Black Foxxes – Reiði
Jemand hat wohl vergessen den Black Foxxes aus Exeter, UK, zu erzählen, dass das zweite Album das schwerste sein soll und nicht wenige Bands vor ihnen in die Verzweiflung gestürzt hat. Auf REIðI (isländisch für Zorn) ist davon allerdings nichts zu zu bemerken. Im Gegenteil.
Rau, kantig und dunkel war das Debütalbum I’M NOT WELL der britischen Band Black Foxxes. Inhaltlich erinnerte es an das Debüt von Glassjaw, da Sänger Mark Holley es Daryl Palumbo gleichtut und in den Texten unter anderem seine chronische Darmerkrankung Morbus Crohn verhandelt. Den erkennenden Hörer dürfte die weitgehende Nichtbeachtung dieses musikalischen Meisterwerks in der Szene geschmerzt haben.
Anders – aber nicht weniger genial – klingt REIðI. Wenn auf I’M NOT WELL die Wunde noch weit offen klaffte, beginnt sie auf REIðI zu heilen. Holleys Gesang geht nicht weniger unter die Haut, doch er ist nicht mehr so schmerzerfüllt, sondern erkennt: “oh, it’s good to be lost” (“Flowers”) und “Now I understand rage […] a feeling of self-doubt and anguish” (“Float On”) . Seine Gitarre sorgt noch immer für krachende Feedbackgewitter, öffnet sich aber auch sanfteren Klangflächen. So klingt REIðI gleichzeitig unglaublich intensiv und wunderschön sanft. Außerdem schafft es das Trio, elektronische Elemente wie Synthie-Flächen so mit in einige Songs einzuweben, dass sie zwar den Sound deutlich anfetten, aber nie in den Vordergrund treten. Daneben setzt die Band auch auf Streich- und Blasinstrumente sowie auf Klavier und den Einsatz eines Megafons.
Durchweg schafft REIðI die Balance zwischen catchy Popmelodik und aufrüttelnder Disharmonie. Die Black Foxxes vereinen mal eben Elemente aus dem Pop, Folk, Classic Rock, Grunge, Alternative, Indie und Post-Hardcore. Genreeinteilung? Brauchen sie nicht! So vielseitig, innovativ, mit einem absolut eigenen Sound und wahnsinnigem songwriterischem Können kommt nur selten eine Band daher. Bei den Black Foxxes tut sich die Zukunft des Rock auf.
(rl)
Black Foxxes Tour 2018:
11.04. – Amsterdam, Melkweg (NL)
12.04. – Köln, Jungle Club
13.04. – Hamburg, Headcrash
15.04. – Berlin, Musik & Frieden
17.04. – München, Strom
19.04. – Hasselt, Cafe Cafe (BE)
Tickets: https://www.blackfoxxes.com/live/
VÖ: 16. März 2018, Spinefarm Records, https://www.blackfoxxes.com
Ohr d’Oeuvre: JOY/ Flowers/ Float On
Gesamteindruck: 10/10
Tracklist: Breathe/ Manic in Me/ Sæla/ The Big Wild/ Oh, It Had to Be You/ JOY/ Am I Losing It/ Flowers/ Take Me Home/ Float On
Yo La Tengo – There’s a Riot Going On
Es dauert circa eine Minute und man ist drinnen, im neuen, im inzwischen 15. Studioalbum von YO LA TENGO. Das instrumentale Eröffnungsstück “You are here“ kann seine Herkunft nicht verheimlichen. Wer angesichts des Titels des Albums vermutete, die Indiebastion aus Hoboken, New Jersey, hätte in diesen harten Zeiten eine explizit politische Protestplatte oder gar eine Hommage an SLY AND THE FAMILY STONEs gleichnamigen 1971er Psychedelic Funk Meilenstein aufgenommen, wird schnell eines Besseren belehrt.
Ein bandtypischer Loop zu dem sich Ira Kaplans Gitarre gesellt, lässt keine Zweifel aufkommen. YO LA TENGO spielen immer noch die weiträumigste Rockmusik, die ohne großen Aufwand auskommt. Diesmal hat man sich sogar einfach nur in den Proberaum gesetzt, auf den Aufnahmeknopf gedrückt und ohne Proben einfach losgespielt. Das Ergebnis wurde dann von John McEntire (TORTOISE, THE SEA AND CAKE) gemixt. Einen externen Produzenten benötigte man jedoch nicht. So steht es jedenfalls im Pressematerial.
Wenn man dann den Anfang des dritten Tracks “She may, she might“ mit einem rückwärts laufenden Gitarrenmotiv hört, wirken die Aussagen etwas irreführend. Die Ausflüge in Krautrock-Gefilde (bei „For you too“ hat eindeutig Michael Rothers NEU! Pate gestanden), ein Ambient-lastiger Mittelteil, die Samba-Übung “Esportes casual“, die Flamingos “I only have eyes for you“ Bearbeitung „Forever“ lassen den Hörer nach insgesamt 15 Stücken oder gut einer Stunde Laufzeit etwas ratlos zurück. Das ist durchaus als Kompliment zu verstehen.
VÖ: 16. März 2018, Matador/Beggars Group (Indigo), http://www.matadorrecords.com
Ohr d’Oeuvre: Shades of blue/ For you too/ Dream dream away
Gesamteindruck: 7,5/10
Tracklist: You are here/ Shades of blue/ She may, she might/ For you too/ Ashes/ Polynesia Nr. 1/ Dream dream away/ Shortwave/ Above the sun/ Let’s do it wrong/ What chance have I got/ Esportes casual/ Forever/ Out of the pool/ Here you are
(bk)