In ihrem Debütroman „Image“ erzählt Svea Mausolf vom Absturz einer Kölner Altbau-Bewohnerin – und gerät dabei selbst ins Schlingern zwischen Ironie, Klischee und hastiger Konstruktion. Am Ende rutscht sie auf Körperflüssigkeiten aus.
Peggy, Ende dreißig, lebt in einer Kölner Altbauwohnung, sammelt Designer-Möbel und muss seit dem Wegfall der väterlichen Unterstützung einen Mitbewohner ertragen: Martin, Sohn wohlhabender Schauspieler aus Köln-Hahnwald, ist Muttersöhnchen, Geruchsfetischist und Inszenierungskünstler in eigener Sache. Er sperrt seine drogenabhängige Freundin Olivia in seinem Zimmer ein, um den Geruch ihrer After-Hour-Exzesse für später zu konservieren. Während Martin feiern geht, sich trotz 200 Euro von der Mutter als klammer Student inszeniert und bei einer früheren Sexualpartnerin landet, sitzt Peggy in der Kneipe „Image“ – französisch ausgesprochen, auf Wunsch der Betreiber – und trinkt sich in eine andere Realität.
Dort arbeitet Kellnerin Veronique, die heimlich in Peggy verliebt ist und sich später in der Nacht noch an eine eine frühere Begegnung mit Martin erinnern wird – damals beleidigte er sie und prellte die Rechnung. In Peggys Wohnung eskaliert die Situation: Olivia verwüstet das Interieur, Martin kehrt zurück, es kommt zur Konfrontation mit tödlichem Ausgang. Nicht geplant, nicht ganz unverdient.
Parallel wird die Familienstruktur ausgeleuchtet: Peggys Schwester Jenny plant eine Verlobung mit dem religiösen Lorenz. Gemeinsam wollen sie der Mutter Elke einen Online-Erotikshop für Christen schmackhaft machen. Elke wiederum betreibt nämlich mit Ehemann Detlev neben der Partyservice-Franchise-Kette mehrere Erotikshops. Ihre Ehe ist sadistisch organisiert. Wobei der Ehemann anscheinend eher die Wünsche seiner Frau erfüllt. Auch Jenny lebt ihre Macht aus – nun halt unter dem Deckmantel religiöser Erweckung.
Zu viel Stoff, zu wenig Struktur
Mausolf hat zweifellos einen Blick für Milieus, für Ekelgrenzen, für das Unappetitliche. Doch „Image“ liest sich, als habe man sämtliche Ideen auf einmal unterbringen wollen – ohne Lektorat, ohne Rhythmus, ohne Architektur. Die Handlung wird immer wieder durch biografische Einschübe und Rückblenden unterbrochen, bis jede Gegenwart ausfranst. Es entsteht kein Spannungsbogen, sondern eine Szenenparade.
Stereotype mit System
Die Figuren sind keine Charaktere, sondern Funktionen. Martin ist toxisch, Olivia zerstört, Veronique körperlich codiert. Die drei zentralen Frauen – Peggy, Olivia, Veronique – könnten Sympathieträgerinnen sein, bleiben aber klischeehaft. Besonders auffällig: Mutter und Schwester der Protagonistin sind sadistisch, mächtig, unterkühlt. Der Vater hingegen ist devot, aber kein Masochist – er wird gequält, offenbar zur Freude seiner Frau. Psychologisch ist das weder stimmig noch ausformuliert. Es soll etwas andeuten, bleibt aber diffus. Und vieles ist einfach nicht stimmig. In einer Nebenhandlung verkauft zum Beispiel eine Polizistin Informationen an den „Kölner Express“ – für 6000 Euro. Eine rührend naive Vorstellung.
Poco-Ästhetik und Söder-Avatar
Wer Mausolfs Instagram kennt, weiß, dass sie aus einer sehr spezifischen Haltung schreibt. Dort spottet sie regelmäßig über Einrichtungsstile aus der Poco-Domäne-Welt, postet Screenshots von Wohnhöllen und versieht sie mit Hohn. Ihre literarische Perspektive folgt dieser Linie. Moral und Klasse sind im Zweifel ästhetisch aufgeladen. Dazu kommt ihre Kunstfigur eines jungen Markus Söder, der auf toxische Weise männlich spricht – genau wie Martin im Buch. Dass diese Figur im Roman kaum gebrochen, sondern fast nahtlos übernommen wird, ist kein Zufall. Es ist dieselbe Stimme – nur über 256 Seiten.
Fehlende Fallhöhe, falsche Distanz
Was fehlt, ist der Wille, Widersprüche zuzulassen. Alles, was im Roman passiert, ist bereits ironisch kodiert. Alles wird gezeigt, aber nichts wird durchdrungen. Die titelgebende Kneipe „Image“ gibt es tatsächlich – mit bewusst albernem Konzept: englische Quatschsprüche an den Wänden, moderaten Bier- und Schnapspreisen und einem Publikum, das man nicht kuratieren kann. Mausolf übernimmt den Namen, dreht an der Aussprache, stilisiert den Ort – doch er bleibt bloße Hülle. Dass er längst eine eigene Würde, einen eigenen Humor hat, interessiert sie nicht. Es ist, wie so oft im Buch: Die Realität wird benutzt, nicht beobachtet.
Abgesehen von der Deutzer Brücke, der Philharmonie und einer nicht ganz richtigen Beschreibung von Köln-Hahnwald hätte der Roman auch überall anders in deutschen Großstädten spielen können. Das ist aber keine stilistische Überlegung, sondern zeigt, dass Mausolf sich einfach nicht die Mühe macht, ihre Schauplätze authentisch zu durchdringen.
Fazit
„Image“ hätte vieles sein können: eine Analyse sozialer Codes, eine Groteske über Macht und Körper, ein bitterer Gegenwartsroman über Sex, Stil und Status. Stattdessen reiht Mausolf Klischees, Rückblenden und Körperekel aneinander, ohne daraus eine literarische Bewegung zu machen. Ihre Beobachtungen sind punktuell scharf – aber sie fügen sich zu keinem Textkörper.
Der Vergleich drängt sich auf: „Image“ verhält sich zu einem Buch von Heinz Strunk, wie ein Film von Jan Bonny zu einem von Claude Chabrol – ähnliche Themen, aber ohne Struktur, ohne moralische Spannung, ohne Lust am Erzählen.
Svea Mausolf: Image. Gutkind Verlag, 256 Seiten, 22 Euro.