Dass ein Albumtitel wie „Instant Holograms On Metal Film“ eher nach einem Forschungsbericht als nach einer Popplatte klingt, ist kein Versehen. STEREOLAB, seit jeher als Band der Zwischenzustände unterwegs, melden sich 15 Jahre nach ihrer selbstverordneten Pause zurück – nicht mit einem Statement, sondern mit einer Versuchsanordnung. Ein Soundkörper zwischen industrieller Eleganz und semantischer Zersetzung.
„The numbing is not (the numbing is not), it isn’t, not working anymore“, heißt es in „Aerial Troubles“. Was klingt wie eine Fehlermeldung, ist in Wahrheit Diagnose: Die alten Mechanismen, mit denen moderne Subjekte Schmerz in Konsum verwandeln, greifen nicht mehr. Die Musik dazu bleibt STEREOLAB pur: verschachtelte Harmonien, ostinate Figuren, modale Schichtung, mikrotonales Changieren, das sich verweigert, irgendwann „Pop“ zu werden.
Es ist die alte STEREOLAB-Strategie: Die Form zersetzt sich nicht durch Lautstärke oder expressive Geste, sondern durch Beharrlichkeit. Was auf den ersten Blick wie eine homöostatische Klangfläche wirkt, entpuppt sich bei genauerem Hinhören als mikroarchitektonisches Labyrinth. Subtile metrische Verschiebungen, Einschübe im 5/4 oder 7/8, die sich sanft gegen den Grundpuls legen. Dazu modale Wendungen, die nie ganz dort enden, wo sie begonnen haben. Auch das Vokabular bleibt gleich: Vox Continental, Farfisa, Moog Modular – aber mit einem geänderten Zugriff. Weniger Retroästhetik, mehr Laborcharakter.
Tim Gane nennt seine Herangehensweise „Anfängerhaltung“ – und das ist wörtlich zu nehmen. Die Stücke wirken, als würden sie sich im Moment ihrer Entstehung selbst infrage stellen. Keine Skizzen, aber auch keine Manifeste. Laetitia Sadier, diesmal stärker beteiligt am Kompositionsprozess, legt eine Stimme über das Material, die nichts erklärt, sondern konstelliert. Ihre Texte – teils kryptisch, teils glasklar – bewegen sich auf einer Achse zwischen politischem Befund und metaphysischem Leerlauf. Die Angst vor dem Tod ist für sie nichts Ewiges, sondern eine schlecht kodierte Betriebsstörung: „Avid the fear of death“.
Dass dieser Gedanke in einem Song verhandelt wird, der sich musikalisch weigert, je zur Klimax zu kommen, ist kein Zufall. Die neuen Tracks stellen keine Fragen mehr – sie protokollieren bereits die Ratlosigkeit. In „Transmuted Matter“, der aktuellen Single, wird daraus ein fast schon schmerzlich konkret formulierter Gedanke: Wir leben in einer Übergangszone, und genau hier entstehen – vielleicht – die „instantanen Hologramme“ jener Zukunft, die noch keine Form kennt, aber schon spricht.
Dass Cooper Crain (BITCHIN BAJAS) für den Mix verantwortlich ist, verleiht dem Ganzen eine zusätzliche Tiefe. Seine Handschrift: keine Glättung, kein Glanz, sondern Öffnung. Die Musik bleibt fragil, fragmentiert, durchlässig – als hätte man versucht, einen architektonischen Grundriss in Klang zu übersetzen, und sich dann entschieden, ein paar Wände auszulassen. Auch das Cover – mit seinen nachträglich aufgedeckten Ebenen – funktioniert eher als Diagramm denn als Gestaltung.
Dass STEREOLAB dieses neue Material auf Tour bringen, ist bemerkenswert, weil es sich so beharrlich allem Bühnenhaften entzieht. Die Stücke leben nicht vom Moment, sondern von der Wiederholung, von ihrer Langzeitwirkung. Dennoch: Wer sehen will, wie Musik aussieht, die weder nostalgisch noch zukunftssicher ist, sondern einfach im Modus des Werdens bleibt, kann das am Montag im Kölner Gloria tun. Restkarten sind noch verfügbar.
Foto: Joe Dilwor