastity-belt.bandcamp.com/
Ohr d’Oeuvre: This time of night/ Used to spend/ 5am
Gesamteindruck: 6,5/10
Tracklist: Different now/ Caught in a lie/ This time of Night/ Stuck/ Complain/ It’s obvious/ What the hell/ Something Else/ Used to spend/ 5 am
(pd)