Ein wenig erinnert die Kostümierung Karin Dreijers an eine Kombination aus den Figuren Alexander DeLarge aus Clockwork Orange und dem Joker aus den Batman Comics. Mit beiden Typen würde man jetzt nicht unbedingt ein Bier zusammen zischen wollen. Aber Gefälligkeit ist auch nicht das Anliegen von FEVER RAY. Die Band des heutigen Abends, die aus sechs Frauen besteht, zerlegt in ihrem knapp anderthalbstündigen Set mal eben sämtliche Konventionen, in denen musizierenden Girlgroups im Pop-Mainstream in der Regel gefangen sind.
Heute Abend erschaffen FEVER RAY einen Raum, in dem sich jeder völlig frei entfalten darf. Und der geschützt ist vor respektlosen und abschätzigen Blicken. Davon handelt auch der zweite Track „A part of us“, den Dreijer zusammen mit Tami T, die den heutigen Abend eröffnen durfte, geschrieben hat. Damit dass aber auch wirklich jeder versteht, hängen bereits am Eingang Hinweise, dass das Fotografieren oder Filmen der Show nicht erwünscht ist. In Hamburg gab es zusätzlich auch noch Zettel, auf denen darauf aufmerksam gemacht wurde, dass man nicht nur das Smartphone in der Tasche, sondern auch den Kleineren den Vortritt lassen soll, damit die auch etwas sehen können. Vorbildlich! Wir haben uns daran gehalten. Deswegen gibt es auch kein Bild der Show zu dem Artikel.
Den ersten Song vom Debüt den sie spielen, ihre zweite Single „When I grow up“, klingt bereits nach knapp zehn Jahren klassisch und so vertraut, als hätte es ihn schon immer gegeben. Bis auf das instrumentale Titelstück „Plunge“ vom gleichnamigen Album, spielen sie die neue Platte übrigens komplett. Hier wird nicht auf Nummer sicher gegangen. Und der Plan geht auf. Die Performance wirkt keinesfalls wie die Soloshow von Karin Dreijer. Bei einigen Songs gibt sie Lead Vocals an die Kolleginnen ab.
Es ist schon erstaunlich, bzw. ein Treppenwitz der Musikglobalisierung, dass gerade aus Schweden mit FEVER RAY ein Electro-Pop kommt, der bei den schnelleren Stücken seine Beatstruktur eher dem Funk Carioca als technoider Musik entleiht und sich teilweise mit einem Gesang auszeichnet, der so exotisch klingt wie historische Fieldrecordings aus der Karibik. Björk aus Island, mit ihren niemals stillstehenden Musikentwürfen, die sich jeder Einordnung entziehen, kann als Wegbereiterin betrachtet werden.
Den regulären Teil beendet dass ebenfalls schon zum Klassiker gereifte „Keep the streets empty from me“. Mit den Zugaben „If I had a heart“ und „Mama’s hand“ entlässt die Band die euphorisierten Zuschauer, der nahezu ausverkauften Halle in die Nacht.
Der Slogan „The future is female“, der in den 1970er Jahren auf einem T-Shirt für Labyris Books, der ersten New Yorker Frauen-Buchhandlung warb, geht in dieser aktuellen Popmusik, die nicht mehr von männlichen Produzenten im Hintergrund gelenkt wird, mehr als auf.