Wenn jemand nach einem Schlag auf den Kopf irgendwie seltsam oder gar verrückt geworden ist, braucht es einen zweiten Schlag, damit wieder alles in Ordnung kommt. Bei einem dritten Treffer, der den Patienten wieder verrückt macht, hilft dann ein vierter zur Wiederherstellung. Und so weiter. Das ist jedenfalls das Prinzip, welches sich in Unterhaltungsformaten wie bei den Three Stooges oder bei Colt Seavers bewährt hat.
Auf demselben intellektuellen Fundament zimmert Zoë Kravitz in ihrem Regiedebüt “Blink Twice” ihre Variation des Jeffrey Epstein Skandals. Es handelt sich selbstredend um keine Nacherzählung oder um ein Biopic über Epstein, den Investmentbanker, der vor seinem Suizid in Haft einem Ring zur sexuellen Ausbeutung Minderjähriger vorstand.
Im Mittelpunkt von Kravitz’ Film steht die Figur der Kellnerin und Nageldesignerin Frida – gespielt von Naomi Ackie („The End of the F***ing World“, „Whitney Houston: I wanna dance with somebody“) – welche sich auf einer Spendengala in den Tech-Milliardär Slater King (Channing Tatum) verliebt. Der hat bereits in Sachen Machtmissbrauch ordentlich Dreck am Stecken, ist aber dank einer Therapie bei Agent Dale Cooper aka Kyle Maclachlan wieder auf dem Weg der Besserung. Wer’s glaubt.
Nach der Spendengala begibt sich Frida samt Entourage – es gibt ein Wiedersehen u.a. mit Haley Joel Osmont (“The Sixth Sense”), Christian Slater (“True Romance”), Geena Davis (“Thelma & Louise”), sogar Saul Williams wurde für den Cast gewonnen – für die Dinge, die Ultrareiche und ihre Fans gerne machen, also in etwa “Suffe, Poppe, Kaate kloppe” (nur etwas modernisiert), auf die Privatinsel des Milliardärs. Aber natürlich – schlaue Zuschauer können es bereits ahnen – is something rotten in the state of PUSSY ISLAND (der Arbeitstitel – kein Witz).
Zoë Kravitz schreibt (Co-Autor E.T. Feigenbaum) und inszeniert also für das Studio von Jeff Bezos ein Filmchen, dass den Epstein-Fall auf eine Erzählung für 4-jährige Instagram-User herunterdummt, ohne auch nur ein kritisches Wort über den Kapitalismus zu verlieren. Na gut, wenn es aber als Genrefilm funktioniert.
Das ist leider auch nicht der Fall. Irgendwann im zweiten Akt gerät der unbedarfte Zuschauer in ein heftiges (und sinnbefreites) Schnittgewitter, wie bei den schlimmsten Regiearbeiten von Til Schweiger. Von einem funktionierenden Spannungsbogen kann keine Rede sein. Immerhin ist der Gewaltfaktor im Racheteil angemessen, in Relation zu den Missbrauchs-Szenen. Damit hat Kravitz gegenüber berüchtigten und exploitativen Rape and Revenge Klassikern, wie “I Spit On Your Grave”, bei denen die Katharsis am Ende definitiv nicht im Vordergrund steht, immerhin etwas richtig gemacht.
Auch gibt es im Debüt der 35-jährigen Rockstar Tochter Musik aus der Preisklasse “Rolling Stone Magazine präsentiert die besten 500 Songs aller Zeiten”. Allein die Lizensierung der verwendeten Originalstücke dürfte in etwa so teuer gewesen sein, wie eine deutsche High-End Kinoproduktion. Vielleicht hat man aber auch deshalb beim produzierenden Streaming-Studio Amazon MGM noch als Mitproduzenten Warner Brothers (die auch den Kino-Weltvertrieb übernehmen dürfen) ins Boot geholt, bei denen die Rechte einiger Songs liegen dürften.
Insgesamt gehört der Film zu einem neuen Trend, bei dem ein Major-Studio oder ein Streamer (oder in dem Fall beide zusammen) einen angesagten Prominenten mit einem unfassbaren Budget ausstattet, um sich ein völlig überteuertes Endprodukt produzieren zu lassen. Dabei kann durchaus Gutes herauskommen. Wie beim fantastischen “Challengers”. Der ist mit einem Budget von über 100 Millionen Dollar nur viel zu teuer. Dass damit keine großen Gewinne (an der Kinokasse) zu machen sind, scheint man in Kauf zu nehmen. Man nimmt das Kinogeld einfach mit. Vielmehr geht es um exklusiven Content für das eigene Portal und neue potentielle Abonnenten, die den Film wahrscheinlich erst viel später über Memes kennenlernen. Erkennbare Meme-Potentiale sind die Voraussetzung beim Pitch.
Bei Amazon MGM wird man auf jeden Fall nie mehr so blöd sein und einen (durchaus unterhaltsamen) Quatsch- und Memefilm wie “Saltburn” direkt auf den Streamer zu setzen.
Kinostart: 22. August 2024
Warner Bros. Entertainment GmbH
USA 2024 / 102 Minuten / FSK: ab 16
Foto: © 2024 Amazon Content Services LLC. All Rights Reserved.